Die Midway-Flotte steuerte aus fast entgegengesetzter Richtung auf Gearys Formation zu, um die Schweren Kreuzer der Syndiks noch zu treffen, bevor die sich dem Rest von Boyens’ Flotte anschließen konnten.
Fünf verschiedene Gruppen von Schiffen, die zu drei unterschiedlichen Beteiligten gehörten, stellten nicht gerade eine einfache Situation dar, aber das alles nahm bei Weitem kein Ausmaß von Komplexität an, das Geary überfordert hätte. Solange die Syndiks ihre Vektoren beibehalten, muss ich mir momentan nur Gedanken darüber machen, ob Kommodor Marphissa einen sinnlosen Angriff auf eine Streitmacht durchziehen will, die doppelt so viel Kampfkraft besitzt wie ihre eigene. Sollte ich …
Geary zuckte verdutzt zusammen, als einer der Leichten Kreuzer der Syndiks plötzlich explodierte. »Was ist denn da passiert?«
Alle auf der Brücke Anwesenden waren so überrascht, dass es fast drei Sekunden dauerte, ehe überhaupt eine Reaktion kam.
»Auf diesen Leichten Kreuzer wurde nicht gefeuert«, stellte Lieutenant Yuon fest.
»Er ist einfach so explodiert?«, warf Desjani ungläubig ein.
»Er wurde jedenfalls nicht von irgendeiner Waffe getroffen, die wir hätten sehen können«, betonte Lieutenant Yuon. »Wir sind noch immer außer Feuerreichweite, die Midway-Flotte ebenfalls. Und von den Syndik-Schiffen hat auch niemand das Feuer eröffnet.«
»Könnte die Midway-Flotte das irgendwie anders bewerkstelligt haben? Durch eine umhertreibende Mine?«, wollte Desjani wissen.
Lieutenant Castries schüttelte den Kopf. »Unsere Sensoren zeigen an, dass es sich um eine Explosion im Inneren gehandelt hat, Captain. Das kann nicht durch eine Mine verursacht werden.«
»Captain«, meldete sich Lieutenant Yuon zu Wort. »Wir empfangen Hinweise, die auf eine Überladung des Antriebs schließen lassen. Allerdings sagen unsere Systeme auch aus, dass es keine Warnsignale gegeben hat, keinerlei Anzeichen für irgendwelche Probleme mit dem Antrieb. Er ist einfach explodiert.«
»Keinerlei Warnhinweise, dass es ein Problem gibt …«, überlegte Desjani und betätigte eine interne Komm-Kontrolle. »Chefingenieur, kann ein Antrieb explodieren, ohne dass er zuvor irgendwelche Anzeichen für eine Instabilität erkennen lässt?«
»Unmöglich, Captain«, antwortete der Chefingenieur. »Irgendetwas hätte auf jeden Fall auffallen müssen. In dem Fall veränderte sich der Zustand von einer Sekunde zur nächsten von ›Bestens‹ in ›Lebensgefährlich‹. Dafür kann es nur eine Erklärung geben.«
Desjani wartete einige Sekunden lang, dann hakte sie nach: »Und welche?«
»Oh. Entschuldigen Sie, Captain. Jemand hat den Antrieb absichtlich detonieren lassen, alles andere ergibt keinen Sinn.«
»Ein vorsätzlicher Akt?«, warf Geary ein. »Warum sollte jemand so etwas machen?«
»Wenn ich das wüsste, Admiral. Nicht mal Syndiks kommen normalerweise auf so dumme Ideen.«
»Admiral!« Das Gesicht des leitenden Geheimdienstoffiziers der Dauntless, Lieutenant Iger, war vor Geary in einem virtuellen Fenster aufgetaucht. »Wenn wir die Daten richtig interpretieren, dann hat dieser Leichte Kreuzer der Syndiks ungefähr drei Minuten vor der Explosion seine Verbindung zum Kommando- und Kontrollnetz der Syndiks getrennt.«
»Er hat was?« Geary sah zu Desjani und erkannte, sie war zum gleichen Schluss gekommen wie er. »Kommt das nicht einer Meuterei gleich?«
»Ja, Admiral«, pflichtete Iger ihm zögerlich bei. »Das könnte es bedeuten. Allerdings verfügen wir nicht über genügend Daten, um eine solche Schlussfolgerung zu bestätigen oder zu widerlegen.«
»Haben Sie eine andere Erklärung, wieso ein Schiff plötzlich explodiert? Haben wir vor der Explosion irgendwelche Signale aufgefangen, die vom Flaggschiff an diesen Leichten Kreuzer gesendet wurden?«
»Nein, Admiral, aber ein Impuls, der auf einer speziellen Frequenz gesendet wird, ist für uns nur sehr schwer feststellbar. Wir müssten sämtliche abgefangenen Signale vollständig durchsuchen, ob sich unter ihnen irgendwelche ungewöhnlichen Übermittlungen befinden.«
»Denken Sie, die haben ihr eigenes Schiff zerstört, um die Meuterer am Entkommen zu hindern?«, fragte Desjani an Geary gewandt.
»Wenn ich bedenke«, erwiderte er, »was ich über die Syndik-Führer und darüber weiß, wie viele von ihren eigenen Schiffen sich abgesetzt haben, nachdem sie an Bord alle Agenten der Inneren Sicherheit ausgeschaltet haben, dann würde ich sagen, dass die Syndik-Führer sich irgendeine zusätzliche Schutzmaßnahme ausgedacht haben.«
Iger hatte dem Austausch aufmerksam zugehört und nickte zustimmend. »Admiral, dieses gesamte Sternensystem ist übersät mit Satelliten, die Daten sammeln und weiterleiten. Wenn ein Signal gesendet wurde, das so wichtig ist, dann werden wir es auch finden.«
»Für die Syndiks ist es wichtig«, sagte Geary. »Wollen Sie sagen, es ist auch für uns wichtig?«
»Ja, Sir. Wenn wir dieses Signal finden und analysieren können, dann sollten wir in der Lage sein, es zu kopieren und es selbst zum Einsatz zu bringen, falls sich die Notwendigkeit dazu ergeben sollte.«
Desjani beugte sich grinsend rüber. »Sie meinen, wir können ihre Schiffe explodieren lassen, indem wir deren eigene Vorsichtsmaßnahme nutzen? Mir gefällt Ihre Denkweise, Lieutenant.«
»Es gibt keine Garantie dafür, dass uns das möglich sein wird, Captain. Selbst wenn wir das Signal herausfiltern können, sind möglicherweise für jedes Kriegsschiff spezifische Codes und Authentifizierungserfordernisse zu beachten. Aber falls die Syndiks ein paar Abkürzungen genommen haben, um ein solches System schnell auf ihren Schiffen zu installieren, dann könnten sie die eine oder andere Tür sperrangelweit offen gelassen haben.«
»Captain?«, warf Lieutenant Castries ein. »Die Midway-Flotte hat ihren Vektor geändert.«
Geary sah wieder auf sein Display und stellte fest, dass die Midway-Schiffe nun eine weitere Kurve flogen, die sie näher an den Stern heranbrachte und den Abstand zu den Schweren Kreuzern der Syndiks vergrößerte. Als er diese Flugbewegung betrachtete, kam ihm auf einmal die Erklärung dafür in den Sinn.
»Die wollten nicht angreifen.«
»Was?«, fragte Desjani verwundert.
»Die Midway-Flotte. Die wollten keinen von den Schweren Kreuzern attackieren. Sie wollten nur für den Fall nahe genug an die Formation herankommen, dass irgendein Kreuzer oder Jäger sich zur Meuterei entschließen sollte. Dann hätten sie sich von ihrer Position aus schützend vor das jeweilige Schiff schieben können.«
Rione lachte wie eine Lehrerin, deren Lieblingsschüler soeben auf die richtige Antwort gestoßen war. »Ja, Admiral, das war vermutlich ihre Absicht. Präsidentin Iceni hat mir gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, dass sie und Drakon den Syndik-Schiffen wiederholt Mitteilungen geschickt haben, um sie zur Meuterei zu bewegen.«
»Und nachdem sie gesehen haben, wie der Leichte Kreuzer explodiert ist«, meldete sich Charban zu Wort, »wussten sie, dass die Syndiks vorgesorgt haben, damit keine Crew sich mit ihrem Schiff absetzen kann.« Er schüttelte den Kopf. »Haben deren Anführer immer noch nicht begriffen, dass kurzfristige Maßnahmen das eigentliche Problem nicht aus der Welt schaffen können?«
»Immerhin haben sie ein Schiff am Überlaufen gehindert«, betonte Desjani.
»Und dafür einen Leichten Kreuzer geopfert«, sagte Charban. »Das Schiff haben sie so oder so verloren, und jetzt werden sich die Mannschaften auf anderen Schiffen damit beschäftigen, wie sich diese Schutzmaßnahme der Anführer überlisten lässt. Das wird ihnen auch gelingen, denn die Leute finden immer einen Weg, wie sie die genialen Pläne ihrer Vorgesetzten durchkreuzen können, und dann werden Meutereien erfolgreich verlaufen. Auf kurze Sicht ist es natürlich einfacher, etwas in die Luft zu sprengen, anstatt sich auf Fehlersuche zu begeben und diese Fehler zu korrigieren. Aber es ist keine Lösung. Es ist nur ein Versuch, etwas vor sich herzuschieben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sich ein Problem lösen lässt.«