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In den Augen des Richters glimmte ein genüsslicher Funke auf. »Das würde mir gefallen, ich gebe es zu. Mein Name wäre dann auf immer mit der Aburteilung dieses gefährlichen Verbrechers verbunden.«

Na also, dachte Ferrand. Und er antwortete mit einschmeichelnder Stimme: »Ich weiß das. Deshalb kam ich auch sofort zu Euch, Maitre Nosfour.«

»Aber wir müssen ganz legal vorgehen, hört Ihr? Der Prozess gegen die Templer hat sehr viel Staub aufgewirbelt. Wir können uns im Augenblick, wo weder ein Papst noch ein König die Zügel anziehen, nicht das Geringste erlauben!«

»Alles bleibt im Geheimen, das glaubt mir.«

»Ich werde sofort einen Reiter mit einem Ersuchen auf Auslieferung an die Bischöfe nach Toledo senden. Ich werde noch eine Androhung des kirchlichen Unwillens hinzufügen, falls man in Avignon zögert. Von hier aus ist er in fünf Tagesritten am Ziel. Man soll diesem Templer königliche Polizisten auf die Spur setzen und nicht locker lassen.«

»Sehr gut! Aber verhören wollen wir ihn hier, nicht wahr? Er soll schließlich den Richterstuhl bekommen, der seinen Verfehlungen angemessen ist.«

»Natürlich, natürlich, ähh…«

»Und auch ich werde keine Zeit verstreichen lassen. Ich sammle Geld und Männer, die Henri aus Toledo bis hierher eskortieren werden – damit ihm nichts passiert! Lasst also in Eurem Anschreiben durchblicken, dass er gefangen gesetzt wird, bis ich ihn in Eurem Auftrag abhole und nach hier überführe.«

»So ist es am besten!«

»Und wir müssen uns eilen. Denn ich weiß nicht, was Henri de Roslin noch alles vorhat. Auf die Rückendeckung der Kurie können wir doch vertrauen?«

»Leider besitzt eine Körperschaft wie der Templerorden noch immer viele untergetauchte Helfer. Ich kann nicht umhin zu gestehen, dass er noch viele Freunde in Frankreich hat, die todesmutig sind. Zwar sind die Armen Brüder Christi, wie sie sich nannten, allesamt hingerichtet, unter der Folter gestorben oder geflohen, und auch, wer gut für sie zu sprechen wagt, den schalten wir aus. Aber ihr Einfluss bei der Kurie ist noch immer ungemütlich groß, gerade hier in Avignon spüren wir das. Wir haben zwar eine papstlose Zeit, aber schon hört man überall, selbst bei den Dominikanern, den Templern sei ein Verbrechen zugefügt worden, weil sie zwar dem Papst überantwortet, aber in seinem Namen vom König abgeurteilt worden sind.«

»Solchen Verleumdern sollte man die Folterinstrumente zeigen!«

»Oh, das tut man! Man zeigt ihnen nicht nur die Instrumente, man wendet sie auch an. Ich hatte hier vor drei Wochen einen Priester, den man im Untersuchungsgefängnis ein so heftiges Feuer unter den Fußsohlen angezündet hatte, dass ihm einige Tage danach die Knochen der Fersen abfielen.«

»Was hatte er verbrochen?«

»Nun, er hatte geleugnet, jemals etwas Schlechtes über den Tempelorden gehört zu haben.«

»Lügner und Verleumder! Sie müssen alle zur Strecke gebracht werden! Jedenfalls scheint die Inquisition auf der Hut zu sein, und das ist beruhigend.«

»Nun gut. In unserer Sache werde ich mich mit dem Großinquisitor beraten. Ich weiß, dass er ein persönliches Interesse an dem Templer hat.«

»Tut das.«

»Wo finde ich Euch?«

»Ich werde im Palast der Dominikaner wohnen. Waren es nicht die domini canes, die Hunde des Herrn, die den Templerorden auf Wunsch des Königs verfolgten und ausrotteten? Ich hörte, jeder Bischof im Land sei verpflichtet gewesen, sich zwei Domherren, zwei Franziskaner und jeweils ein Dutzend treuer Dominikaner zu holen, um die Anklagen gegen den Tempel in seiner Diözese vorzubereiten.«

»Unter Anleitung des Herrn Imbert, ja. Aber auch jedem Bürger Frankreichs befahl er, bei Strafe der Exkommunikation Templer zu denunzieren und festzunehmen und sie den bischöflichen Offizialen zu überstellen, wenn man einen entdeckt. Wen der Großinquisitor einmal auf die Spur hetzt, der lässt nicht locker, bis das letzte Blut geflossen ist. Leider ist uns der größte Teil ihres Schatzes durch die Lappen gegangen.«

Geld interessierte Ferrand nicht, obwohl er es zur Finanzierung seiner Rache jetzt gut gebrauchen konnte. Er leckte sich die Lippen. Das alles war nach seinem Geschmack. Er liebte den Geschmack der Angst, den Geruch des Blutes und die Panik in den Blicken der Opfer. Wenn nur dieser Richter hart genug war und durchgriff! Dann würde er in zwei Wochen wieder auf dem Weg nach Toledo sein. Und an seiner Seite wären dann entschlossene Männer, bis zur Halskrause bewaffnet.

Und dann konnte er Henri de Roslin die Demütigungen heimzahlen! Mein Gott, er hatte geglaubt, dieser Mensch sei vertrauenswürdig! Er hatte sich ihm anvertraut!

Ferrand verließ das Justizgebäude und schaffte seine Sachen in den Palast der Mönche. Sein Pferd wurde versorgt, es war das fünfte, das er seit seiner Flucht aus Toledo gekauft hatte. Der Ritt nach Frankreich war mörderisch gewesen, manchmal hatte Ferrand im Sattel geschlafen, und als die Reittiere unter ihm zusammenbrachen, hatte er sie mit seinem Schwert getötet. In Ferrands Herz brannte der Hass auf Henri de Roslin wie ein Schmelzfeuer, aber er wusste, er würde seinen Mut darin härten müssen, damit er es fertig brachte, diesen gefährlichen Gegner zu beseitigen.

Ferrand bezog eine schmucklose Zelle. Nachdem er seine wenigen Habseligkeiten eingerichtet hatte, fiel er auf die Knie und betete. Aber es fiel ihm schwer, sich auf die Formeln zu konzentrieren. Sein Herz klopfte laut und beinahe schmerzhaft. Er spürte ein bittersüßes Gefühl in sich aufsteigen. In ihm formten sich Worte. Mein ist die Rache, spricht der Herr! Und ich bin sein ergebener Diener! Diese Worte unterbrachen unziemlich sein Gebet.

Und Ferrand de Tours beugte sich nun noch tiefer über seine gefalteten Hände und neigte seinen Kopf demütig vor dem kleinen Kruzifix an der Zellenwand.

Am Ende der zweiten Woche nach der Flucht Ferrand de Tours aus Toledo sah Henri Azaria wieder. Und in seiner Seele verspürte er bei ihrem Anblick erneut ein so süßes Gefühl, dass er selbst darüber erschrak. Gib Acht, Henri de Roslin!, sagte er zu sich selbst, du könntest dich in diesen dunklen Augen verlieren. Und das geht nicht in dieser schweren Zeit. Es geht nicht wegen ihr, und es geht nicht wegen dir.

Der jüdische Hitzemonat Aw war längst angebrochen. Henri hatte sich in der zurückliegenden Zeit mit Joshua ben Shimon und Theophil von Speyer beraten. Sie trafen sich mehrmals im Alcazar mit Konnetablen, Vögten, Bischöfen und Rabbinern. Aber von einer Gefahr für die Juderia der Stadt wollte niemand etwas wissen. Und vielleicht hatten sie Recht.

Alles schien friedlich.

Azaria war unbefangen. Sie lächelte Henri an. Und als er ihr erzählte, dass die dunklen Wolken über Toledo sich ein wenig aufgehellt hatten, da hakte sie sich bei ihm unter und entführte ihn an die Ufer des Tajo, wo die Agaven blühten.

»Wenn die Agaven blühen, gehen die Freundschaften zu Ende«, sagte das jüdische Mädchen. »Aber eine Liebe, die in dieser Zeit neu erwacht, hält ewig.«

»Sagt man so?«

»Ja. Ihr seht, die Iberer besitzen durchaus Sinn für die einfachen und schönen Dinge des Lebens. Obwohl es einem oft so vorkommt, als müssten sie immer nur kämpfen, Beute machen und Geld zählen.«

Azaria lachte hell. Henri spürte ihren jungen, lebendigen Körper neben sich, und manchmal, wenn der Weg uneben wurde und sie ausweichen mussten, berührte ihr weicher, warmer Busen seinen Oberarm. Er fragte sie, wo ihre Familie sei. Und sie antwortete, sie seien Conversos, zum Christentum genötigte Juden, die in der Juderia von Madrid lebten. Und sie selbst habe in Toledo ein Auskommen als Hausmädchen bei einer jüdischen Familie, die ihr am Herzen liege.

»Und hast du keinen Freier?«

»Du meinst einen, der mit mir unter die Chuppa will? Du musst wissen, jetzt hat unser Monat Aw begonnen, und wer in diesem Monat nicht heiratet, der bekommt fünf Jahre lang niemanden.«