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»Falls das die Absicht von Cos war«, sagte Calliodorus, »und ich bezweifle das keinen Augenblick lang, dann hat es die Interessen und den Stolz von Port Cos falsch eingeschätzt. Obwohl wir in kultureller, historischer und politischer Hinsicht eng mit Cos verbunden sind, sind wir im Gegensatz zu Ar-Station ein unabhängiger Stadtstaat. Wir sind auf jede institutionelle und vertragliche Weise unabhängig.«

Aemilianus schwieg.

»Aber mal was anderes«, sagte der Kapitän. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«

»Sicher. Worum geht es?«

»Wenn wir in Port Cos einlaufen, möchte ich es auf eine Art tun, die schon von weitem klarmacht, daß es einen Grund zum Feiern gibt, daß unsere Reise ein Erfolg war.«

»Tu, was du willst.«

»Dann werde ich mit deiner Erlaubnis das Schiff mit Flaggen und Wimpeln und Fahnen schmücken, und die Flagge von Ar-Station am Bug auf der Backbordseite hissen und die Flagge von Port Cos auf der Steuerbordseite.«

»Wieso führt ein Schiff aus Port Cos die Flagge von Ar-Station an Bord?« wollte Aemilianus wissen.

»Man kann nie wissen, wann man solche Dinge einmal braucht«, lächelte Calliodorus. »Und habt ihr ehrenwerten Herren aus Ar-Station keine Flaggen von Port Cos und anderen Städten an Bord eurer Schiffe, vielleicht in den Truhen in euren Heckkastellen?« Das war ein einleuchtender Ort, um solche Dinge zu verstauen. Dort waren sie aus dem Weg und doch schnell zur Hand.

»Schon möglich«, meinte Aemilianus und lächelte.

»Mein lieber Freund«, sagte Calliodorus und erwiderte das Lächeln.

»Mein lieber Freund«, sagte Aemilianus.

Calliodorus beugte sich vor und nahm Aemilianus’ hochgehaltene Hand. Die beiden waren wirklich alte Kameraden.

Calliodorus richtete sich wieder auf.

Es befand sich eine Flagge von Ar-Station an Bord, die aus der Stadt selbst stammte, eine verblichene, zerrissene und große Flagge, aber um die ging es hier nicht. Sie hatte auf der Brustwehr geweht, während der ganzen Belagerung, stolz und unbeugsam. Der Freund des Armbrustschützen, dem ich sie anvertraut hatte, hatte sie an Bord der Tais gebracht. Er hatte sie Aemilianus übergeben, der sie wiederum an Surilius weitergab. Es war keine Frage, daß diese Flagge den Bürgern von Ar-Station viel bedeutete. Sie würden genau darauf achten, welche Flagge man auf dem Schiff anbrachte.

»Ich muß mich wieder um meine Pflichten kümmern«, sagte Calliodorus. »Ruh dich aus, mein Freund.«

Die meisten der umstehenden Männer waren weitergegangen. Calliodorus verharrte in der Bewegung, als wollte er Aemilianus noch etwas sagen, aber dann schien er es sich anders zu überlegen. Er erklomm die Stufen zum Ruderdeck. Ich sah ihm nach.

»Er wollte uns warnen«, bemerkte Aemilianus und lächelte.

»Warnen?« fragte ich.

»Ja«, sagte Aemilianus. »Er ist ein guter Mann.«

Ich begriff, daß es nicht angebracht war, hier nachzuhaken, zumindest nicht jetzt. Aber im Augenblick hatte wohl keine freie Person etwas zu befürchten. Ich nickte dem Kommandanten von Ar-Station zu und schlenderte an den Frauen und Kindern vorbei zum Bug. Dort blieb ich stehen und sah auf den Fluß herunter. Die Vorhut war etwa einen Viertelpasang voraus. Ich fragte mich, was Calliodorus mit der Warnung gemeint hatte.

22

»Dort«, sagte Calliodorus, der auf dem Bugdeck stand, »ist der Pharos von Port Cos!«

Aemilianus, der wieder auf den Beinen war, aber noch von Surilius gestützt wurde, stand neben ihm. Weitere Männer hielten sich dort auf, darunter auch der junge Marcus, der Armbrustschütze und sein Freund, die beide noch so jung und doch schlachterprobte Kämpfer waren. Wir betrachteten den großen zylinderförmigen Bau, der an der südwestlichsten Stelle des Hafens auf einer Mole stand. Das sich nach oben verjüngende Gebäude war etwa fünfundvierzig Meter hoch, der Durchmesser der stumpfen Spitze betrug etwa sechs Meter. Es war gelb und rot gestrichen, in den Farben der Hausbauer und der Krieger. Die Hausbauer waren die Kaste, die es errichtet hatten, die Krieger waren die Kaste, die die Besatzung stellten. Das Gebäude war sowohl Festung als auch Hafenzeichen. In der Nacht diente es mit Hilfe von Fackeln und Spiegeln als Leuchtfeuer. An diesem Morgen hatte die Vorhut einen Kuriersegler durchgelassen, der Calliodorus irgendwelche Botschaften übergeben hatte. Offenbar hatte er Aemilianus eingeweiht. Was nun der Inhalt der versiegelten Lederzylinder gewesen war, die der Kapitän mit Zeichen und Gegenzeichen entgegengenommen hatte, hatte ich nicht in Erfahrung bringen können. Der Kuriersegler war zurück nach Port Cos geeilt.

»Ich hätte niemals gedacht, Port Cos auf diese Weise zu betreten«, sagte Aemilianus.

»Und ich hätte nie geglaubt, mich in einer solchen Mission nach Ar-Station zu begeben«, sagte Calliodorus.

Ich musterte Marcus’ Gesicht. Es schien entschlossen und voller unterdrückter Wut zu sein. Auf seine Weise war er ein Held, doch trotz allem, was er getan hatte, kamen er und die anderen Bürger Ar-Stations mit kaum mehr als den Kleidern auf dem Leib als Flüchtlinge nach Port Cos, der Stadt, die einst ihr größter Rivale am Fluß gewesen war. Von Ar-Station war nur noch wenig übrig. Ein paar Männer, ein paar Frauen und Kinder, eine Flagge. Sicher, der Heimstein war angeblich in Sicherheit gebracht worden. Zumindest hoffte ich das. Für die Goreaner würde dies außerordentlich wichtig sein. Sie hatten ihn nach Süden geschickt, nach Ar. Hätte sich seine Abreise aus der Stadt ein paar Tage verzögert, wäre er bestimmt nicht in diese Richtung geschickt worden. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Ar-Stations Bürger Ar jetzt noch viel Liebe entgegenbrachten.

»Die Ruder aufnehmen!« rief der Rudermeister von seinem Platz vor den Rudergängern achtern.

Die großen Ruder wurden polternd durch die Dollbords geschoben. Die Ruderer von Port Cos trugen heute ihre besten Uniformen; die Tuniken waren makellos, das Leder poliert, die randlosen Kappen saßen schräg auf den Köpfen. Sie waren bester Stimmung. Bald waren sie wieder zu Hause. Bei den Mädchen von Port Cos würden sie bestimmt viel Glück haben. Zweifellos würde sich im Hafen eine Menschenmenge versammeln, um sie willkommen zu heißen.

Darunter würden sich bestimmt auch viele Mädchen in kurzen Gewändern und mit Kragen befinden, die begeistert winkten, und zwar nicht nur Mädchen, die für diese Gelegenheit Ausgang aus den Tavernen und Bordellen erhalten hatten, sondern Sklavinnen aus der ganzen Stadt. Sie würden nicht nur die heimkehrenden Helden freudig begrüßen, sondern auch ihre Herren.

In einer Stadt erfreut sich die Sklavin für gewöhnlich recht großer Bewegungsfreiheit. Sie kann tun, was sie will. In dieser Hinsicht ist ihre Bewegungsfreiheit sogar viel größer als die der freien Frauen. Natürlich darf sie die Stadt nicht verlassen, es sei denn, in Begleitung einer freien Person.

»Das ist der Pharos«, sagte eine Mutter zu ihrem Kind und hielt es hoch, damit es besser sehen konnte.

Von einigen der Männer abgesehen waren die Flüchtlinge sicher froh, den Pharos zu sehen, denn das bedeutete, daß der Hafen von Port Cos nahe war. Dieser Hafen bedeutete Zuflucht und Sicherheit. Der Alptraum der Belagerung war für sie vorbei.

Die kleinen Galeeren, die als Vorhut gedient hatten, verlangsamten ihre Fahrt. In kurzer Zeit würden sie sich auf gleicher Höhe befinden, dann achtern. Unser Schiff, die Tais des Calliodorus, würde als erste Galeere im Hafen einlaufen.

Zufällig sah ich zu dem jungen Armbrustschützen und seinem Freund. Unsere Blicke trafen sich kurz, und wir lächelten. Sein Name war Fabius. Sein Freund hieß Quintus. Sie konnten es kaum erwarten, Port Cos zu sehen. Wie erstaunlich, wie wunderbar doch die Kraft der Jugend ist. Wenn man sie so ansah und ihre Erwartungen und Ungeduld bemerkte, hätte man nicht geglaubt, daß sie Strapazen erduldet hatten, die manchen tapferen Burschen hätten verzweifeln lassen, daß sie auf der Zitadellenmauer gestanden und auf dem Kai gekämpft hatten. Ich hatte jedem von ihnen eine Handvoll Münzen gegeben, damit sie sich in Port Cos ein Mädchen kaufen konnten; das Geld stammte von dem Plünderer, der sich mir in dem Korridor der Zitadelle in den Weg gestellt hatte.