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Die Schiffe der Vorhut hatten wir hinter uns gelassen.

»Ausholen!« rief der Rudermeister.

Die Ruder tauchten im Gleichklang ins Wasser, wurden durchgezogen, verließen tropfend den Fluß.

Ich betrachtete erneut den hohen, zylinderförmigen Pharos. Nachts, wenn das Leuchtfeuer brannte und sein Licht in den Spiegeln vermehrt wurde, war er viele Pasang weit auf dem Fluß zu sehen.

Wir waren noch höchstens drei oder vier Pasang von der Hafeneinfahrt entfernt.

»Ausholen!« rief der Rudermeister.

Calliodorus stand in meiner Nähe. Genau wie Aemilianus, der von Surilius gestützt wurde. Es hatte eines langen, ernsten Gesprächs bedurft, um zu verhindern, daß das Urteil an Lady Claudia doch noch vollstreckt wurde. Ehre war zur Sprache gekommen, das Wort Verschwendung war mehrmals gefallen. Der Kommandant hatte sich umstimmen lassen; ihre Schönheit war zu außergewöhnlich. Sie und Publia waren nun Sklavinnen, die in Port Cos verkauft werden würden.

Das Schiff war mit Flaggen und Wimpeln übersät. An der Backbordseite flatterte auffällig die Flagge von Ar-Station. Auf der Steuerbordseite thronte die Flagge von Port Cos. Aemilianus hätte sich keine größere Ehre wünschen dürfen. Er betrat Port Cos nicht als mitleiderregender Flüchtling, sondern als willkommener und geachteter Verbündeter.

Ich ließ die Erlebnisse der letzten Zeit noch einmal in Gedanken vorbeiziehen. Die Herberge Zum Krummen Tarn, das Lager der Cosianer, die Überwindung der Mauer, meine Gefangenschaft, die Flucht, die Schlacht um die Zitadelle, die Flucht von dem Pier. Wie grausam und voller Verzweiflung die Welt doch geworden war. Ich fühlte mich klein, wie Treibgut, das unter einem weiten Himmel in einem großen Meer schwimmt und ein Spielball der Gezeiten und des Windes ist, ohne dabei zu begreifen, was eigentlich um sich herum geschieht. Aber es gab Kompasse und Wahrzeichen, die für mich so deutlich wie die Sterne waren, mit deren Hilfe ich auf dem Thassa navigierte, die so fest und unverrückbar wie die Ziegelmauern des Pharos von Port Cos waren. Es gab den Verhaltenskodex und die Ehre. Und es gab den Stahl.

Leise Musik erscholl, als ein Trommler sein Instrument erprobte. Flöten wurden geblasen.

Auf Gor herrschte Verrat und zwar Verrat eines schrecklichen und unübersehbaren Ausmaßes. Ich war davon überzeugt daß ich aus Geheimpapieren, die mir vor langer Zeit in Brundisium in die Hände gefallen waren, zumindest eine Person kannte, die in diesen Verrat verwickelt war, die möglicherweise zum engsten Kreis der Verräter gehörte, wenn sie nicht sogar die Urheberin des verschlagenen und heimtückischen Plans war. Und ich hatte sie, als ich sie in Port Kar in meiner Gewalt hatte, wie ein Narr freigelassen – selbst als sie mich verspottete und verhöhnte, da sie mich für einen Krüppel hielt – und dafür gesorgt, daß sie sicher und unbeschadet nach Ar zurückkam! Ich erinnerte mich noch gut an sie. Wie unverschämt sie doch gewesen war! Wie hochmütig! Ich fragte mich, wie ihr Schicksal aussehen sollte.

Wir näherten uns dem Hafen.

Marcus’ Gesicht war wie versteinert.

»Mein Platz ist jetzt auf dem Heckkastell«, sagte Calliodorus. Er zog sich mit einer Verbeugung zurück. Man brachte für Aemilianus einen kurulischen Stuhl. Er setzte sich, und einige seiner Offiziere versammelten sich um ihn.

Ein paar girlandengeschmückte kleine Schiffe kamen heran, um die Flottille zu begrüßen. Sie schwärmten aus. In ihnen klammerten sich Männer und Sklavenmädchen an den Masten fest oder knieten an Deck und winkten begeistert. Sie würden uns in den Hafen eskortieren.

»Männer«, sagte Aemilianus von seinem kurulischen Stuhl aus. »Da wir uns Port Cos nähern, ist es nötig, daß ich ein paar klare Worte spreche. Euch wird nicht alles gefallen, was ihr hören werdet. Doch vieles habt ihr euch bestimmt schon gedacht.«

»Sprich, Kommandant«, sagte Caledonius.

Aemilianus räusperte sich. »Was ich euch jetzt sage, ist in Port Cos bereits allgemein bekannt.«

»Hat das etwas mit dem Kurierschiff heute morgen zu tun?« fragte Marsias.

»Ja, Es war der Wunsch der Kuriere von Port Cos, daß wir die Neuigkeiten vor unserem Landgang erfuhren. Aber es war wenig dabei, das mich überrascht hätte oder das unser Freund Calliodorus mir nicht schon zuvor in einem vertraulichen Gespräch gesagt hätte.«

Ich erinnerte mich, daß Calliodorus schon am ersten Morgen nach der Flucht aus Ar-Station mit sich gerungen hatte, Aemilianus auf gewisse schwerwiegende Dinge anzusprechen und ihn zu warnen. Er hatte damals gezögert, vermutlich, weil er es für klüger hielt, damit zu warten, bis sein Freund wieder zu Kräften gekommen war.

»Heil Port Cos!« rief ein Seemann in einem kleinen Boot, das an Steuerbord an uns vorbeifuhr. Hinter ihm stand eine halbnackte Sklavin mit schönen langen Beinen. »Heil Port Cos!« rief sie fröhlich und winkte. »Heil Port Cos!« Sie war hübsch anzusehen. Der Kragen stand ihr gut.

Einer der Matrosen an Deck winkte zurück. »Heil Port Cos!« rief er.

»Wir sind nach Port Cos gefahren«, sagte Aemilianus. »Das wird allem äußeren Anschein nach die Geschichte bestätigen, die in Ar erzählt wird und die, so wie ich es verstanden habe, die offizielle Version der Geschehnisse vor Ar-Station ist.«

»Sprich, Kommandant!« drängte Marcus, der junge Krieger.

»Ihr werdet es sicher interessant finden, wenn ihr hört, daß sich Ar-Station schon vor mehr als zwei Monaten Cos ergeben hat«, sagte er trocken. »Und zwar bevor das Entsatzheer eintreffen konnte. Fehlendes Belagerungsgerät war der Grund, warum es nicht sofort nach Ar-Station weitermarschierte, sondern sich ins Winterquartier begab.«

»Ar-Station hat sich nicht ergeben!« sagte Caledonius.

»Ich verstehe nicht«, sagte ein Offizier. »Die Stadt ist doch erst vor sieben Tagen gefallen.«

»Es müssen doch Tausende sein, die die Falschheit dieser Behauptungen kennen!« rief ein anderer.

»Nicht offiziell, nicht in Ar«, sagte Aemilianus. »Die meisten Bürger wissen, von Gerüchten abgesehen, nur das, was sie wissen dürfen. Ich vermute, es wäre sogar sehr unklug, gewisse Wahrheiten in Ar laut zu sagen.«

»Ich verstehe es einfach nicht«, sagte der Offizier.

»Angeblich stehen die Dinge folgendermaßen«, sagte Aemilianus. »Vor zwei Monaten haben ich, meine hohen Offiziere, die Kastenoberen und die Ratsherren von Ar-Station die Stadt einer Delegation der Cosianer übergeben, und zwar verräterischerweise und völlig kampflos. Als Gegenleistung für diesen Treubruch erhielten wir viel Gold und sicheres Geleit nach Port Cos, hinter deren Mauern man uns Unterkunft und Schutz gewährt.«

»Unsere Ankunft hier wird es so aussehen lassen, als sei dies die Wahrheit!« rief Caledonius.

»Das befürchte ich auch«, meinte der Offizier.

»Würdest du lieber in die Asche von Ar-Station zurückkehren?« fragte Aemilianus erbittert.

»Sicherlich werden die Bürger von Port Cos solche Lügen nicht glauben«, meinte Caledonius.

»Natürlich nicht«, erwiderte Aemilianus. »Hier kennt man die Wahrheit. Doch das gilt nicht für Ar und den ganzen Süden.«

»Woher hast du das erfahren?« wollte Marsias wissen.

»Um genau zu sein, aus den Botschaften«, sagte Aemilianus. »Wie es scheint, hat Cos viele Spione. Außerdem scheint es über schnelle, verborgene Nachrichtenwege zu verfügen. Ich bezweifle nicht, daß seine Taten auf dem Kontinent von langer Hand vorbereitet waren. Natürlich haben die Cosianer einen engen Kontakt zu Port Cos, dessen Unterstützung am Fluß ihnen sehr wichtig ist. Ich würde zwar nicht behaupten, daß zwischen ihnen völlige Offenheit besteht, aber es scheint kein Problem, solche Dinge in Erfahrung zu bringen.«