Выбрать главу

Doch ich hatte nicht damit gerechnet, daß der Henker in die Zelle käme. Hätte ich ihn in meine Überlegungen mit einbezogen, wäre ich sicher zu dem Schluß gekommen, daß er Claudia an der Mauer erwartete. Solche Sitten sind in jeder Stadt anders. Ich war über seine kurz bevorstehende Ankunft alles andere als erfreut, da er ein zusätzliches Problem darstellte, mit dem ich nicht gerechnet hatte und das ich bestimmt nicht willkommen hieß.

Es war kein Zufall, daß ich genau an dieser Stelle im Stroh lag. Am Vortag hatte ich dort eine Erhebung im Boden gefunden, die mir zusätzlichen Halt verlieh und von der ich mich abstoßen konnte. Ich war barfuß, also konnte ich nicht abrutschen. Ich hob schwerfällig den Kopf, als wäre ich zu benommen, um mir die Wachen anzusehen. Sie waren halb verhungert. Ich war davon überzeugt, daß ihre Reflexe verlangsamt waren. Sie verfügten nicht über ihre vollen Kräfte. Der Mann, der mir am nächsten stand, sah mich wieder an, und ich erwiderte den Blick teilnahmslos. Er wandte sich wieder den Frauen zu.

»Er versteht sein Handwerk«, sagte die Wärterin zu Lady Claudia. »Er wird dich so geschickt auf den Pfahl spießen, daß du lange Zeit durchhältst.«

Claudia hielt die Augen geschlossen; sie erbebte.

»Aber wenn er es etwas schneller haben will, wird er dir Gewichte an die Beine binden!«

Claudia schluchzte auf.

»Wie hübsch du aussiehst, meine Liebe, auf den Knien, gefesselt und mit dem Kragen versehen. Keine Angst. Er wird bald hier sein! Dann wirst du zum Pfahl gebracht! Du mußt nicht mehr lange warten! Du wirst ein lustiges Bild abgeben, wenn du auf dem Pfahl zuckst! Ruhm und Ehre für Ar! Ruhm und Ehre für Ar!«

»Ruhm und Ehre für Ar!« weinte Claudia.

In diesem Augenblick warf ich mich nach vorn, und der Wächter hatte nicht einmal genug Zeit, den Kopf in meine Richtung zu drehen, bevor ich ihn gegen seinen Kameraden stieß und beide mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft weiterdrängte, während sie aus dem Gleichgewicht gebracht zurücktaumelten und während ein abgeschossener Armbrustbolzen durch den Raum jagte wie ein verängstigtes wildes Tier und die andere Armbrust aus dem Griff des Wächters geprellt im Stroh landete. Ich stieß ein Knurren aus, das in diesem Augenblick nicht menschlich klang, denn es war das schreckliche Entzücken des Kriegers, das in diesem Moment mein Herz und meinen Mund beherrschte, und ich ergriff sie, eine Hand für jeden Mann, und stieß sie mit den Köpfen gegen den Stein. Ohne Helm wären ihre Schädel zerbrochen wie Eierschalen.

Noch aus der gleichen Bewegung heraus zog ich einem von ihnen das Schwert aus der Scheide, fuhr in der Hocke herum und wandte mich knurrend dem Soldaten zu, der neben Lady Claudia stand. Er war ganz weiß im Gesicht. Vielleicht erschien ich ihm mehr wie ein Tier als ein Mensch. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Ich hatte gegen die Kurii gekämpft und überlebt. Ich stand zwischen ihm und der Tür. Die Wärterin war ebenfalls gefangen und hatte sich hinter ihn geflüchtet. Er zog halbherzig die Klinge, aber bevor sie die Scheide verlassen hatte, hatte ich ihn erreicht. Er ließ den Schwertgriff los. Die Klinge glitt zurück in die Scheide. Ich drehte mich, trat aus dieser Position zu, und er brach aufstöhnend zusammen. Die Wärterin schoß auf die Tür zu, aber ich erwischte sie an der Türschwelle, ergriff sie am Nacken, stemmte sie in die Höhe, drehte mich um und stieß sie zurück in die Zelle. Dann trat ich zu dem zu Boden gegangenen Soldaten und beugte mich über ihn. Er schnappte nach Luft. In seinen Augen lag ein wilder Ausdruck. Ohne die Wärterin aus dem Blick zu lassen, die sich jetzt an der Außenwand zusammenkrümmte und mich entsetzt anstarrte, faßte ich ihn unterhalb des Helmes im Nacken und hob seinen Kopf ein Stück an. Er war zu keiner Gegenwehr fähig. Dann schlug ich seinen Kopf auf den Zellenboden.

»Du hast ihn getötet, du hast sie alle getötet!« stammelte die Wärterin.

»Nein«, sagte ich. Die ersten beiden Soldaten waren in größter Gefahr gewesen, aber die Helme hatten sie gerettet. Ich hatte in jenen ersten Augenblicken keinesfalls die Beherrschung über mich verloren. Das hatte ich nicht. Ich hatte nur in Anbetracht der Situation kein Risiko eingehen wollen. Aber ihre Helme hatten sie gerettet.

»Leg dich auf den Boden«, befahl ich der Wärterin. »Auf den Bauch, den Kopf zur Wand, Spreiz die Beine, so weit du kannst. Die Hände auf den Kopf.«

Sie schluchzte, aber sie gehorchte. Auf diese Weise konnte sie nicht sehen, was hinter ihr geschah, sie konnte nicht so ohne weiteres aufstehen, und sie hätte einen gewissen Schutz vor herabfallenden Steinen, falls die Zelle getroffen werden sollte.

Ich nahm dem dritten Soldaten Kleidung und Ausrüstung ab und legte sie selbst an. Allerdings wechselte ich die Schwerter; ich zog seine Waffe aus der Scheide und behielt die Klinge, die ich seinem Kameraden abgenommen hatte. Sie ließ sich schneller aus der Scheide ziehen, was mir gefiel.

Die Zitadelle erhielt einen Treffer, etwa dreißig Meter entfernt. Der Steinboden erzitterte. Die Wärterin stöhnte auf und legte die Hände fester auf den Kopf. Ich trug die drei Soldaten in eine Zellenecke und bedeckte sie mit Stroh. Von der Tür aus konnte man sie nicht sehen.

Als das erledigt war, wandte ich mich Claudia zu, die noch immer an Ort und Stelle kniete. Ihr zierlicher Körper wurde von mindestens fünfzig Seilschlingen gefesselt. Von dem Kragen um ihren Hals baumelte die Leine.

»Hallo«, sagte ich.

»Du mußt fliehen!« flüsterte sie. »Rette dich! Mich kennen sie! Halt dich nicht mit mir auf!«

Ich nahm ihr den Kragen ab.

»Flieh!« flehte sie.

Ich entfernte das Seil.

»Der Henker kann jeden Augenblick eintreffen«, sagte sie mit kläglicher Stimme.

»Er würde wohl denken, daß ich dich fessele und nicht befreie«, erwiderte ich.

Sie stöhnte.

Dann war sie endlich frei.

»Du mußt mich zurücklassen!« beschwor sie mich.

»Du bist zu hübsch, um zurückgelassen zu werden.«

Sie sah mich freudig an.

»Ja«, sagte ich.

Sie lächelte mich mit Tränen in den Augen an. »Ich bin erfreut, daß mich mein Herr schön findet«, flüsterte sie.

»Woher kennst du denn solche Worte?« fragte ich verblüfft.

»Ich habe einmal eine Sklavin und ihren Herren belauscht.«

»Und was hast du dann getan?«

»Ich lief nach Hause, warf mich aufs Bett, trommelte mit den Fäusten darauf und weinte vor Sehnsucht!«

»Auch du darfst solche Worte jetzt sagen, es steht dir zu.«

»Ich weiß!« antwortete sie. »Ich weiß!«

Ich warf einen Blick in den Geldbeutel des Soldaten, der nun an meinem Gürtel hing. Wie erhofft befand sich ein Kanten Brot darin. In diesen Tagen wurden in Ar-Station solche Dinge an einem solchen Platz verwahrt. Vermutlich war es sein geheimer Vorrat oder die Tagesration. Für ihn war das Brot wertvoller als Gold gewesen. Ich reichte es Claudia, und sie stopfte es sich dankbar mit beiden Händen in den Mund. »Untersuch auch die Geldbeutel der anderen beiden Burschen«, sagte ich. »Vielleicht haben sie auch etwas zu essen dabei. Iß es. Dann komm zurück an meine Seite.«

Claudia gehorchte. Es belustigte mich zu sehen, mit welcher Bereitwilligkeit sie aufsprang, um meinen Befehl zu befolgen. Es war, als wäre sie ein neuer Mensch. Ich ging zu unserer Wärterin hinüber, die noch immer vor der Wand lag, die Hände auf dem Kopf, die Beine gespreizt. Als sie mich kommen hörte, spreizte sie die Beine noch weiter. Dabei rutschte das kunstvoll hergestellte Lumpenkleid mit dem Spitzensaum noch höher. Sie hatte hübsche Waden und Fußgelenke.

»Hier ist etwas zu essen«, rief Claudia freudig.