Rückenflossen durchschnitten die Wasseroberfläche und umkreisten die Boote, schwammen unter der Brücke hindurch, schlängelten sich an den Pfählen vorbei. Manchmal strebten sie plötzlich zusammen und schossen auf die Stelle zu, an der jemand im Wasser gelandet war, weil er gestolpert und von der Brücke gefallen war und blutend in die Tiefe stürzte. Aus dem Wasser ertönten Schreie, man sah ausgestreckte Hände und panische Blicke. Schäumende Gischt folgte, blutige Strudel und Griffe ins Leere, danach wurden die Körper unter Wasser gezerrt oder unter die Brücke gezogen, wo sie in den Schatten verschwanden. Gelegentlich sahen wir sogar die langen dunklen Formen, die einen Meter unter der Oberfläche schwammen, sowie die Bewegungen der kräftigen, senkrechten Schwanzflossen. Es kam vor, daß die Fische um ihre Beute kämpften, auch unter der Brücke, und dann schlugen ihre mächtigen Körper gegen die Pfähle. Ein Mann aus Ar-Station stand in einem kleinen Boot, schrie seinen Haß hinaus und stach wild mit der Pike auf einen der Schemen ein. Ich glaube, er schlitzte ihm den Rücken auf. Ein Cosianer schoß mit der Armbrust auf einen Flußräuber, der sein Boot umkreiste. Er tauchte unter, als sei er getroffen, und die Metallbefiederung des Bolzens verschwand mit der Rückenflosse im Wasser.
Zwischen den Angriffen schnappten wir keuchend nach Luft und kauerten uns hinter unsere Schilde, deren Ränder wir auf der Brücke abstützten. Sie viele Ehn lang hochzuhalten und einen Schlag nach dem anderen damit abzufangen, ist nach einiger Zeit schrecklich ermüdend für den Arm und läßt ihn schmerzen. Kein Wunder, daß Krieger oftmals mit Schilden üben, die mit zusätzlichen Gewichten beschwert sind. Verluste in den frühen Ahn einer Schlacht werden häufig durch Leichtsinn oder das Unvermögen verursacht, den Schild richtig einzusetzen, um sich zu schützen. Das gilt vor allem für junge Krieger. In den späten Ahn einer Schlacht kommt es jedoch viel öfter zu Verlusten, weil die Kämpfer nicht mehr fähig sind, den Schild zu heben. Die Versuchung ist groß, ihn zu senken, um den Schmerz in den protestierenden Muskeln zu lindern. Hinzu kommt die Erschöpfung des Armes, die durch das Schwingen des Schwertes und die Verlangsamung der Reflexe durch Ermüdung hervorgerufen wird.
Selbstverständlich hat der Gegner die gleichen Probleme. Das muß man einfach wissen – genau wie die Tatsache, daß Schlachten oft mehrere Stunden dauern und manchmal zwei oder gar drei Tage lang immer wieder aufflammen –, wenn man gewisse Dinge verstehen will, die auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich erscheinen, wie zum Beispiel die Atempausen zwischen den Angriffen, die ständigen Veränderungen im Gefüge der Reihen oder die gelegentlichen, scheinbar unbegreiflichen Waffenruhen, die sich an beliebigen Stellen der Schlachtenlinie durch eine stillschweigende Übereinkunft ergeben. Dort stehen Männer beider Seiten dann einfach herum, sehen sich an und unterhalten sich manchmal sogar miteinander. Ein weiterer Punkt ist die große Bedeutsamkeit des wohlüberlegten Einsatzes der Reserve.
Für denjenigen, der sich für derlei Dinge interessiert, sei angemerkt, daß es wohl solche Überlegungen waren, die dazu führten, die Phalanx allmählich durch das Karree zu ersetzen, wie es zur Zeit in der goreanischen Kriegskunst geschieht. Ein Karree ist taktisch gesehen nicht nur flexibler und kann in zerklüftetem Gelände eingesetzt werden, es erleichtert den Austausch der Frontlinie und ermöglicht das schnelle Heranführen ausgeruhter Truppen an entscheidende Punkte. Meiner Meinung nach ist der Erfolg vieler Generäle hauptsächlich auf den wohlüberlegten Einsatz der Reserve zurückzuführen.
Zum Beispiel Dietrich von Tarnburg: Obwohl man ihn oft nur mit solchen Neuerungen wie dem schrägen Vorstoß oder dem Einsatz von Belagerungsgerät im Feld in Zusammenhang bringt, ist er meiner festen Überzeugung nach ebenfalls ein Meister im Einsatz der Reserve. Diese Meinung gründet sich auf meine Studien seiner Feldzüge in den Kommentaren des Minicius und den ›Tagebüchern‹, die einige Gelehrte Carl Commenius zuschreiben, einem Militärhistoriker aus Argentum. Es wird behauptet, Commenius sei ebenfalls ein Söldner gewesen. Ich kann nicht sagen, ob dies der Wahrheit entspricht, aber seine Tagebücher – falls sie tatsächlich von ihm verfaßt wurden – vermitteln den Eindruck, daß ihm das Feld keineswegs fremd war. Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle dort dargestellten Kämpfe mit ihren vielen Einzelheiten sich nur auf die Berichte von Dritten stützen. Seine Beschreibungen von Rovere und Kargash haben für mich die Lebendigkeit und die Unmittelbarkeit eines aufmerksamen Augenzeugen. Ich kann nicht glauben, daß beispielsweise ein einfacher Soldat ein Detail wie den Verlust des Wasservorrates auf dem Schlachtfeld durch ein verängstigtes Tharlarion erwähnen würde. Natürlich wäre ihm so ein Vorfall nicht entgangen, aber er würde ihn wohl kaum in seinem Bericht über die Schlacht zur Sprache bringen. Davon abgesehen stellt sich die Frage, wie ein einfacher Gelehrter zu so vielen schönen Sklavinnen und einer festungsähnlichen Villa kommen sollte, wie Carl Commenius sie sein eigen nennt. Ich vermute, daß er vor langer Zeit ebenfalls zur Stelle war, wenn die Beute verteilt wurde.
»Sie ziehen sich zurück«, sagte der Soldat neben mir.
»Sie können hier nichts mehr ausrichten«, meinte ein anderer.
Wir sahen uns erschöpft um. Ein Großteil der Brücke stand in Flammen oder lag eingebrochen im Wasser. Bohlen trieben im Hafenbecken umher und stießen gegen die Pfähle.
»Wir haben die Brücke gehalten«, sagte der Grauhaarige.
»Ja, das haben wir.«
Wir standen auf blutbeschmierten Holzplanken.
Es stimmte, wir hatten die Brücke gehalten.
Der Nachmittag war zur Hälfte vorüber. Wir standen am neuen Ende der Brücke, einer Brücke, die auf eine völlig sinnlose Weise an der Kaimauer ihren Anfang nahm und abrupt mit zersplitterten, zerschlagenen und angesengten Bohlen endete. Man hatte die Brücke hinter uns zerstört. Einige der Bootsbesatzungen hatten sich die Mühe gemacht, das Holz hinter uns mit Wasser zu tränken, um zu verhindern, daß die Flammen auf unseren Teil übergriffen, während ihre Kameraden die Pfähle durchtrennten. Trotzdem hatten wir die Hitze des Feuers in unseren Rücken gespürt. Es hatte auch Rauch gegeben, aber nicht genug, um das Geschehen auf der Brücke zu beeinflussen. Der Wind hatte sich zweimal gedreht, und der Qualm war an uns vorbeigeweht. Aus der Zitadelle war viel mehr Rauch aufgestiegen, doch der Wind, dessen Stärke seit dem frühen Nachmittag beträchtlich nachgelassen hatte, hatte ihn über den Hafen auf den Fluß hinausgetrieben.
»Sollen wir nun zur Pier schwimmen?«
»Was sonst?«
»Ich werde lieber auf die Boote warten.«
»Warum?«
»Ich habe nicht gern nasse Füße.«
Ich hörte dem Gerede der Männer nur mit halbem Ohr zu. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Rückenflossen, die im Wasser umherschwammen. Hier und dort geriet die Oberfläche in Bewegung, als würden sich einige Meter tiefer gewaltsame Handlungen abspielen. An einigen Stellen wurde das Hafenwasser ganz schmutzig. Diese aufgewirbelten Verfärbungen wurden vermutlich von Fischen verursacht, die verbissen um Beute kämpften und dabei den Grund aufwirbelten.
Zu unserer Linken stieß ein kleines Boot sanft an einen Stützpfahl.