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»Bis sich der Roboter adaptiert, das dauert eben eine Weile«, flüsterte der Gelehrte, zitterte vor Aufregung und zupfte das Ende seines Bartes.

Aus dem milchigen Schwaden entstanden länglich geformte Schatten. Sie platzten und wurden in Milliarden von scherbenartigen Fünkchen zertrümmert. Die Fünkchen erloschen, die Schatten vereinigten sich mit den Rändern des Bildes und schmolzen wie der Reif unter dem Atem der Sonne. Dann erschienen Farben. Überwiegend Gelb, das sich in Orange verwandelte. Das kam andeutungsweise aus der rechten oberen Ecke, von wo es langsam zur entgegengesetzten Ecke durchdrang.

Es war eine traurige Gegend, und die Stille lag auf ihr wie eine Scheibe aus Blei. In den safranäugigen Sümpfen zwischen den Ästen der merkwürdigen Pflanzen blubberte es zum opalisierenden Himmel, der einzige Ton, der ab und zu die bleierne Ruhe durchbrach. Die Kanten der lederartigen Blätter waren schwarz, und das Licht floß in die Mitte der Blätter, wo es sich bronzen verfärbte. Über dem Horizont schwammen die grauen Geister des Wassernebels und umarmten die rötliche Halbkugel der untergehenden Sonne. Darüber und überall Totenstille. Der Gelehrte runzelte die Stirn. »Zu wenig Bewegung«, knurrte er und drückte vorsichtig die mittlere Taste.

Auf den ersten Blick hatte sich nicht viel verändert. Dann doch. Die safrangelben Tropfen flossen aus einem schwarzen kammartigen Kopf hinunter. Auf beiden Seiten starrten stumpf unbewegte Augen, wie aus Glas. Es war in ihnen Leben, dann und wann. In der Platte des Sumpfes klaffte eine Wunde, der Kopf ging in einen schlangenartigen Hals und einen riesengroßen eiähnlichen Körper über. Die ledernen Schulterplatten des Hinterkammes fielen auf die Seiten, klatschten um die dicken Hüften und erzitterten, als das Ungeheuer nach Luft japste. Es war kein Laut zu hören, doch das Bild war vielsagend.

Die Sonne ging unter, die Opalfarbe verwandelte sich ins Blutrote, die Schatten wurden dunkler und liefen über das Wasser und die Büsche von phantastischen Pflanzen. Der Saurier zeichnete sich mit den scharfen Platten seines Kamms scharf gegen die dunkler werdenden Farben des Abendhimmels ab. Der Kopf auf dem langen Hals schwankte von einer Seite zur anderen. Der Abend mit seinen Schatten weckte in dem Wassersaurier Unruhe.

Ein leichtes Läuten und harmonische Töne erklangen. Der Bildschirm wurde dunkler, und das Mosaik der Strahlen leuchtete auf und erlosch wieder, als das Gerät die Epochen übersprang.

»Die Wirbeltiere«, flüsterte der Wissenschaftler und streichelte seinen Bart.

»Das soll Leben sein? Aber was für Leben! Worin unterscheidet es sich vom anorganischen Rasen der Elementarkräfte, von den elektromagnetischen und atomaren Stürmen der Materie? Nur dadurch, daß es gedämpfter ist und seine Vibrationen rhythmischer sind? Durch die Zellenwand begrenzt, unvergleichlich verletzbarer und kürzer? Dieses Ungeheuer – das ist ein Anfang – vielleicht. So fing es auch anderswo an …«

»Und was weiter?« fragte Gal, schon ganz unbeherrscht, »das ist wohl nicht das Ende des Experiments, oder?« Und als sein Gegenüber weiter schwieg, rief er: »Also sprich schon!«

»Nein, es ist noch nicht zu Ende, Gal. Die Materie besinnt sich nach einem gewissen Plan selber.«

»Tiere?«

»Die Tiere haben die Gabe nicht!«

»Eine Gabe?«

»Jawohl. Die Gabe des Fragens. Wenn das Kind nicht fragt, ist es kein Mensch.«

»Also Fragen«, flüsterte Gal nachdenklich. »Es kommt doch darauf an, wonach es fragt.«

»Nein, darauf kommt es nicht an. Es genügt, daß es fragt. Was ist der Baum, was ist der Tisch, was ist die Mutter, und was ist die Welt. Das Garnknäuel der Zeit haspelt seine Fragen ab – erst sobald du fragst, woher du kommst und wohin du gehst, wirst du zum Menschen.«

Der Bildschirm blinzelte erneut. Die Nacht. Das dunkle Himmelsgewölbe mit Tausenden von Funken. Zuerst glaubte Gal, der Apparat beginne von neuem, von der milchigen Periode zu den Atomgalaxien. Aber nein. Es war tatsächlich das Firmament – und es waren tatsächlich – Sterne. Die Zähne der Felsen fraßen sich ein in die Schüssel des schwarzen Himmels. Am Fuß der Felsen huschten Schatten herum. Sie erstarrten, als der Roboter die Vergrößerung präzisierte.

Ein Funke. Das rote Flämmchen loderte empor, das zweite, dritte. Und dann verpflanzte sich das Feuer, schmiß sich nach rechts und links und besäte die Nacht mit einem Funkengewirr. Erneut ein stiller, harmonischer Klang, und das Licht erstarrte. Der Bildschirm warf einen rötlichen Schein in das Laboratorium.

Gal biß sich auf die Lippe.

Die Farbe des Feuers floß an den zerspaltenen Wänden hinab. Dahinter erschien dunkel die Öffnung der Höhle, und um das Feuer hingen erstarrte Masken in der Finsternis. Niedrige Stirnen, verwachsene Gesichter, kleine Augen, die nicht blinzelten.

Der Glanz der Scheiterhaufen spiegelte sich in ihnen, aber sonst waren sie stumpf – wie die Augen des Sauriers aus dem vorherigen Bild.

God berührte die Tasten, und das Bild wurde beweglich. Unglaublich langsam leckten die Flammen die schwarzen Arme der Äste, umringten sie mit gelben Kränzen, und aus dieser Liebe wurden Funken geboren. Auch die Masken der Dämonen regten sich. Die dicken Lippen ließen den Glanz starker Hauerzähne durch, in die Augen schlüpfte das Licht des Lebens; sie zwinkerten satt und schläfrig. Nein, das waren schon nicht mehr die stumpfen Saurieraugen. Sie zeigten mehr Lebendigkeit.

»Sind das vielleicht …?« stieß Gal hervor.

Sein Freund nickte. »Ja, das sind Menschen.«

»Das sind Tiere!«

Die behaarten Finger ergriffen geschickt die blutigen, fetten Fleischstücke, und die gelben Zähne bohrten sich mit unbeherrschter Gier hinein. Gal preßte die Lippen zusammen: »Das sind Raubtiere.«

Die roten Äuglein hefteten sich auf den Bildschirm, es war, als würde die Kreatur beide Beobachter ihrerseits beobachten. Eine riesige, mit borstigen Zotteln bewachsene Pratze wandte sich ihnen zu und bedeckte fast den ganzen Bildschirm.

Im Zimmer wurde es dunkel, und der Wissenschaftler hob die Hand. In selbem Augenblick erhellte sich der Raum, und die wilde, schmausende Gesellschaft erschien abermals vor der Grotte. Nur das mittlere Geschöpf, das, mit dessen Pranke sie vor einer Weile Bekanntschaft gemacht hatten, hielt nun einen scharfen Stein, mit dem es in ein Stück zähes Fleisch schnitt …

»Werkzeuge, siehst du, Werkzeuge«, jubelte der Bärtige. »Es sind Menschen.«

»Weil sie fragen?« warf Gal ironisch ein.

»Ja«, sagte der andere ruhig. »Auch das habe ich gesehen. Paß auf!«

Das Feuer erlosch allmählich. Es war, als ob die Gestalten sich in sich selbst zurückgezogen hätten, es schien, als ob die Nacht auf sie drückte, die Nacht der frühen Epochen einer wilden Erde, in denen Sterne kein Schmuck der Verliebten sind, sondern bedrohliche Feuer des feindlichen Raums. Und dann stand die große haarige Kreatur auf, die mit dem scharfen Stein in der Pranke, und lief watschelnd zur Höhle, von der ganzen Horde gefolgt.

Die letzten Flämmchen beleuchteten einen riesigen Schädel mit mächtigem Gehörn, der auf der Felswand neben dem Grotteneingang hing. Der Affenmensch blieb vor dem Schädel stehen und hob seine lange Hand. Er bedeckte die Augen, und die anderen setzten sich nieder. Ihre unproportional langen Rümpfe begannen von einer Seite zur anderen zu schaukeln. Und ihr Anführer holte aus und warf etwas zu der Felswand unter diesem Schädel, etwas Fettes und Blutiges. Das Bild wurde dunkler.

Aus der Dunkelheit leuchteten Gals Augen. »Ich gebe zu, er hat ein Opfer gebracht – ohne Zweifel hat er das Fleisch geopfert – aber wem?«

Der Wissenschaftler kniff die Augen zu. »Er hat einem Gott geopfert. Wem sonst? Er bedankt sich für die gute Jagd und für die fette Beute.«