Fiesco (erschuettert, eilt ihr nach, haelt sie auf). Leonore! Welch ein Auftritt! Um Gotteswillen!
Leonore (faellt matt in seinen Arm). Ihre Gemahlin zu sein, hab' ich nicht verdient, aber Ihre Gemahlin haette Achtung verdient-Wie sie jetzt zischen, die Laesterzungen! Wie sie auf mich herabschielen, Genuas Damen und Maedchen! »Seht, wie sie wegblueht, die Eitle, die den Fiesco heirathete.«-Grausame Ahndung meiner weiblichen Hoffart! Ich hatte mein ganzes Geschlecht verachtet, da mich Fiesco zum Brautaltar fuehrte.
Fiesco. Nein, wirklich, Madonna! dieser Auftritt ist sonderbar.
Leonore. Ah, erwuenscht. Er wird blass und roth. Jetzt bin ich muthig.
Fiesco. Nur zwei Tage, Graefin, und dann richten Sie mich.
Leonore. Aufgeopfert!-Lass mich es nicht vor dir aussprechen, jungfraeuliches Licht! Aufgeopfert einer Buhlerin. Nein, sehen Sie mich an, mein Gemahl! Wahrhaftig, die Augen, die ganz Genua in knechtisches Zittern jagen, muessen sich jetzt vor den Thraenen eines Weibes verkriechen.-Fiesco (aeusserst verwirrt). Nicht mehr, Signora. Nicht weiter.
Leonore (mit Wehmuth und etwas bitter). Ein schwaches Weiberherz zu zerfleischen! O es ist des starken Geschlechts so wuerdig.-Ich warf mich in die Arme dieses Mannes. An diesen Starken schmiegten sich wolluestig alle meine weiblichen Schwaechen. Ich uebergab ihm meinen ganzen Himmel-Der grossmuethige Mann verschenkte ihn an eine-Fiesco (stuerzt ihr mit Heftigkeit ins Wort). Meine Leonore! nein-Leonore. Meine Leonore?-Himmel, habe Dank! das war wieder echter Goldklang der Liebe. Hassen sollt' ich dich, Falscher, und werfe mich hungrig auf die Brosamen deiner Zaertlichkeit-Hassen? Sagte ich hassen, Fiesco? O glaub' es nicht! Sterben lehrt mich dein Meineid, aber nicht hassen. Mein Herz ist betrogen. (Man hoert den Mohren.)
Fiesco. Leonore, erfuellen Sie mir eine kleine kindische Bitte.
Leonore. Alles, Fiesco, nur nicht Gleichgueltigkeit.
Fiesco. Was Sie wollen, wie Sie wollen-(Bedeutend.) Bis Genua um zwei Tage aelter ist, fragen Sie nicht, verdammen Sie nicht! (Er fuehrt sie mit Anstand in ein anderes Zimmer.)
Vierter Auftritt
Mohr keuchend. Fiesco.
Fiesco. Woher so in Athem?
Mohr. Geschwind, gnaediger Herr-Fiesco. Ist was ins Garn gelaufen?
Mohr. Lest diesen Brief. Bin ich denn wirklich da? Ich glaube, Genua ist um zwoelf Gassen kuerzer worden, oder meine Beine um so viel laenger. Ihr verblasst? Ja, um Koepfe werden sie karten, und der Eure ist Tarock. Wie gefaellt's Euch?
Fiesco (wirft den Brief erschuettert auf den Tisch). Krauskopf und zehn Teufel! wie kommst zu diesem Brief?
Mohr. Ungefaehr wie-Euer Gnaden zur Republik. Ein Expresser sollte damit nach Levanto fliegen! Ich wittre den Frass, laure dem Burschen in einem Hohlweg auf. Baff, liegt der Marder-wir haben das Huhn.
Fiesco. Sein Blut ueber dich! Der Brief ist nicht mit Gold zu bezahlen.
Mohr. Doch dank' ich fuer Silber. (Ernsthaft und wichtig.) Graf von Lavagna! Ich habe neulich einen Gelust nach Eurem Kopf gehabt. (Indem er auf den Brief deutet.) Hier waer' er wieder-Jetzt, denk' ich, waeren gnaediger Herr und Halunke quitt. Fuers Weitere koennt Ihr Euch beim guten Freund bedanken. (Reicht ihm einen zweiten Zettel.) Numero zwei.
Fiesco (nimmt das Blatt mit Erstaunen). Wirst du toll sein?
Mohr. Numero zwei. (Er stellt sich trotzig neben ihn, stemmt den Ellenbogen an.) Der Loewe hat's doch so dumm nicht gemacht, dass er die Maus pardonnierte? (Arglistig.) Gelt! er hat's schlau gemacht, wer haett ihn auch sonst aus dem Garne genagt?-Nun? Wie behagt Euch das?
Fiesco. Kerl, wie viel Teufel besoldest du?
Mohr. Zu dienen-nur einen, und der steht in graeflichem Futter.
Fiesco. Dorias eigene Unterschrift!-Wo bringst du das Blatt her?
Mohr. Warm aus den Haenden meiner Bononi. Ich machte mich noch die gestrige Nacht dahin, liess Eure schoenen Worte und Eure noch schoenern Zechinen klingen. Die letzten drangen durch. Frueh sechs sollt' ich wieder anfragen. Der Graf war richtig dort, wie Ihr sagtet, und bezahlte mit Schwarz und Weiss das Weggeld zu einem contrebandenen Himmelreich.
Fiesco (aufgebracht). Ueber die feilen Weiberknechte!-Republiken wollen sie stuerzen, koennen keiner Metze nicht schweigen. Ich sehe aus diesen Papieren, dass Doria und sein Anhang Komplott gemacht haben, mich mit eilf Senatoren zu ermorden und Gianettino zum souveraenen Herzog zu machen.
Mohr. Nicht anders, und das schon am Morgen der Dogewahl, dem dritten des Monats.
Fiesco (rasch.) Unsere flinke Nacht soll diesen Morgen in Mutterleibe erwuergen-Geschwind, Hassan-meine Sachen sind reif-Rufe die Andern-wir wollen ihnen einen blutigen Vorsprung machen-Tummle dich, Hassan!
Mohr. Noch muss ich Euch meinen Schubsack von Zeitungen stuerzen. Zweitausend Mann sind gluecklich hereinprakticiert. Ich habe sie bei den Kapuzinern untergebracht, wo auch kein vorlauter Sonnenstrahl sie ausspionieren soll. Sie brennen vor Neugier, ihren Herrn zu sehen, und es sind treffliche Kerl.
Fiesco. Aus jedem Kopf blueht ein Scudi fuer dich-Was murmelt Genua zu meinen Galeeren?
Mohr. Das ist ein Hauptspass, gnaediger Herr. Ueber die vierhundert Abenteurer, die der Friede zwischen Frankreich und Spanien auf den Sand gesetzt hat, nisteten sich an meine Leute und bestuermten sie, ein gutes Wort fuer sie bei Euch einzulegen, dass Ihr sie gegen die Unglaeubigen schicken moegt. Ich habe sie auf den Abend zu Euch in den Schlosshof beschieden.
Fiesco (froh.) Bald sollt' ich dir um den Hals fallen, Schurke! Ein Meisterstreich! Vierhundert, sagst du?-Genua ist nicht mehr zu retten. Vierhundert Scudi sind dein.
Mohr (treuherzig.) Gelt, Fiesco? Wir Zwei wollen Genua zusammenschmeissen, dass man die Gesetze mit dem Besen aufkehren kann-Das hab' ich Euch nie gesagt, dass ich unter der hiesigen Garnison meine Voegel habe, auf die ich zaehlen kann, wie auf meine Hoellenfahrt. Nun hab' ich veranstaltet, dass wir auf jedem Thor wenigstens sechs Creaturen unter der Wache haben, die genug sind, die Andern zu beschwaetzen und ihre fuenf Sinne unter Wein zu setzen. Wenn Ihr also Lust habt, diese Nacht einen Streich zu wagen, so findet Ihr die Wachen besoffen.
Fiesco. Rede nichts mehr. Bis jetzt hab' ich den ungeheuren Quader ohne Menschenhilfe gewaelzt; hart am Ziel soll mich der schlechteste Kerl in der Rundung beschaemen?-Deine Hand, Bursche! Was dir der Graf schuldig bleibt, wird der Herzog hereinholen.
Mohr. Ueberdies noch ein Billet von der Graefin Imperiali. Sie winkte mir von der Gasse hinauf, war sehr gnaedig, fragte mich spoettelnd, ob die Graefin von Lavagna keinen Anfall von Gelbsucht gehabt haette? Euer Gnaden, sagt' ich, fragen nur einem Befinden nach, sagt' ich-Fiesco (hat das Billet gelesen und wirft es weg). Sehr gut gesagt; sie antwortete?
Mohr. Antwortete, sie bedaure dennoch das Schicksal der armen Wittwe, erbiete sich auch, ihr Genugthuung zu geben und Euer Gnaden Galanterieen kuenftig zu verbitten.
Fiesco (haemisch). Welche sich wohl noch vor Welt-Untergang aufheben duerften-Das die ganze Erheblichkeit, Hassan?
Mohr (boshaft). Gnaediger Herr, Angelegenheiten der Damen sind es zunaechst nach den politischen-Fiesco. O ja freilich, und diese allerdings. Aber was willst du mit diesem Papierchen?
Mohr. Eine Teufelei mit einer andern auskratzen-Diese Pulver gab mir Signora, Eurer Frau taeglich eins in die Chocolade zu ruehren.
Fiesco (tritt blass zurueck). Gab dir?