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Die Juden unter der Herrschaft des Islams

Mit der arabisch-islamischen Eroberung und Staatenbildung im Nahen Osten hatte sich die Lage der Juden in diesen Gebieten erneut geändert. Als »Leute des Buches« (Ahl al-kitab) schon im Koran als schützenswerte Minderheit anerkannt, profitierten die Juden von der neuen Herrschaft. Waren die Juden auch, wie die Christen, unter islamischer Herrschaft zur Zahlung der Kopfsteuer verpflichtet und galten nicht als Staatsbürger, so gewannen sie doch ihre früheren Betätigungsfelder zurück. So konnte sich der weitgehend von Juden getragene Fernhandel entwickeln, der die Luxuswaren des Orients bis ins christliche Europa hinein weitergab. In dieser Zeit lebte auch das Judentum Europas wieder auf, insbesondere durch die Zuwanderung orientalischer Juden, wodurch die Gemeinden wieder anwuchsen.

Spanien gewann im frühen Mittelalter eine wichtige Mittlerfunktion zwischen der arabischen Gelehrsamkeit und Europa. Dabei bildeten die jüdischen Gelehrten eine wichtige Instanz. In den Jahrhunderten vor der islamischen Eroberung der iberischen Halbinsel war das Judentum allerdings von den christlichen Herrschern in große Bedrängnis gebracht worden. Was mit den Beschlüssen der Synode von Elvira begonnen hatte, wurde nach dem Übertritt des westgotischen Königs Rekkared (Kg. 586-601) zum Katholizismus auf mehreren Konzilien zu einem System der Unterdrückung ausgebaut. Die westgotischen Herrscher Spaniens waren bestrebt, die religiöse Einheit ihrer Untertanen zu erreichen. Und das bedeutete, sie sollten alle der katholischen Kirche angehören. Die Juden wurden aus den Staatsämtern ausgeschlossen, das Verbot zur Haltung christlicher Sklaven wurde bekräftigt, ebenso jeglicher Umgang zwischen Christen und Juden unter Strafen gestellt. Auch vor Zwangstaufen schreckte man nicht zurück, obwohl von päpstlicher Seite dieses Mittel der »Bekehrung« ausdrücklich untersagt worden war. Wer sich nicht taufen lassen wollte, der wurde des Landes verwiesen. Da dies aber den Verlust des größten Teils ihres Besitzes bedeutete, ließen sich viele, besonders die Land besitzenden Juden, zum Schein taufen.

Als die außenpolitische Lage durch die Entwicklung in Nordafrika immer bedrohlicher wurde, klagte König Egiks (Kg. 687-701) die Juden auf dem 17. Konzil von Toledo an, sie würden mit ihren Glaubensbrüdern in Nordafrika zum Schaden seiner Herrschaft konspirieren – was im Klartext bedeutete, sie hätten Kontakte zu den islamischen Kräften. Dieser Vorwurf sollte etwa 400 Jahre später erneut zur Begründung von Zwangsmaßnahmen dienen. Als schließlich im Jahr 711 die arabische Invasion der iberischen Halbinsel kam und die Eroberung des gesamten Gebietes innerhalb von drei Jahren abgeschlossen war, bedeutete dies die weitgehende Befreiung der Juden von Unterdrückungsmaßnahmen aller Art.

Eine neue Blüte jüdischen Lebens in Spanien

Hatte die Politik der Westgoten das jüdische Geistesleben Spaniens nahezu zum Erliegen gebracht, kam es nun unter den arabischen Herrschern zu einer neue Blüte. Zunächst war es möglich, das Gemeindeleben wieder zu organisieren, dann aber auch die unter der christlichen Herrschaft verlorene Stellung in der Wirtschaft wiederzugewinnen. Dieser Aufschwung begann unter Abd al-Rahman I. (Emir 755-788), der das gesamte islamische Spanien (al-Andalus) im Jahr 755 im Emirat von Cordoba zusammenfasste. Der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung betrug aber nie mehr als 1 %. Allerdings gab es jüdische Städte, wie z. B. Lucena. Überhaupt lebten die Juden bevorzugt in den Städten, wo sie in allen Bereichen städtischen Handels und Handwerks tätig waren. Unter Kalif Abd al-Rahman III. (Klf. 929-961) stieg Hasdaj ibn Schaprut (940-975) zu hohen Staatsämtern auf. So war er nicht nur das Oberhaupt der spanischen Juden, sondern auch im Dienst des Kalifen für Zoll und Außenhandel zuständig und unternahm diplomatische Missionen. An die Talmud-Hochschule (Jeschiva) von Cordoba berief er Mose ben Hanoch, einen bedeutenden italienischen Talmud-Gelehrten. Auch die hebräische Sprachwissenschaft förderte Hasdaj. Diese positive Entwicklung der jüdischen Wissenschaft brach auch nicht ab, als Cordoba 1031 von den Berbern erobert wurde. Auf der iberischen Halbinsel bildeten sich nun zahlreiche islamische Teilreiche unter den Reyes de taifas genannten Kleinkönigen, in denen jüdische Kultur blühte. Juden stiegen in höchste Staatsämter auf. Auch die talmudische Wissenschaft erreichte einen Höhepunkt, besonders in Lucena, wo an der dortigen Hochschule Isaak Alfasi (1013-1103) wirkte. Die Berührung mit der arabischen Wissenschaft wirkte ebenfalls anregend, besonders auf die jüdische Literatur. Salomo ibn Gabriol (1020/21-1053/58) und Mose ibn Esra (ca. 1055-1135/40) waren wichtige Vertreter jüdischer Dichtung der Zeit. Die Philosophie und die Mystik erhielten wichtige Impulse. Die von Bahja ibn Paqudas, der um 1100 lebte, verfasste »Mystik der Herzenspflichten« zeigt starke Beziehungen zur islamischen Philosophie. Das Buch »Lebensquelle« von Salomo ibn Gabriol hatte innerhalb des Judentums keinen Widerhall gefunden, fand aber in der lateinischen (christlichen) Scholastik einige Beachtung.

Mit dem Ende des 11. Jahrhunderts war die Zeit des Friedens vorbei. Jerusalem wurde von den Christen 1099 erobert, die Kreuzzüge begannen und führten natürlich zu einer Verhärtung der Fronten zwischen Islam und Christentum, aber auch zu Bedrückungen innerhalb der islamischen Staaten für die Nicht-Muslime. So war es 1066 in Granada zum ersten Pogrom im islamischen Spanien gekommen. 1500 jüdische Familien fielen dem Gewaltausbruch zum Opfer. In diesem Jahrhundert begann auch mit der Herrschaft König Alfons VI. (Kg. 1065/72-1109) von Kastilien die erneute Erstarkung der christlichen Herrschaften in Spanien. Die untereinander zerstrittenen islamischen Herrschaften konnten keine einheitliche Front mehr aufbauen. So kam es dazu, dass Alfons VI. Tribute von einigen islamischen Herrschern erhielt. Wenn auch noch bei der Schlacht von Zallaqa im Jahr 1086 auf christlicher wie islamischer Seite Juden teilnahmen, so endete in dieser Zeit doch die Toleranz der Muslime und Christen den Juden gegenüber.

Die Almoraviden ergriffen die Macht in Sevilla und begannen sofort ihre Bemühungen um die vollständige Islamisierung des Landes. Juden wie Christen wurden ärgstens bedrückt. Aber auch in den christlichen Reichen war die Situation von nun an ähnlich.

Spanien wird wieder christlich

In der ersten Phase der Reconquista, der christlichen Wiedereroberung der iberischen Halbinsel, waren Sanktionen gegen die Juden unterblieben. Ihre Rechte wurden nicht eingeschränkt, sie konnten Landbesitz erwerben und ihren Gewerben nachgehen. Im christlichen Norden Spaniens waren sie den Christen rechtlich nahezu gleichgestellt. Ihr Schutzherr war der König, und so heißt es im »Libro de los Fueros de Castilla«: »Die Juden gehören dem König; selbst wenn sie auf dem Territorium Adliger des Reiches oder ihrer Ritter oder anderer oder auf klösterlichem Territorium leben; sie haben immer dem König zu unterstehen, in seinem Schutz und in seinem Dienst« [§ 107, zit. n. Greive, 1980, S. 32]. Diese für die Juden günstigen Umstände fanden allerdings im Verlauf des 11. Jahrhunderts ein Ende. Zunächst erfolgte der Umschwung im christlichen Spanien. Hatte Papst Gregor VII. (PM 1073-1085) mit seinem Protest gegen die weitgehende rechtliche Gleichbehandlung von Juden und Christen im christlichen Spanien noch keinen nennenswerten Erfolg gehabt, so machte sich mit der Zeit bei den Untertanen, insbesondere aber beim Adel, ein regelrechter Judenhass breit. Dieser hatte seinen Ursprung allerdings mehr in der Auseinandersetzung zwischen Adel und König. Die spanischen Könige hielten weiter am Schutz der Juden fest, bedienten sie sich ihrer doch in der Verwaltung, wo einzelne jüdische Amtsträger zu höchsten Würden aufstiegen. Dies führte zu Neid unter den Christen. Trotzdem hielten alle Könige der Reconquista bis hin zu Ferdinand III. (Kg. 1217-1252) von Kastilien und Jayme I. (Kg. 1213-1276) von Aragon daran fest. In Kastilien wurde nach Ferdinands Tod das jüdische Leben stark beschränkt. Es waren Blut- und Ritualmordbeschuldigungen aufgetaucht, denen man durch Zwangsmaßnahmen zuvorkommen wollte. Die Juden durften also um das Osterfest herum ihre Häuser nicht mehr verlassen. Die Errichtung von Synagogen wurde wieder durch Vorschriften erschwert. Kein Jude durfte, wie von der Kirche schon in den Jahrhunderten zuvor immer wieder verlangt, eine Funktion einnehmen, in der ihm Christen unterstellt waren. Nun wurde auch das Tragen bestimmter Kleidung und insbesondere des gelben Flecks zur Kennzeichnung einer Person als Jude verlangt. Dabei führten diese Maßnahmen, nicht überall mit letzter Konsequenz durchgeführt, nicht zu einem Absterben jüdischer Kultur im christlichen Spanien.