»Und sind die Mädchen billig und hübsch?« wollte ich wissen.
»Ich denke schon, daß wir hübsch sind«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, ob wir auch billig sind.«
Ich lächelte. Ich hatte mich schon gefragt, ob man den Namen nicht gewählt hatte, um Gäste anzulocken, statt eine sachliche Bewertung der angebotenen Dienste zu verkünden.
»In Port Cos gibt es viele Paga-Tavernen, Herr«, sagte die erste Sklavin. »Nicht alle sind nach Blumen oder Früchten benannt. Es gibt den Käfig, die Juwelen von Tel- nus, Artemidorus’ Fracht, die Scharlachrote Peitsche, die Ta- verne zum Kragen der zwei Ketten und viele andere mehr.«
»Das höre ich gern«, meinte ich. »Ich nehme an, ihr seid Freundinnen?«
»Ja, Herr. Das Veminium und das Larma gehören Brüdern.«
»Sie stehen sich sehr nahe«, sagte das zweite Mädchen.
Das hörte sich gut an. Die Mädchen waren miteinander befreundet, was vermuten ließ, daß sie in ähnlichen Etablissements arbeiteten. Mädchen aus erstklassigen Tavernen und aus Spelunken hatten nur selten Umgang miteinander. Und zwei der Tavernen gehörten Brüdern und befanden sich ganz in der Nahe voneinander. Also gab es Verbindungen zwischen den Häusern.
»Und was ist mit den Mädchen im Larma?« fragte ich. »Sind sie teuer?«
Die dritte Sklavin schüttelte den Kopf. »Wir sind auch erschwinglich.«
»Waren die Mädchen dort früher alle mal Larmas?«
»Einige wohl schon!« lachte sie.
»Warst du eine Larma?«
»Nein, Herr«, sagte sie. »Ich bin seit der Pubertät eine Sklavin und habe nie so getan, als wäre ich etwas anderes. Vielleicht weil ich befürchtete, jemand könnte mich durchschauen und schlagen.«
»Aus welcher Kaste stammst du?«
»Aus der Bauernkaste«, sagte sie. »Wir hatten zu viele Töchter und zu wenig Söhne. Zwei meiner älteren Schwestern wurden in die Sklaverei verkauft, bevor ich fünfzehn war. Eines Herbstes brachten die Felder meines Vaters wieder keinen Ertrag. Wir waren am Verhungern. Ich flehte ihn an, mich zu verkaufen. Also fesselte er mich und verkaufte mich.«
»Bist du glücklich als Sklavin?«
»Ja, Herr. Es ist das, was ich bin und was ich sein will. Ich hoffe nur, daß ich eines Tages einen Herren für mich allein habe, den ich lieben kann,«
Sie war ein hübsches junges Ding mit dunklem Haar und sehr heller Haut und war für ein Mädchen, das aus der Bauernkaste kam, erstaunlich zierlich. Sie erinnerte mich an Phoebe aus Telnus, die ich ausgelöst hatte.
Ich stellte den Seesack ab und ging vor ihr in die Hocke. »Sind die anderen Mädchen im Larma genauso hübsch wie du?«
»Ich denke schon, Herr.«
»Und du machst Werbung für die Taverne deines Herren?«
»Natürlich, Herr.«
»He, Krieger«, rief ich und erhob mich, als ich Marcus die Planke herunterkommen sah. Er sah in unsere Richtung, und ich winkte ihn heran. Die Mädchen knieten sich kerzengerade hin, als er kam.
»Wie findest du sie?« fragte ich Marcus.
»Sie sind hübsch«, sagte er.
Sein Interesse machte mir Mut. Er brauchte dringend Gesellschaft.
»Wer seid ihr?« fragte ich die drei.
»Ich bin Roxanne aus dem Dina, Sklavin des Simonides, Tavernenbesitzer aus Port Cos.«
»Ich bin Korinne aus dem Veminium, Sklavin des Agathocles, Tavernenbesitzer aus Port Cos.«
»Ich bin Yakube aus dem Larma, Sklavin des Panicrates, Tavernenbesitzer aus Port Cos.«
»Das ist doch ein Name aus der Tahari«, sagte Marcus und sah sie sich genauer an. Die junge Sklavin aus dem Larma war von den drei Frauen diejenige, an der er am meisten Gefallen fand. Sie gehörte dem Frauentyp an, den er außerordentlich anziehend fand, zu dem er sich stark, vielleicht sogar unwiderstehlich hingezogen fühlte. Sein Interesse freute mich, denn ich hatte gehofft, daß eines der Mädchen ihn von seinen düsteren Gedanken ablenken konnte. Aber etwas in seinem Tonfall war bedrohlich gewesen.
»Ja, Herr«, sagte Yakube zögernd. Offensichtlich war ihr die unterschwellige Drohung nicht entgangen. Sklavenmädchen sind für derartige Dinge außerordentlich empfänglich. Ich konnte sehen, daß sie Angst hatte.
»Aber du kommst nicht aus der Tahari?«
»Nein, Herr.« Ihre Hautfarbe gab keinen Anlaß zu der Vermutung, sie könnte aus der Tahari kommen.
»Warum trägst du dann diesen Namen?«
»Man hat ihn mir gegeben, Herr.«
Das war nicht ungewöhnlich. So hatte ich im Herbst der ehemaligen Lady Charlotte aus Samnium den Namen ›Feiqua‹ verliehen, nachdem sie meine Sklavin geworden war. Der Name hatte Wunder gewirkt, was ihr neues Selbstverständnis und ihre Sexualität anging. Viele Herren ändern den Namen einer Sklavin, damit sie bei ihm ein neues Leben beginnt.
»Damit soll kein anderer Name verborgen werden?«
»Nein, Herr.«
Marcus starrte sie an.
Ich begriff seine Wut und sein Mißtrauen nicht.
»Ich habe viele Namen gehabt, Herr«, sagte sie. »Ich bin eine Sklavin. Männer geben mir den Namen, den sie für richtig halten.«
»Bist du schon immer Sklavin gewesen?«
»Nicht im eigentlichen Sinn«, erwiderte Yakube.
»Erkläre das!«
»Obwohl ich mit ganzem Herzen eine Sklavin bin, gab es doch eine Zeit, in der ich keine Sklavin war. In den Augen des Gesetzes war ich einst eine freie Frau.«
»Und wie hast du geheißen, als du noch frei warst?«
Yakube zuckte unter Marcus’ Blick zusammen, der wie geschärfter Stahl war. Ich bezweifelte keinen Augenblick lang, daß ihre Handflächen schweißfeucht waren. Sie schob die Knie ein Stück weiter auseinander, vermutlich um den Wunsch zu verdeutlichen, ihm zu gefallen. Wie hübsch ihr Hals durch den engsitzenden Stahlkragen doch aussah.
»Prokne.«
Marcus’ Augen funkelten.
Sie zitterte. Sie hatte natürlich an seinen Insignien erkannt, daß er aus Ar-Station kam.
Seine Hand näherte sich dem Gürtel, und sie zuckte zurück. Ich hatte den Verdacht, daß Marcus daran dachte, ihn abzunehmen und sie damit zu schlagen.
»Kommst du aus Cos?« fragte er.
»Nein, Herr!« erwiderte sie. »Die Felder meines Vaters waren nördlich von Weißwasser!«
Weißwasser hat seinen Namen von den nahegelegenen Stromschnellen und ist eine Stadt am Nordufer des Vosk. Sie ist Mitglied der Voskliga und die erste richtige Stadt westlich von Lara, das am Zusammenfluß vom Vosk und dem Olni liegt. Lara ist die westlichste Stadt der Salerianischen Konföderation. Zwischen Ar-Station und Weißwasser gibt es drei wichtige Städte: Waldhafen, Iskander und Tancreds Furt, alles ebenfalls Mitglieder der Voskliga.
Die meisten der bedeutsamen Städte am Vosk liegen am Nordufer, eine Folge der einstigen Politik Ars, im Norden einen großen Landstrich in eine Ödnis zu verwandeln, die den Vormarsch eines möglichen Invasoren erschweren sollte. Damals wie heute ist die Viktel Aria die Hauptroute nach Süden, die Ar durch Lager und Militärposten kontrolliert. So kann Ar mühelos nach Norden vorrücken, während andere Heere nur mit Mühe nach Süden marschieren könnten, es sei denn, sie machten Ar die Viktel Aria streitig. Diese Ödnis ist jedoch seit Jahren nicht mehr unterhalten worden. Ihre militärische Bedeutung schwand mit der Einführung des Tarntransportes im großen Stil, mit dem auch Truppen versetzt werden. Dazu kam, daß Ars Bevölkerung wuchs und sich immer weiter nach Norden ausbreitete. Ars Interesse am Voskbecken ist allgemein bekannt. In den letzten Jahren war seine Politik auf Eroberungen bedacht, besonders unter der Führung von Marlenus. Dementsprechend wurde deutlich, daß die Strategen von Ar den Ödnisstreifen weniger als Schutz sondern als Hindernis ansehen.
Marcus sagte: »Solche Namen sind östlich vom Fluß kaum gebräuchlich.«
»Ja, Herr.«
»Du bist weit von Weißwasser entfernt.«