Fiesco (matt aufgerichtet mit dumpfer Stimme). Hab' ich mein Weib ermordet, Genueser?-Ich beschwoere euch, schielt nicht so geisterbleich auf dieses Spiel der Natur-Gott sei gelobt! Es gibt Schicksale, die der Mensch nicht zu fuerchten hat, weil er nur Mensch ist. Wem Goetterwollust versagt ist, wird keine Teufelqual zugemuthet-Diese Verirrung waere etwas mehr. (Mit schrecklicher Beruhigung.) Genueser, Gott sei Dank! Es kann nicht sein.
Dreizehnter Auftritt
Vorige. Arabella kommt jammernd.
Arabella. Moegen sie mich umbringen, was hab' ich auch jetzt noch zu verlieren?-Habt Erbarmen, ihr Maenner-Hier verliess ich meine gnaedige Frau, und nirgends find' ich sie wieder.
Fiesco (tritt ihr naeher mit leiser bebender Stimme). Leonore heisst deine gnaedige Frau?
Arabella (froh). O dass Sie da sind, mein liebster, guter, gnaediger Herr!-Zuernen Sie nicht ueber uns, wir konnten sie nicht mehr zurueckhalten.
Fiesco (zuernt sie dumpfig an). Du Verhasste! von was nicht?
Arabella. Dass sie nicht nachsprang-Fiesco (heftiger). Schweig! wohin sprang?
Arabella. Ins Gedraenge-Fiesco (wuethend). Dass deine Zunge zum Krokodil wuerde-Ihre Kleider?
Arabella. Ein scharlachner Mantel-Fiesco (rasend gegen sie taumelnd). Geh in den neunten Kreis der Hoelle!-der Mantel?
Arabella. Lag hier am Boden-Einige Verschworne (murmelnd). Gianettino ward hier ermordet-Fiesco (todesmatt zurueckwankend zu Arabella). Deine Frau ist gefunden. (Arabella geht angstvoll. Fiesco sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreis herum, darauf mit leiser, schwebender Stimme, die stufenweis bis zum Toben steigt.) Wahr ist's-wahr-und ich das Stichblatt des unendlichen Bubenstuecks. (Viehisch um sich hauend.) Tretet zurueck, ihr menschlichen Gesichter-Ah, (mit frechem Zaehnblecken gen Himmel) haett' ich nur seinen Weltbau zwischen diesen Zaehnen-Ich fuehle mich aufgelegt, die ganze Natur in ein grinsendes Scheusal zu zerkratzen, bis sie aussieht wie mein Schmerz-(Zu den Andern, die bebend herumstehen.) Mensch!-wie es jetzt dasteht, das erbaermliche Geschlecht, sich segnet und selig preist, dass es nicht ist wie ich-Nicht wie ich! (In hohles Beben hinabgefallen.) Ich allein habe den Streich-(Rascher, wilder.) Ich? Warum ich? Warum nicht mit mir auch diese? Warum soll sich mein Schmerz am Schmerz eines Mitgeschoepfs nicht stumpf reiben duerfen?
Calcagno (furchtsam). Mein theurer Herzog-Fiesco (dringt auf ihn ein mit graesslicher Freude). Ah, willkommen! Hier, Gott sei Dank! ist Einer, den auch dieser Donner quetschte! (Indem er den Calcagno wuethend in seine Arme drueckt.) Bruder Zerschmettert! Wohl bekomm die Verdammniss! Sie ist todt! Du hat sie auch geliebt! (Er zwingt ihn an den Leichnam und drueckt ihm den Kopf dagegen.) Verzweifle! Sie ist todt! (Den stieren Blick in einen Winkel geheftet.) Ah, dass ich stuende am Thor der Verdammniss, hinunterschauen duerfte mein Aug auf die mancherlei Folterschrauben der sinnreichen Hoelle, saugen mein Ohr zerknirschter Suender Gewinsel-Koennt' ich sie sehen, meine Qual, wer weiss, ich truege sie vielleicht? (Mit Schauern zur Leiche gehend.) Mein Weib liegt hier ermordet-Nein, das will wenig sagen (Nachdruecklicher.) Ich, der Bube, habe mein Weib ermordet-O pfui, so etwas kann die Hoelle kaum kitzeln-Erst wirbelt sie mich kuenstlich auf der Freude letztes glaettestes Schwindeldach, schwaetzt mich bis an die Schwelle des Himmels-und dann hinunter-dann-o koennte mein Odem die Pest unter Seelen blasen-dann-dann ermord' ich mein Weib-Nein, ihr Witz ist noch feiner-dann uebereilen sich (veraechtlich) zwei Augen, und (mir schrecklichem Nachdruck) ich-ermorde-mein Weib! (Beissend laechelnd.) Das ist das Meisterstueck!
(Alle Verschwornen haengen geruehrt an ihren Waffen. Einige wischen Thraenen aus den Augen. Pause.)
Fiesco (erschoepft und stiller, indem er im Zirkel herumblickt). Schluchzt hier Jemand?-Ja, bei Gott, die einen Fuersten wuergten, weinen. (In stillen Schmerz geschmolzen.) Redet! Weint ihr ueber diesen Hochverrath des Todes, oder weint ihr ueber meines Geistes Memmenfall? (In ernster, ruehrender Stellung vor der Todten verweilend.) Wo in warme Thraenen felsenharte Moerder schmelzen, flucht Fiescos Verzweiflung! (Sinkt weinend an ihr nieder.) Leonore, vergib-Reue zuernt man dem Himmel nicht ab! (Weich mit Wehmuth.) Jahre voraus, Leonore, genoss ich das Fest jener Stunde, wo ich den Genuesern ihre Herzogin braechte-Wie lieblich verschaemt sah ich schon deine Wangen erroethen, deinen Busen wie fuerstlich schoen unter dem Silberflor schwellen, wie angenehm deine lispelnde Stimme der Entzueckung versagen (Lebhafter.) Ha! wie berauschend wallte mir schon der stolze Zuruf zu Ohren, wie spiegelte sich meiner Liebe Triumph im versinkenden Neide!-Leonore-die Stund' ist gekommen-Genuas Herzog ist dein Fiesco-und Genuas schlechtester Bettler besinnt sich, seine Verachtung an meine Qual und meinen Scharlach zu tauschen-(Ruehrender.) Eine Gattin theilt seinen Gram-mit wem kann ich meine Herrlichkeit theilen? (Er weint heftiger und verbirgt sein Gesicht an der Leiche. Ruehrung auf allen Gesichtern.)
Calcagno. Es war eine treffliche Dame.
Zibo. Dass man doch ja den Trauerfall dem Volk noch verschweige. Er naehme den Unsrigen den Muth und gaeb' ihn den Feinden.
Fiesco (steht gefasst und fest auf). Hoeret, Genueser!-die Vorsehung, versteh' ich ihren Wink, schlug mir diese Wunde nur, mein Herz fuer die nahe Groesse zu pruefen.-Es war die gewagteste Probe-jetzt fuercht' ich weder Qual, noch Entzuecken mehr. Kommt! Genua erwarte mich, sagt ihr?-Ich will Genua einen Fuersten schenken, wie ihn noch kein Europaeer sah-Kommt!-dieser ungluecklichen Fuerstin will ich eine Todtenfeier halten, dass das Leben seine Anbeter verlieren und die Verwesung wie eine Braut glaenzen soll-Jetzt folgt eurem Herzog! (Gehen ab unter Fahnenmarsch.)
Vierzehnter Auftritt
Andreas Doria. Lomellin.
Andreas. Dort jauchzen sie hin.
Lomellin. Ihr Glueck hat sie berauscht. Die Thore sind blossgegeben. Der Signoria waelzt sich Alles zu.
Andreas. Nur an meinem Neffen scheute das Ross. Mein Neffe ist todt. Hoeren Sie, Lomellin-Lomellin. Was? noch? noch hoffen Sie, Herzog?
Andreas (ernst). Zittre du fuer dein Leben, weil du mich Herzog spottest, wenn ich auch nicht einmal hoffen darf.
Lomellin. Gnaedigster Herr-eine brausende Nation liegt in der Schale Fiescos-Was in der Ihrigen?
Andreas (gross und warm). Der Himmel!
Lomellin (haemisch die Achsel zuckend). Seitdem das Pulver erfunden ist, campieren die Engel nicht mehr.
Andreas. Erbaermlicher Affe, der einem verzweifelnden Graukopf seinen Gott noch nimmt! (Ernst und gebietend.) Geh! mache bekannt, dass Andreas noch lebe-Andreas, sagst du, ersuche seine Kinder, ihn doch in seinem achtzigsten Jahre nicht zu den Auslaendern zu jagen, die dem Andreas den Flor seines Vaterlandes niemals verzeihen wuerden. Sag' ihnen das, und Andreas ersuche seine Kinder um so viel Erde in seinem Vaterland fuer so viel Gebeine.
Lomellin. Ich gehorsame, aber verzweifle. (Will gehen.)
Andreas. Hoere! und nimm diese eisgraue Haarlocke mit-Sie war die letzte, sagst du, auf meinem Haupt und ging los in der dritten Jaennernacht, als Genua losriss von meinem Herzen und habe achtzig Jahre gehalten und habe den Kahlkopf verlassen im achtzigsten Jahre-die Haarlocke ist muerbe! aber doch stark genug, dem schlanken Juengling den Purpur zu knuepfen (Er geht ab mit verhuelltem Gesicht. Lomellin eilt in eine entgegengesetzte Gasse. Man hoert ein tumultuarisches Freudengeschrei unter Trompeten und Pauken.)