Geary schüttelte den Kopf. »Selbst den Syndiks wird klar sein, dass die Decks auf diesem Schiff grundlegend anders angeordnet sind als auf jedem Schiff der Allianz.«
»Ja, Sir«, sagte Major Dietz und fuhr dann in einem für einen Marine sehr diplomatischen Tonfall fort: »Der Plan für die Deckverteilung spielt eine sehr wichtige Rolle. Er wird von jemandem beim Syndik-Oberkommando ausgearbeitet, nicht von jemandem, der sich vor Ort befindet. Sondern von den obersten CEOs in der Militärhierarchie der Syndiks.«
»Was bedeutet«, ergänzte Admiral Lagemann, »dass jede Übereinstimmung zwischen dem Plan und der Realität purer Zufall sein wird.«
»So läuft das meistens«, stimmte Geary ihm zu. »Planer, die ganz oben sitzen und vom Ort des Geschehens weit entfernt sind, gehen von irgendwelchen Standardannahmen aus, damit eine Eingreiftruppe an Bord eines Schiffs geht und versucht, die drei entscheidenden Bereiche zu finden. Ich muss sagen, es fällt mir schwer zu glauben, dass es ihnen gelingen könnte, das Schiff zu entern, ohne von uns bemerkt zu werden.«
»Es ist machbar, Sir«, sagte Major Dietz überzeugt, aber ohne einen Hauch von Prahlerei. »Wie ich bereits angedeutet habe, könnten sie komplett getarnt in der Nähe unserer Flugroute auf uns warten, sodass sie nur wenig Energie aufwenden müssten, um dieses Schiff abzufangen. Ich habe es bei ihren Schiffen gemacht, ich weiß, wovon ich rede, Admiral.«
»Verstehe. Dann sind Sie in der Angelegenheit qualifizierter als ich.« Die Gruppe hatte eine weitere temporäre Luftschleuse erreicht, die ihnen den Weg versperrte. »Was ist das?«
»Das ist der Zugang zur Pseudo-Maschinenkontrolle«, antwortete Admiral Lagemann.
»Sie haben eine Pseudo-Maschinenkontrolle konstruiert?«
Lagemann öffnete die Schleusentür und ging hindurch.
Geary stutzte, als ihm auffiel, dass es auf der anderen Seite keine saubere Atmosphäre gab. »Auch noch eine Pseudo-Luftschleuse?«
»Ja, natürlich.« Der Admiral machte eine ausholende Geste. »Wir glauben, dass das hier ein Bereich war, in dem sich die Kiks sportlich betätigt haben. Der Raum war größtenteils leer, ausgenommen Objekte, die von ihrer Größe her wie Sportgeräte für Kiks wirkten. General Carabali hat auf Bitten von Major Dietz zwei Persische Esel rübergeschickt.« Er deutete auf ein gedrungenes Objekt, das in der Mitte des Raums stand. »Hier ist einer. Hat man Sie davon in Kenntnis gesetzt, was die Esel machen, Admiral?«
»Ja, wir haben sie seinerzeit bei Heradao eingesetzt.« Geary näherte sich dem Objekt, das keinerlei Ähnlichkeit mit einem echten Esel aufwies. »Täuschausrüstung der Marines. Die Dinger können ein umfassendes Spektrum an Signalen und Signaturen verbreiten, mit dem sich praktisch alles simulieren lässt.«
Major Dietz nickte. »Von einem ausladenden Hauptquartier bis hin zu weit verstreuten gepanzerten Bodentruppen, die auf den Feind zumarschieren«, sagte er. »Die Esel sind nicht sehr groß, aber in ihnen stecken Scharen von kleinen Nebenbei-Attrappen, die ausschwärmen und alle nur denkbaren Signaturen aussenden können, um die Anwesenheit von Personal zu simulieren. Kommunikationen, Bruchstücke von Unterhaltungen, Infrarot-Signaturen, seismische Stöße, die Schritte oder in Bewegung befindliches Gerät imitieren, Geräusche von Waffen oder Systemen – was immer Sie wollen. Dieser spezielle Esel ist so eingestellt worden, dass er den Eindruck erweckt, als ob dieses Abteil mit Ausrüstung zur Maschinenkontrolle vollgestopft ist und als ob es hier von Personal wimmelt, das diese Ausrüstung bedient.«
»Schön«, lobte Geary zufrieden. »Und wo ist der andere Esel?«
»Ein Stück weit von hier entfernt in einem Bereich, der von den Syndik-Sensoren als Brücke identifiziert werden wird«, entgegnete Dietz und wirkte ein klein wenig von sich eingenommen.
Geary lächelte, auch wenn die Geister um ihn herum das Ganze mit Missbilligung zu betrachten schienen. »Eine Pseudo-Brücke, eine Pseudo-Maschinenkontrolle. Diese Esel werden jeden, der sich an Bord schleicht, in Bereiche des Schiffs locken, an denen nicht das Geringste zu finden ist, was von Bedeutung für die Kontrolle des Schiffes ist. Können Sie sie auch entdecken, wenn sie sich hierherbegeben?«
»Nicht so leicht, wenn sie voll getarnt sind«, sagte der Major. »Darum haben wir die Zugangswege mit Sensoren gepflastert, die uns melden, wenn hier jemand vorbeikommt. Mit dem, was wir haben, können wir nicht das gesamte Schiff abdecken, aber wir haben die beiden Bereiche im Blick, die als Köder dienen.«
»Sensoren lassen sich überlisten«, gab Geary zu bedenken, da er sich daran erinnerte, was er bei Marines im Einsatz schon alles beobachtet hatte. »Können die Syndik-Truppen Ihre Sensoren entdecken und ausschalten oder irgendwie in die Irre führen?«
Diesmal hörte sich Major Dietz eindeutig überheblich an. »Das können sie, Admiral. Aber wir haben einen Sergeant bei uns, die in ihrer Freizeit ein Technikgenie ist. Sie bastelt immer an irgendwas herum. Sergeant Lamarr hat Täuschsensoren für uns konstruiert.«
»Täuschsensoren? Also Attrappen?«
»Nein, Sir. Besser als Attrappen. Sie sehen aus wie ganz normale Sensoren eines bestimmten Typs. Von außen betrachtet sind es normale Sensoren, auch wenn man noch so genau hinsieht. Wenn sie aktiv sind, dann senden sie die gleichen Signale wie ein normaler Sensor. Aber im Inneren sind sie nicht so konstruiert, um das zu tun, was ein Sensor üblicherweise tut. Vielmehr sind sie so angelegt, dass sie alles registrieren, was man bei einem solchen Sensortyp tun kann, um ihn zu umgehen, zu täuschen oder abzuschalten, ohne dass jemand alarmiert wird.«
Geary hätte fast gelacht. »Sie registrieren nichts anderes als die Methoden, mit denen man Sensoren überlistet? Methoden, die normalerweise nicht zu registrieren sind?«
»Richtig, Sir. Eigentlich wird so was bei einem Sensor mit draufgepackt, was bedeutet, dass diese Fähigkeiten eingeschränkt sind, weil es sich um sekundäre Funktionen handelt. Aber bei einem Lamarr-Sensor ist die Aufdeckung von Manipulationen die primäre und einzige Funktion. Ein Lamarr-Sensor nimmt nichts wahr, es sei denn, jemand will ihn außer Gefecht setzen.«
»Es gibt allerdings ein Risiko dabei«, ergänzte Lagemann. »Wenn man einen Lamarr-Sensor an einer Luke anbringt, und jemand öffnet einfach die Luke, ohne auf den Sensor zu achten, dann bekommt man keine Warnmeldung. Aber wenn dieser Jemand den Sensor entdeckt und ihn seiner Meinung nach abschaltet, dann wissen wir, dass er da ist. Oh, genau genommen sind es zwei Risiken. Es handelt sich außerdem um nichtautorisierte und ungeprüfte Veränderungen an militäreigenen Ausrüstungsgegenständen. Das Flottenhauptquartier könnte uns dafür auf die Finger klopfen.«
Geary atmete schnaubend aus. »Sergeant Lamarrs Vorgesetzte haben diese Art von Sensor nicht genehmigt?«
»Alle Befehlshaber waren von ihrer Entwicklung angetan«, sagte der Major. »Aber als die Idee im Hauptquartier mit der dortigen Bürokratie in Berührung kam, wurde sie rundweg abgelehnt.«
»Soll man gar nicht für möglich halten, nicht wahr?«, fügte Admiral Lagemann ironisch an.
»Ich bin schockiert«, gab Geary im gleichen Ton zurück und musste dabei an die Probleme denken, die das Flottenhauptquartier ihm bereitet hatte. Sosehr er sich auf seine Heimkehr freute, so sehr fürchtete er sich davor, wieder mit dem Hauptquartier zu tun zu haben. »Als Flottenbefehlshaber autorisiere ich hiermit angesichts der besonderen Umstände offiziell einen Feldversuch der modifizierten Ausrüstung. Das liegt doch im Rahmen meiner Kompetenzen, oder?«
»Ich glaube schon, aber Sie müssen gar nicht den Zorn des Hauptquartiers auf sich lenken«, protestierte Lagemann. »Ich gehe an dem Tag in den Ruhestand, an dem wir wieder zu Hause sind, deshalb habe ich kein Problem damit, wenn man den Sensor mit meinem Namen in Verbindung bringt.«
»Ich glaube, man sollte den Sensor wohl eher mit Sergeant Lamarrs Namen in Verbindung bringen.«