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Jacques blickte skeptisch. »Zu schön, um wahr zu sein. Nein, ich mache eure Reise nicht mit. Mich zieht es zurück ins kalte Lothringen, das Land der Steine und des Eisens. Vielleicht reise ich auch nach Iberien oder Portugal.«

»Ich bin mit von der Partie, mein Freund«, sagte Uthman. »Vielleicht kann der Schatzmeister der Templer dabei seiner reichen Kasse noch mehr Schätze einverleiben? Und für mich armen Sarazenen springt sicher auch ein Andenken heraus.«

»Die Aussicht auf Reichtum leitet mich dabei nicht, der Tempel besaß genug Gelder«, sagte Henri. »Ich hoffe eher auf eine geistige Erfahrung. Wir werden aus Äthiopien einen gemeinsamen Schatz mitbringen, der nur uns gehört, da bin ich mir ganz sicher. Wie auch immer er aussehen mag.«

»Versprichst du mir das, mein Freund?«

»Versprochen!«

»Gut«, erwiderte Uthman. »Machen wir das zum Motto unserer Reise.«

Es wurde Herbst, bis sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnten. Aber ihre Abreise aus Aleppo und die Trennung von Jacques vollzogen sie schon früher, denn die Stadt war wegen der ausgebrochenen Scharmützel zwischen Christen und Sarazenen in Aufruhr. Und die Imame schürten das Fieber.

Henri und Uthman hatten sich in der kleinen Hafenstadt Jablah einquartiert. Hier hofften sie ein Schiff zu finden, das sie an der Küste entlang nach Süden, bis zu den ägyptischen Gestaden, bringen würde.

Es dauerte mehrere Tage, bis sie eine kleine Flotte von Dhaus fanden, die südwärts segelte, es waren syrische Kaufleute, die nach Bur Said wollten. Henri de Roslin bezahlte die teure Passage aus der Kriegskasse der Templer, und dann waren sie sieben Tage auf See.

Das Mittelmeer verhielt sich versöhnlich. Sie fuhren in kleinen Etappen, da die Kaufleute in jeder Hafenstadt an der Küste anlegten, um ihre Waren abzusetzen und Rohstoffe zu kaufen. So kamen sie erst drei Wochen später in Bur Said an.

Im Trubel dieser Stadt, die als Ausgangspunkt für alle Karawanen nach Süden galt, fühlte sich Henri fremd, aber sein Gefährte Uthman bewegte sich wie ein Fisch im Wasser. Und so gelang es ihnen nach zwei Tagen, sich einer Karawane anzuschließen, die auf Kamelen Weihrauch, Balsam und Häute nach Bur Taufiq brachte. Diesmal ging die Reise durch glühend heiße Wüstenregionen, aber der Trampelpfad der Kamele erreichte immer wieder Oasen, in denen wie durch ein Wunder Quellen sprudelten und kleine Bäche mit Süßwasser das ausgetrocknete Land durchzogen. Und weitere sieben Tage später erreichten sie ihr Ziel am ausgedehnten Roten Meer.

Hier, in der kleinen, bunten Stadt hinter ungewöhnlich dicken Mauern, in der sich blaue und gelbe Hauswürfel abwechselten, mussten sich Henri und Uthman von der Karawane trennen. Sie mieteten sich am Hafen zwei saudische Seeleute mit einem Dhau, die sie nach Ras Gharib brachten. Von dort aus gelang es Uthmans sarazenischen Überredungskünsten, einen jungen Fischer namens Ali aufzutreiben, der sie für einen ganzen Jahreslohn an der Küste entlang bis Mitsawa segelte.

Auch jetzt blieben die Winde günstig. Das kleine Schiff Alis, eine Canja mit rotem Lateinersegel, kämpfte sich um lang gestreckte Landzungen herum, die tief in Sümpfe und unbewohnte Lagunen hineinführten. Am Abend machten riesige Mückenschwärme das Atmen schwer, und so war Ali, der Fischer, froh, als er weiter hinausfahren durfte, weg von den Untiefen und verborgenen Klippen, die schon vielen Seglern zum Schicksal geworden waren.

Hin und wieder begegneten ihnen Fischerboote, in denen nur einzelne Männer fischten. Ali bemühte sich, Fahrrinnen mit tiefem, fließendem Wasser zu finden. Nirgends am Ufer sahen sie Zeichen einer Ansiedlung. Nur einmal stieg plötzlich aus dem Wald zur Rechten eine riesige gelbe Rauchwolke auf.

»Hier wohnen kriegerische Afar«, sagte Ali in seinem arabisch gefärbten Saudisch, das nur Uthman verstand. »Machen wir, dass wir weiterkommen.«

Sie schliefen auf der Canja. Nur einmal mussten sie ans Ufer, um Süßwasser aus einem Wasserfall zu schöpfen, den ihr Begleiter kannte. Nachts war die feuchtheiße Luft erfüllt vom Lärm der ufernahen Wälder, besonders vom fortgesetzten Gelächter der Streifenhyänen, die sich in der Dunkelheit herumtrieben. Da die Männer im Wald keinen Schlaf fanden, wiederholten sie den Versuch nicht, auf festem Boden zu übernachten.

Nach mehreren Tagen ruhiger, gleitender Fahrt kündigte ein Berg, dessen Kuppe in Nebel gehüllt war, die Nähe der Gebirge vor Mitsawa an. »Es ist der Jebel Teir«, erklärte Ali. »Die Zitadelle der Haifische. Sie besitzen unterirdische Höhlen und schwärmen in alle Himmelsrichtungen aus.«

Henri sah zum ersten Mal Hammerhaie, die ihre Canja beschnupperten. Aber dann vergaß er diesen befremdlichen Anblick. Mitsawa tauchte im Dunst auf. Sie passierten die Insel Dergaiham, und drei Meilen dahinter öffnete sich die natürliche Hafeneinfahrt von Mitsawa. Sie hatten Äthiopien erreicht.

Nach dem Anlegen im betriebsamen Hafen blieb Ali noch so lange bei ihnen, bis sie einen Händler gefunden hatten, der sie für die Weiterreise ausrüsten konnte. Über der Stadt lag ein eigentümlicher Geruch, der von Schwefelquellen kam, die große Haine mit bizarren Dumpalmen umflossen.

»Es riecht nach Hölle und Teufel«, sagte Henri.

Uthman winkte wegen dieser Einschätzung des Christen nur spöttisch ab. Aber auch Ali hielt sich die Nase zu.

Die Einwohner waren zum Erstaunen der Angekommenen ausnahmslos Anhänger des sarazenischen Propheten, weiß gekleidete Männer mit gewickelten Turbanen und Chubés, mächtigen Krummdolchen im Gürtel, Frauen in bunten Schleiern und Samthosen. Zum ersten Mal seit drei Wochen aßen Henri und Uthman wieder ein schmackhaftes Gericht. Es waren durra, Hirsefladen mit angebratenem Antilopenfleisch gefüllt, die eine junge, unverschleierte Frau verkaufte, dazu tranken sie kühle Ziegenmilch.

In Mitsawa befanden sich mehrere große Märkte, auf denen in kleinen Schalen überall Weihrauch und Myrrhe brannten, um den Schwefelgeruch zu vertreiben. Ali fragte laut und heftig gestikulierend nach dem Priesterkönig, den die Fremden suchten. Doch die Einwohner antworteten ausweichend. Staunend erblickten die Angekommenen all den Reichtum – Stapel von Elfenbein, Elefantenhäute, Büffelhörner, Muscheln, in denen schimmernde Perlen lagen, Goldgeräte und Silberschmuck. Und dann sahen sie nubische Sklaven, die von den Muslimen zusammengetrieben wurden.

»Man verkauft sie nach Al Qahira, wo sich der Nil teilt, bevor er ins Meer fließt«, erklärte Ali.

»Ich sehe keine Christen«, wunderte sich Henri.

»Die Bewohner sind Belowee«, meinte Ali, »ein rechtgläubiger Hirtenstamm aus den Bergen von Habab. Ich kann ihren Dialekt verstehen. Eigentlich herrscht hier ein Emir, aber für ihre Hilfe im letzten Feldzug gegen die Mursi hat er den Einwohnern Freiheit gewährt und ihrem Anführer den Titel eines Naybe von Mitsawa eingeräumt. Er ist Christ.«

»Und wer ist wichtiger?«, fragte Henri.

»Der Naybe ist der Herrscher.«

»Ist Mitsawa die Hauptstadt?«, wollte Uthman wissen.

Ali kannte den Begriff Hauptstadt nicht. Er nannte andere wichtige Städte: Lalibela, Gondar, Axum. Uralte Städte voller christlicher Geheimnisse. In einer davon sollte sich auch die Bundeslade der Israeliten befinden, nach der schon, wie Henri wusste, die neun Gründer des Tempelordens mehrere Generationen zuvor im Jerusalemer Tempelberg gesucht haben sollten, dort, wo sich der Palast des Salomon befunden hatte.

»Und wo finden wir nun deinen Priesterkönig Johannes?«, wollte Uthman wissen.

Henri zuckte lakonisch die Schultern. »In der Hauptstadt natürlich. Wir suchen sie, dann finden wir auch ihn.«

Beim Weitergehen sahen die Fremden junge, dunkelhäutige Frauen mit fantasievollen Frisuren auf kahl rasierten Stirn- und Schläfenpartien, von denen borstige Mähnen wie bei Löwen ausgingen. Ältere Frauen schleppten Tonkrüge auf den Schultern. Männer mit Bärten und wilden, weißen Augen kreuzten ihren Weg auf der Suche nach einem geeigneten Händler ebenso wie magere, schmutzige Kinder, die auf riesigen Akazien mit Bienenröhren herumkletterten.