Mohr. Donna Julia, Graefin Imperiali.
Fiesco (reisst ihm solche weg, heftig). Luegst du, Canaille, lass' ich dich lebendig an den Wetterhahn vom Lorenzothurm schmieden, wo dich der Wind in einem Athemzug neunmal herumtreibt-die Pulver?
Mohr (ungeduldig). Soll ich Eurer Frau in der Chocolade zu saufen geben, verordnete Donna Julia Imperiali.
Fiesco (ausser Fassung). Ungeheuer! Ungeheuer!-dieses holdselige Geschoepf?-Hat so viel Hoelle in einer Frauenzimmerseele Platz?-Doch, ich vergass dir zu danken, himmlische Vorsicht, die du es nichtig machst-nichtig durch einen aergeren Teufel. Deine Wege sind sonderbar. (Zum Mohren.) Du versprichst, zu gehorchen, und schweigst.
Mohr. Sehr wohl. Das Letzte kann ich, sie bezahlte mir's baar.
Fiesco. Dieses Billet ladet mich zu ihr-Ich will kommen, Madame! Ich will Sie beschwaetzen, bis Sie hieher folgen. Gut. Du eilst nunmehr, was du eilen kannst, rufst die ganze Verschwoerung zusammen.
Mohr. Diesen Befehl hab' ich vorausgewittert und darum Jeden auf meine Faust Punkt zehn Uhr hieher bestellt.
Fiesco. Ich hoere Tritte. Sie sind's. Kerl, du verdientest deinen eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins Vorzimmer, bis ich laeute.
Mohr (im Abgehen). Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen. (Ab.)
Fuenfter Auftritt
Alle Verschwornen.
Fiesco (ihnen entgegen). Das Wetter ist im Anzug. Die Wolken laufen zusammen. Tretet leis auf! Lasst beide Schloesser vorfallen!
Verrina. Acht Zimmer hinter uns hab' ich zugeriegelt; der Argwohn kann auf hundert Mannsschritte nicht beikommen.
Bourgognino. Hier ist kein Verraether, wenn's unsre Furcht nicht wird.
Fiesco. Furcht kann nicht ueber meine Schwelle. Willkommen, wer noch der Gestrige ist. Nehmt eure Plaetze. (Setzen sich.)
Bourgognino (spaziert im Zimmer). Ich sitze ungern, wenn ich ans Umreissen denke.
Fiesco. Genueser, das ist eine merkwuerdige Stunde.
Verrina. Du hast uns aufgefordert, einem Plan zum Tyrannenmord nachzudenken. Frage uns. Wir sind da, dir Rede zu geben.
Fiesco. Zuerst also-eine Frage, die spaet genug kommt, um seltsam zu klingen-Wer soll fallen? (Alle schweigen.)
Bourgognino (indem er sich ueber Fiescos Sessel lehnt, bedeutend). Die Tyrannen.
Fiesco. Wohlgesprochen, die Tyrannen. Ich bitte euch, gebt genau Acht auf die ganze Schwere des Worts. Wer die Freiheit zu stuerzen Miene macht, oder Gewicht hat?-Wer ist mehr Tyrann?
Verrina. Ich hasse den Ersten, den Letzten fuerchte ich. Andreas Doria falle!
Calcagno (in Bewegung). Andreas, der abgelebte Andreas, dessen Rechnung mit der Natur vielleicht uebermorgen zerfallen ist?
Sacco. Andreas, der sanftmuethige Alte?
Fiesco. Furchtbar ist dieses alten Mannes Sanftmuth, mein Sacco! Gianettinos Tolltrotz nur laecherlich. Andreas Doria falle! das sprach deine Weisheit, Verrina.
Bourgognino. Ketten von Stahl oder Seide-es sind Ketten, und Andreas Doria falle!
Fiesco (zum Tisch gehend). Also den Stab gebrochen ueber Onkel und Neffen! Unterzeichnet! (Alle unterschreiben.) Das Wer? ist berichtigt. (Setzen sich wieder.) Nun zum gleich merkwuerdigen Wie?-Reden Sie zuerst, Freund Calcagno.
Calcagno. Wir fuehren es aus wie Soldaten oder wie Meuter. Jenes ist gefaehrlich, weil es uns zwingt, viele Mitwisser zu haben, gewagt, weil die Herzen der Nation noch nicht ganz gewonnen sind-diesem sind fuenf gute Dolche gewachsen. In drei Tagen ist hohe Messe in der Lorenzokirche. Beide Doria halten dort ihre Andacht. In der Naehe des Allerhoechsten entschlaeft auch Tyrannenangst. Ich sagte Alles.
Fiesco (abgewandt). Calcagno-abscheulich ist Ihre vernuenftige Meinung-Raphael Sacco?
Sacco. Calcagnos Gruende gefallen mir, seine Wahl empoert. Besser, Fiesco laesst Oheim und Neffen zu einem Gastmahle laden, wo sie dann, zwischen den ganzen Groll der Republik gepresst, die Wahl haben, den Tod entweder an unsern Dolchen zu essen, oder in gutem Cyprier Bescheid zu thun. Wenigstens bequem ist diese Methode.
Fiesco (mit Entsetzen). Sacco, und wenn der Tropfe Wein, den ihre sterbende Zunge kostet, zum siedenden Pech wird, ein Vorschmack der Hoelle-Wie dann, Sacco?-Weg mit diesem Rath! Sprich du, Verrina.
Verrina. Ein offenes Herz zeigt eine offene Stirn. Meuchelmord bringt uns in jedes Banditen Bruederschaft. Das Schwert in der Hand deutet den Helden. Meine Meinung ist, wir geben laut das Signal des Aufruhrs, rufen Genuas Patrioten stuermend zur Rache auf. (Er faehrt vom Sessel. Die Andern folgen. Bourgognino wirft sich ihm um den Hals.)
Bourgognino. Und zwingen mit gewaffneter Hand dem Glueck eine Gunst ab? Das ist die Stimme der Ehre und die meinige.
Fiesco. Und die meinige. Pfui, Genueser! (Zu Calcagno und Sacco.) Das Glueck hat bereits schon zu viel fuer uns gethan, wir muessen uns selbst auch noch Arbeit geben-Also Aufruhr, und den noch diese Nacht, Genueser! (Verrina, Bourgognino erstaunen. Die Andern erschrecken.)
Calcagno. Was? noch diese Nacht? Noch sind die Tyrannen zu maechtig, noch unser Anhang zu duenne.
Sacco. Diese Nacht noch? und es ist nichts gethan, und die Sonne geht schon bergunter?
Fiesco. Eure Bedenklichkeiten sind sehr gegruendet, aber lest diese Blaetter. (Er reicht ihnen die Handschriften Gianettinos und geht, indess sie neugierig lesen, haemisch auf und nieder.) Jetzt fahre wohl, Doria, schoener Stern! Stolz und vorlaut standst du da, als haettest du den Horizont von Genua verpachtet, und sahest doch, dass auch die Sonne den Himmel raeumt und das Scepter der Welt mit dem Monde theilt. Fahre wohl, Doria, schoener Stern!
Auch Patroklus ist gestorben, Und war mehr als du.
Bourgognino (nachdem sie die Blaetter gelesen). Das ist graesslich!
Calcagno. Zwoelf auf einen Schuss!
Verrina. Morgen in der Signoria!
Bourgognino. Gebt mir die Zettel. Ich reite spornstreichs durch Genua, halte sie so, so werden die Steine hinter mir springen und die Hunde Zetermordio heulen.
Alle. Rache! Rache! Rache! Diese Nacht noch!
Fiesco. Da seid ihr, wo ich euch wollte. Sobald es Abend wird, will ich die vornehmsten Missvergnuegten zu einer Lustbarkeit bitten; naemlich alle, die auf Gianettinos Mordliste stehen, und noch ueberdies die Sauli, die Gentili, Vivaldi und Vesodimari, alle Todfeinde des Hauses Doria, die der Meuchelmoerder zu fuerchten vergass. Sie werden meinen Anschlag mit offenen Armen umfassen, daran zweifle ich nicht.
Bourgognino. Daran zweifl' ich nicht.
Fiesco. Vor Allem muessen wir uns des Meers versichern. Galeeren und Schiffsvolk hab' ich. Die zwanzig Schiffe der Doria sind unbetakelt, unbemannt, leicht ueberrumpelt. Die Muendung der Darsena wird gestopft, alle Hoffnung zur Flucht verriegelt. Haben wir den Hafen, so liegt Genua an Ketten.
Verrina. Unleugbar.
Fiesco. Dann werden die festen Plaetze der Stadt erobert und besetzt. Der wichtigste ist das Thomasthor, das zum Hafen fuehrt und unsere Seemacht mit der Landmacht verknuepft. Beide Doria werden in ihren Palaesten ueberfallen, ermordet. In allen Gassen wird Laerm geschlagen; die Sturmglocken werden gezogen, die Buerger herausgerufen, unsere Partei zu nehmen und Genuas Freiheit zu verfechten. Beguenstiget uns das Glueck, so hoert ihr in der Signoria das Weitere.
Verrina. Der Plan ist gut. Lass sehen, wie wir die Rollen vertheilen.