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Julia (bestuerzt). Graf? Welche Anwandlung!

Fiesco (aeusserst gleichgueltig). Nein, Madame! Sie haben vollkommen recht, wir Beide haben die Ehre nur einmal auf dem Spiel. (Mit einem hoeflichen Handkuss.) Ich habe das Vergnuegen, Ihnen bei der Gesellschaft meinen Respect zu bezeugen. (Er will schnell fort.)

Julia (ihm nach, reisst ihn zurueck). Bleib! Bist du rasend? Bleib! Muss ich es denn sagen-heraussagen, was das ganze Maennervolk auf den Knieen-in Thraenen-auf der Folterbank meinem Stolz nicht abdringen sollte?-Weh! auch dies dichte Dunkel ist zu licht, diese Feuersbrunst zu bergen, die das Gestaendniss auf meinen Wangen macht-Fiesco-O, ich bohre durchs Herz meines ganzen Geschlechts-mein ganzes Geschlecht wird mich ewig hassen-Ich bete dich an, Fiesco! (Faellt vor ihm nieder.)

Fiesco (weicht drei Schritte zurueck, laesst sie liegen und lacht triumphierend auf). Das bedaur' ich, Signora. (Er zieht die Glocke, hebt die Tapete auf und fuehrt Leonoren hervor.) Hier ist meine Gemahlin-ein goettliches Weib! (Er faellt Leonoren in den Arm.)

Julia (springt schreiend vom Boden). Ah! unerhoert betrogen!

Dreizehnter Auftritt

Die Verschwornen, welche zumal hereintreten. Damen von der andern Seite. Fiesco. Leonore und Julia.

Leonore. Mein Gemahl, das war allzu streng.

Fiesco. Ein schlechtes Herz verdiente nicht weniger. Deinen Thraenen war ich diese Genugthuung schuldig. (Zur Versammlung.) Nein, meine Herrn und Damen, ich bin nicht gewohnt, bei jedem Anlass in kindische Flammen aufzuprasseln, Die Thorheiten der Menschen belustigen mich lange, eh sie mich reizen. Diese verdient meinen ganzen Zorn, denn sie hat diesem Engel dieses Pulver gemischt. (Er zeigt das Gift der Versammlung, die mit Abscheu zuruecktritt.)

Julia (ihre Wuth in sich beissend). Gut! Gut! Sehr gut, mein Herr! (Will fort.)

Fiesco (fuehrt sie am Arm zurueck). Sie werden Geduld haben, Madame-Noch sind wir nicht fertig-Diese Gesellschaft moechte gar zu gern wissen, warum ich meinen Verstand so verleugnen konnte, den tollen Roman mit Genuas groesster Naerrin zu spielen-Julia (aufspringend). Es ist nicht auszuhalten! Doch zittre du! (Drohend. ) Doria donnert in Genua, und ich-bin seine Schwester.

Fiesco. Schlimm genug, wenn das Ihre letzte Galle ist-Leider muss ich Ihnen die Botschaft bringen, dass Fiesco von Lavagna aus dem gestohlenen Diadem Ihres durchlauchtigsten Bruders einen Strick gedreht hat, womit er den Dieb der Republik diese Nacht aufzuhaengen gesonnen ist. (Da sie sich entfaerbt, lacht er haemisch auf.) Pfui, das kam unerwartet-und sehen Sie! (indem er beissender fortfaehrt) darum fand ich es fuer noethig, den ungebetenen Blicken Ihres Hauses etwas zu schaffen zu geben; darum behaengt' ich mich (auf sie deutend) mit dieser Harlekinsleidenschaft, darum (auf Leonoren zeigend) liess ich diesen Edelstein fallen, und mein Wild rannte gluecklich in den blanken Betrug-Ich dank' fuer Ihre Gefaelligkeit, Signora, und gebe meinen Theaterschmuck ab. (Er ueberliefert ihren Schattenriss mit einer Verbeugung.)

Leonore (schmiegt sich bittend an den Fiesco). Mein Ludovico, sie weint. Darf Ihre Leonore Sie zitternd bitten?

Julia (trotzig zu Leonoren). Schweig! du Verhasste-Fiesco (zu einem Bedienten). Sei Er galant, Freund-biete Er dieser Dame den Arm an; sie hat Lust, mein Staatsgefaengniss zu sehen. Er steht mir davor, dass Madonna von Niemand incommodiert wird-draussen geht eine scharfe Luft-der Sturm, der heute Nacht den Stamm Doria spaltet, moechte ihr leicht-den Haarputz verderben.

Julia (schluchzend). Die Pest ueber dich, schwarzer heimtueckischer Heuchler! (Zu Leonoren grimmig.) Freue dich deines Triumphs nicht, auch dich wird er verderben, und sich selbst und-verzweifeln! (Stuerzt hinaus.)

Fiesco (winkt den Gaesten). Sie waren Zeugen-Retten Sie meine Ehre in Genua! (Zu den Verschwornen.) Ihr werdet mich abholen, wenn die Kanone kommt. (Alle entfernen sich.)

Vierzehnter Auftritt

Leonore. Fiesco.

Leonore (tritt ihm aengstlich naeher). Fiesco?-Fiesco?-Ich verstehe Sie nur halb, aber ich fange an zu zittern.

Fiesco (wichtig). Leonore-ich sahe Sie einst einer Genueserin zur Linken gehen-Ich sahe Sie in den Assembleen des Adels mit dem zweiten Handkuss der Ritter vorlieb nehmen. Leonore-das that meinen Augen weh. Ich beschloss, es soll nicht mehr sein-es wird aufhoeren. Hoeren Sie das kriegerische Getoese in meinen Schloss? Was Sie fuerchten, ist wahr-Gehn Sie zu Bette, Graefin-morgen will ich-die Herzogin wecken.

Leonore (schlaegt beide Arme zusammen und wirft sich in einen Sessel). Gott! meine Ahnung! Ich bin verloren!

Fiesco (gesetzt, mit Wuerde). Lassen Sie mich ausreden, Liebe! Zwei meiner Ahnherrn trugen die dreifache Krone; das Blut der Fiesker fliesst nur unter dem Purpur gesund. Soll Ihr Gemahl nur geerbten Glanz von sich werfen? (Lebhafter.) Was? Soll er sich fuer all seine Hoheit beim gaukelnden Zufall bedanken, der in einer ertraeglichen Laune aus modernden Verdiensten einen Johann Ludwig Fiesco zusammenflickte? Nein, Leonore! Ich bin zu stolz, mir etwas schenken zu lassen, was ich noch selbst zu erwerben weiss. Heute Nacht werf' ich meinen Ahnen den geborgten Schmuck in ihr Grab zurueck-Die Grafen von Lavagna starben aus-Fuersten beginnen.

Leonore (schuettelt den Kopf, still phantasierend). Ich sehe meinen Gemahl an tiefen toedtlichen Wunden zu Boden fallen-(Hohler.) Ich sehe die stummen Traeger den zerrissenen Leichnam meines Gemahls mir entgegen tragen. (Erschrocken aufspringend.) Die erste-einzige Kugel fliegt durch die Seele Fiescos.

Fiesco (fasst sie liebevoll bei der Hand). Ruhig, mein Kind. Das wird die einzige Kugel nicht.

Leonore (blickt ihn ernsthaft an). So zuversichtlich ruft Fiesco den Himmel heraus? Und waere der tausendmaltausendste Fall nur der moegliche, so koennte der tausendmaltausendste wahr werden, und mein Gemahl waere verloren-Denke, du spieltest um den Himmel, Fiesco. Wenn eine Billion Gewinnste fuer einen einzigen Fehler fiel', wuerdest du dreist genug sein, die Wuerfel zu schuetteln und die freche Wette mit Gott einzugehen? Nein, mein Gemahl! wenn auf dem Brett Alles liegt, ist jeder Wurf Gotteslaesterung.

Fiesco (laechelt). Sei unbesorgt, das Glueck und ich stehen besser.

Leonore. Sagst du das-und standest bei jenem geisterverzerrenden Spiele-ihr nennt es Zeitvertreib-sahest zu der Betruegerin, wie sie ihren Guenstling mit kleinen Glueckskarten lockte, bis er warm ward, aufstand, die Bank forderte-und ihn jetzt im Wurf der Verzweiflung verliess-O mein Gemahl! du gehst nicht hin, dich den Genuesern zu zeigen und angebetet zu werden. Republikaner aus ihrem Schlaf aufzujagen, das Ross an seine Hufe zu mahnen, ist kein Spaziergang, Fiesco. Traue diesen Rebellen nicht. Die Klugen, die dich aufhetzten, fuerchten dich. Die Dummen, die dich vergoetterten, nuetzen dir wenig, und wo ich hinsehe ist Fiesco verloren.

Fiesco (mit starken Schritten im Zimmer). Kleinmuth ist die hoechste Gefahr. Groesse will auch ein Opfer haben.

Leonore. Groesse, Fiesco?-Dass dein Genie meinem Herzen so uebel will! -Sieh! Ich vertraue deinem Glueck, du siegst, will ich sagen-Weh dann mir Aermsten meines Geschlechts! Unglueckselig, wenn es misslingt! wenn es glueckt, unglueckseliger! Hier ist keine Wahl, mein Geliebter! Wenn er den Herzog verfehlt, ist Fiesco verloren. Mein Gemahl ist hin, wenn ich den Herzog umarme.

Fiesco. Das verstehe ich nicht.

Leonore. Doch, mein Fiesco! In dieser stuermischen Zone des Throns verdorret das zarte Pflaenzchen der Liebe. Das Herz eines Menschen, und waer' auch selbst Fiesco der Mensch, ist zu enge fuer zwei allmaechtige Goetter-Goetter, die sich so gram sind. Liebe hat Thraenen, und kann Thraenen verstehen; Herrschsucht hat eherne Augen, worin ewig nie die Empfindung perlt-Liebe hat nur ein Gut, thut Verzicht auf die ganze uebrige Schoepfung: Herrschsucht hungert beim Raube der ganzen Natur-Herrschsucht zertruemmert die Welt in ein rasselndes Kettenhaus, Liebe traeumt sich in jede Wueste Elysium.-Wolltest du jetzt an meinem Busen dich wiegen, pochte ein stoerriger Vasalle an dein Reich-Wollt' ich jetzt in deine Arme mich werfen, hoerte deine Despotenangst einen Moerder aus den Tapeten hervorrauschen und jagte dich fluechtig von Zimmer zu Zimmer. Ja, der grossaeugige Verdacht steckte zuletzt auch die haeusliche Eintracht an-Wenn deine Leonore dir jetzt einen Labetrank braechte, wuerdest du den Kelch mit Verzuckungen wegstossen und die Zaertlichkeit eine Giftmischerin schelten.