Verrina. Doch rede noch nicht so laut. Ich habe dort auf dem linken Fluegel Gesichter bleich werden und Kniee schlottern gesehen.
Zenturione (in Wuth). Zwoelf Senatoren! Teuflisch! Fasst alle Schwerter auf! (Alle stuerzen sich auf die bereit liegenden Waffen, zwei ausgenommen.)
Zibo. Dein Name steht auch da, Bourgognino.
Bourgognino. Und noch heute, so Gott will, auf Dorias Gurgel.
Zenturione. Zwei Schwerter liegen noch.
Zibo. Was? was?
Zenturione. Zwei nahmen kein Schwert.
Asserato. Meine Brueder koennen kein Blut sehen. Verschont sie!
Zenturione (heftig). Was? was? Kein Tyrannenblut sehen? Zerreisst die Memmen! Werft sie zur Republik hinaus, diese Bastarde! (Einige von der Gesellschaft werfen sich ergrimmt auf die Beiden.)
Fiesco (reisst sie auseinander). Haltet! haltet! Soll Genua Sklaven seine Freiheit verdanken? Soll unser Gold durch dieses schlechte Metall seinen guten Klang verlieren? (Er befreit sie.) Sie, meine Herren, nehmen so lang mit einem Zimmer in meinem Schloss vorlieb, bis unsre Sachen entschieden sind. (Zur Wache.) Zween Arrestanten! Ihr haftet fuer sie! Zwei scharfe Posten an ihre Schwelle! (Sie werden abgefuehrt.)
Schildwachen am Hofthor. Wer draussen? (Man pocht.)
Calcagno (ruft aengstlich). Schliesst auf! Ein Freund! Schliesst um Gotteswillen auf!
Bourgognino. Es ist Calcagno. Was soll das »um Gotteswillen«?
Fiesco. Macht ihm auf, Soldaten.
Siebenter Auftritt
Vorige. Calcagno ausser Athem, erschrocken.
Calcagno. Aus! aus! Fliehe, wer fliehen kann! Alles aus!
Bourgognino. Was aus? Haben sie Fleisch von Erz, sind unsre Schwerter von Binsen?
Fiesco. Ueberlegung, Calcagno! Ein Missverstand hier waere nicht mehr zu vergeben.
Calcagno. Verrathen sind wir. Eine hoellische Wahrheit. Ihr Mohr Lavagna, der Schelm! Ich komme vom Palast der Signoria. Er hatte Audienz beim Herzog. (Alle Nobili erblassen. Fiesco selbst veraendert die Farbe.)
Verrina (entschlossen gegen die Thorwachen). Soldaten! streckt mir die Hellebarden vor! Ich will nicht durch die Haende des Henkers sterben. (Alle Nobili rennen bestuerzt durcheinander.)
Fiesco (gefasster.) Wohin? Was macht ihr?-Geh in die Hoelle, Calcagno-Es war ein blinder Schrecken, ihr Herrn-Weib! Das vor diesen Knaben zu sagen-Auch du, Verrina?-Bourgognino, du auch?-Wohin du?
Bourgognino (heftig). Heim, meine Bertha ermorden und wieder hier sein.
Fiesco (schlaegt ein Gelaechter auf). Bleibt! Haltet! Ist das der Muth der Tyrannenmoerder?-Meisterlich spieltest du deine Rolle, Calcagno!-Merktet ihr nicht, dass diese Zeitung meine Veranstaltung war?-Calcagno, sprechen Sie, war's nicht mein Befehl, dass Sie diese Roemer auf die Prob' stellen sollten?
Verrina. Nun, wenn du lachen kannst?-Ich will's glauben, oder dich nimmer fuer einen Menschen halten.
Fiesco. Schande ueber euch, Maenner! In dieser Knabenprobe zu fallen! -Nehmt eure Waffen wieder-Ihr werdet wie Baeren fechten, wollt ihr diese Scharte verwetzen. (Leise zu Calcagno.) Waren Sie selbst dort?
Calcagno. Ich draengte mich durch die Trabanten, meinem Auftrag gemaess die Parole beim Herzog zu holen-wie ich zuruecktrete, bringt man den Mohren.
Fiesco (laut). Also der Alte ist zu Bette? Wir wollen ihn aus den Federn trommeln (Leise.) Sprach er lang mit dem Herzog?
Calcagno. Mein erster Schreck und Eure nahe Gefahr liessen mich kaum zwei Minuten dort.
Fiesco (laut und munter). Sieh doch! wie unsre Landsleute noch zittern.
Calcagno. Sie haetten auch nicht so bald herausplatzen sollen. (Leise.) Aber um Gotteswillen, Graf! was wird diese Nothluege fruchten?
Fiesco. Zeit, Freund, und dann ist der erste Schreck jetzt vorueber. (Laut.) He! an soll Wein bringen! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog erblassen? (Laut.) Frisch, Brueder, wir wollen noch eins Bescheid thun auf den Tanz dieser Nacht! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog erblassen?
Calcagno. Des Mohren erstes Wort muss »Verschwoerung« gelautet haben; der Alte trat schneebleich zurueck.
Fiesco (verwirrt). Hum! Hum! der Teufel ist schlau, Calcagno-er verrieth nichts, bis das Messer an ihre Gurgel ging. Jetzt ist er freilich ihr Engel. Der Mohr ist schlau. (Man bringt ihm einen Becher Wein; er haelt ihn gegen die Versammlung und trinkt.) Unser gutes Glueck, Kameraden! (Man pocht.)
Schildwachen. Wer draussen?
Eine Stimme. Ordonnanz des Herzogs. (Die Nobili stuerzen verzweifelnd im Hof herum.)
Fiesco (springt unter sie). Nein, Kinder! Erschreckt nicht! erschreckt nicht! Ich bin hier. Hurtig! Schafft diese Waffen weg. Seid Maenner! ich bitte euch. Dieser Besuch laesst mich hoffen, dass Andreas noch zweifelt. Geht hinein. Fasst euch. Schliesst auf, Soldaten. (Alle entfernen sich. Das Thor wird geoeffnet.)
Achter Auftritt
Fiesco, als kaem' er eben aus dem Schloss. Drei Deutsche, die den Mohren gebunden bringen.
Fiesco. Wer rief mich in den Hof?
Deutscher. Fuehrt uns zum Grafen.
Fiesco. Der Graf ist hier. Wer begehrt mich?
Deutscher (macht die Honneurs vor ihm). Einen guten Abend vom Herzog. Diesen Mohren liefert er Euer Gnaden gebunden aus. Er habe schaendlich herausgeplaudert. Das Weitere sagt der Zettel.
Fiesco (nimmt ihn gleichgueltig.) Und hab' ich dir nicht erst heut die Galeere verkuendigt? (Zum Deutschen.) Es ist gut, Freund. Meinen Respect an den Herzog.
Mohr (ruft ihnen nach). Und auch meinerseits einen, und sag' ihm-dem Herzog-wenn er keinen Esel geschickt haette, so wuerd' er erfahren haben, dass im Schloss zweitausend Soldaten stecken. (Deutsche gehen ab. Nobili kommen zurueck.)
Neunter Auftritt
Fiesco. Verschworene. Mohr trotzig in der Mitte.
Verschworene (fahren bebend zurueck beim Anblick des Mohren). Ha! was ist das?
Fiesco (hat das Billet gelesen, mit verbissenem Zorn). Genueser! die Gefahr ist vorbei-aber auch die Verschwoerung.
Verrina (ruft erstaunt aus). Was? Sind die Doria todt?
Fiesco (in heftiger Bewegung). Bei Gott! auf die ganze Kriegsmacht der Republik-auf Das war ich nicht gefasst. Der alte schwaechliche Mann schlaegt mit vier Zeilen dritthalbtausend Mann. (Laesst kraftlos die Haende sinken.) Doria schlaegt den Fiesco.
Bourgognino. So sprechen Sie doch! Wir erstarren.
Fiesco (liest). »Lavagna, Sie haben, daeucht mich, Ein Schicksal mit mir-Wohlthaten werden Ihnen mit Undank belohnt. Dieser Mohr warnt mich vor einem Komplott-Ich sende ihn hier gebunden zurueck und werde heute Nacht ohne Leibwache schlafen.« (Er laesst das Papier fallen. Alle sehen sich an.)
Verrina. Nun, Fiesco?
Fiesco (mit Adel). Ein Doria soll mich an Grossmuth besiegt haben? Eine Tugend fehlt im Stamm der Fiesker?-Nein! so wahr ich ich selber bin!-Geht auseinander, ihr! Ich werde hingehen-und Alles bekennen. (Will hinausstuerzen.)
Verrina (haelt ihn auf). Bist du wahnsinnig, Mensch? War es denn irgend ein Bubenstreich, den wir vorhatten? Halt! oder war's nicht Sache des Vaterlands! Halt! oder wolltest du nur dem Andreas zu Leibe, nicht dem Tyrannen? Halt! sag' ich-ich verhafte dich als einen Verraether des Staats-Verschworne. Bindet ihn! werft ihn zu Boden!