Leonore. (schwermuethig schwaermend). Da er noch Fiesco war-dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Maedchen lustwandeln gingen, ein bluehender Apoll, verschmolzen in den maennlich-schoenen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurueck, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zaehlte sie der aengstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zaertliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stuermischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.
Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese schoene Eroberung.
Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glueck! Mein Genuas groessten Mann, (mit Anmuth) der vollendet sprach aus dem Meissel der unerschoepflichen Kuenstlerin, alle Groessen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband-Hoeret, Maedchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen!-Hoeret, Maedchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnissvoll) einen Gedanken-als ich am Altar stand neben Fiesco-seine Hand in meine Hand gelegt-hatt' ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist-dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt-dein Fiesco-aber still! dass kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit bruesten-dieser dein Fiesco-Weh euch, wenn das Gefuehl euch nicht hoeher wirft!-wird-uns Genua von seinen Tyrannen erloesen!
Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?
Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib-aber ich fuehle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, dass dieses Haus Doria ueber unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmuethige Andreas-es ist eine Wollust, ihm gut zu sein-mag immer Herzog von Genua heissen, aber Gianettino ist sein Neffe-sein Erbe-und Gianettino hat ein freches, hochmuethiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth hinabgefallen) Fiesco-weinet um mich-liebt seine Schwester.
Arabella. Arme, unglueckliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Maerchen von verwuenschten Prinzessinnen erzaehlen-das ist Fiesco!-Ach, Maedchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden-auch ich meinen Gemahl!
Rosa. Reden Sie leiser. Man koemmt durch die Galerie.
Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick koennte ihm einen trueben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Maedchen ihr nach.)
Zweiter Auftritt
Gianettino Doria maskiert im gruenen Mantel. Ein Mohr. Beide im Gespraech.
Gianettino. Du hast mich verstanden.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Die weisse Maske.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Ich sage-die weisse Maske!
Mohr. Wohl! wohl! wohl!
Gianettino. Hoerst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend) hieher verfehlen.
Mohr. Seid unbekuemmert.
Gianettino. Und einen tuechtigen Stoss!
Mohr. Er soll zufrieden sein.
Gianettino (haemisch). Dass der arme Graf nicht
Mohr. Um Vergebung-wie schwer moechte ungefaehr sein Kopf ins Gewicht fallen?
Gianettino. Hundert Zechinen schwer.
Mohr (blaest durch die Finger). Puh! Federleicht!
Gianettino. Was brummst du da?
Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.
Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Koepfe fliegen gegen seine Pole. Hoere, Kerl! fasse ihn ja recht.
Mohr. Aber, Herr-ich muss flugs auf die That nach Venedig.
Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.) In hoechstens drei Tagen muss er kalt sein. (Ab.)
Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit! Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)
Dritter Auftritt
Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Maenteln.
Calcagno. Ich werde gewahr, dass du alle meine Schritte belauerst.
Sacco. Und ich beobachte, dass die mir alle verbirgst. Hoere, Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt.-Ich daechte, Bruder, wir Beide koennten schon Geheimniss gegen Geheimniss tauschen, und am Ende haette Keiner beim Schleichhandel verloren-Wirst du aufrichtig sein?
Calcagno. So sehr, dass, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegen kommen soll-Ich liebe die Graefin Fiesco.
Sacco (tritt verwundernd zurueck). Wenigstens das haett' ich nicht entziffert, haette ich alle Moeglichkeiten Revue passieren lassen-Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glueckt.
Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.
Sacco. Man luegt. Sie ist das ganze Buch ueber den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz auf-Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muss den Grafen in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Waehrend er nun den Wolf aus der Huerde scheucht, soll der Marder in seinen Huehnerstall fallen.
Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du ploetzlich des Rothwerdens ueberhoben. Was ich mich zu denken geschaemt habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die jetzige Verfassung nicht uebern Haufen faellt.
Calcagno. Sind deine Schulden so gross?
Sacco. So ungeheuer, dass mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehentheil abschnellen muss. Eine Staatsveraenderung soll mir Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Glaeubigern das Fordern entleiden.
Calcagno. Ich verstehe-und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit frei wird, laesst sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Waerme mir Einer das verdroschene Maerchen von Redlichkeit auf, wenn der Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wolluestlings das Glueck eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Koerpers durch die Eiterbeulen der Gliedmassen rettet-Weiss Verrina um deinen Anschlag?
Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weisst du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco haengt jetzt sein Falkenaug. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kuehnen Komplott.
Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, lass uns ihn aufsuchen und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schueren. (Gehen ab.)
Vierter Auftritt
Julia erhitzt. Fiesco, der einen weissen Mantel traegt, eilt ihr nach.
Julia. Lakaien! Laeufer!
Fiesco. Graefin, wohin? Was beschliessen Sie?
Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.
Fiesco. Sie erlauben-er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.