»Ja, Herr.«
Seine Hände umklammerten den Gürtel nahe der Schnalle. Das entging der Sklavin nicht.
»Du kommst aus der Gegend von Weißwasser?«
»Ja, Herr.«
»Mit einem Namen wie Prokne?«
»Ja, Herr.«
»Ich frage mich, ob du lügst.«
»Nein, Herr, ich lüge nicht! Die Sklavin Yakube lügt einen freien Mann nicht an! Das würde sie nicht wagen!«
»Vielleicht kommst da ja tatsächlich von weither.«
»Ja, Herr.«
Er sah auf sie herunter.
»Männer tun mit mir, was sie wollen und wo sie es wollen.«
Im allgemeinen sehen Sklavinnen, die eine Handelsware sind, weit mehr von der Welt als eine durchschnittliche freie Frau. Die meisten Freien entfernen sich nur selten mehr als ein paar Pasang von ihrem Dorf oder den Mauern ihrer Stadt. Eine wichtige Ausnahme ist die Pilgerfahrt zum Sardar. Von jedem Goreaner, egal ob Mann oder Frau, wird erwartet, daß er sie zumindest einmal im Leben unternimmt. Je nachdem aus welcher Gegend Gors man kommt, ist die Reise nicht ungefährlich. Es kommt vor, daß junge Frauen, die im Weiß der Pilger aufbrechen, als Sklavinnen in Ketten auf dem Jahrmarkt eintreffen, wo sie dann verkauft werden.
»Aber vielleicht kommst du ja aus dem Westen, und nicht aus dem Osten«, sagte Marcus.
»Herr?«
»Vielleicht kommst du aus Cos?« Seine Augen waren jetzt ganz schmal, die Hände am Gürtel verkrampften sich.
»Nein, Herr!« flüsterte sie.
»Das ist auch besser für dich.«
»Ja, Herr!« flüsterte sie.
Marcus hatte ganz leise gesprochen, doch die Drohung in seiner Stimme war schrecklich gewesen. Er ließ den Gürtel los. Yakube erschauderte. Einen Augenblick lang fürchtete ich, sie würde in Ohnmacht fallen. Auch die anderen Mädchen hatten Angst. Die Wut des jungen Kriegers war nicht zu übersehen.
»Ich werde mir eine Schlafgelegenheit suchen«, sagte er zu mir. »Ich wünsche dir alles Gute.«
»Ich wünsche dir alles Gute«, erwiderte ich. Ich verzichtete darauf, ihm noch einmal vorzuschlagen, mit mir zu essen.
Wir sahen ihm nach.
»Dürfen wir gehen, Herr?« fragte Roxanne.
»Alle bis auf Yakube«, sagte ich.
Dankbar sprangen Roxanne und Korinne auf und eilten fort.
Yakube sah zu mir hoch.
»Ich werde dir nichts tun«, sagte ich.
Sie zitterte am ganzen Leib.
»Kennst du den Krieger von irgendwoher?«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
Ich sah Marcus noch immer nach.
»Warum haßt er mich so?« fragte Yakube.
»Ich glaube nicht, daß er dich haßt«, sagte ich. »Ich glaube eher, daß du ihn beunruhigst. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, daß du zu der Art von Frauen gehörst, die er außerordentlich aufregend und atemberaubend schön findet.«
Sie erschauderte.
»Er haßt Cos«, sagte ich.
»Ich bin froh, daß ich nicht aus Cos komme.«
»Du darfst gehen.«
Yakube sprang dankbar auf und eilte ihren Freundinnen hinterher. Sie hatten am Ende der Anlegestelle auf sie gewartet. Als sie sie erreicht hatte, liefen sie gemeinsam weiter. Sie achteten darauf, eine andere Straße als der junge Krieger zu nehmen.
Ein kalter Wind war aufgekommen. Er kam aus dem Osten.
Ich dachte an Dietrich von Tarnburg, der noch immer Torcodino hielt, ich dachte an Ar, an Cos, an das Belagerungsheer im Norden, an das Heer von Ar, an das Delta.
Ich hatte Angst.
Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu, in der der junge Krieger verschwunden war. Es war eine jener schmalen Straßen, die zwischen Gebäuden verliefen und vom Hafen fortführten. Sie lag nun verlassen da.