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»In zehn Minuten sind wir in Feuerreichweite der Syndik-Flotte«, warnte Lieutenant Yuon.

Geary betrachtete die noch verbleibende Strecke und hoffte darauf, dass Boyens sich nicht in letzter Sekunde noch für eine theatralische und selbstmörderische Geste entschied. Die Gefechtssysteme der Allianz-Formation waren bereits damit beschäftigt, Ziele auszuwählen und sie bestimmten Waffengattungen zuzuteilen, um feuerbereit zu sein, wenn sie die Syndiks erreichten und der Befehl erteilt wurde. Geary beschloss, noch eine Nachricht zu senden. »CEO Boyens, sollten Sie oder eine andere Formation der Syndikatwelten noch einmal ohne Genehmigung in dieses System eindringen, dann sollten Sie auch darauf gefasst sein, die Konsequenzen Ihres Handelns zu tragen. Geary Ende.«

»Nicht dass ich etwas dagegen einzuwenden hätte, wenn Sie den Syndiks drohen«, sagte Desjani. »Aber warum glauben Sie, dass sie davon noch Notiz nehmen werden?«

»Wegen einer anderen Sache, an der ich Captain Smythes Ingenieure habe arbeiten lassen. Das Licht von diesem Ereignis sollte jetzt jeden Moment zu sehen sein. Mir wäre es zwar früher lieber gewesen, aber das muss so auch genügen.«

Die Sirenen der Gefechtssysteme an Bord der Dauntless gellten los, auf den Displays wurde in der Ferne eine Bewegung angezeigt. An der Midway-Werft, die um einen weit entfernten Gasriesen kreiste, tauchte das neue Schlachtschiff Midway auf. Nach allen Sensoranzeigen zu urteilen, war die Midway voll einsatzfähig und gefechtsbereit.

»Ihr neues Schlachtschiff ist fertig?«, fragte Desjani und klang, als wüsste sie nicht, ob sie sich freuen oder Sorgen machen sollte.

»Nicht mal annähernd. Vieles ist nur Fassade, um das Schiff in vollem Umfang einsatzbereit erscheinen zu lassen. Boyens wird glauben, dass Midway nun über ein eigenes Schlachtschiff verfügt, das sich dem nächsten Syndik-Angriff in den Weg stellen wird.«

»Und er wird diese Neuigkeiten seinen Vorgesetzten überbringen«, warf Rione ein. »Sehr schön, Admiral.«

»Und wenn die Syndiks in nächster Zeit einen erneuten Angriff unternehmen?«, fragte Charban.

»Ich tue was ich kann«, sagte Geary und sah zu Desjani, »mit dem, was mir zur Verfügung steht.«

»Sie versuchen, mit der Realität klarzukommen?«, merkte Charban an. »Wie haben Sie es mit dieser Einstellung zu einem so hohen Posten gebracht?«

»Das frage ich mich auch jeden Tag aufs Neue.« Auf seinem Display war die Syndik-Flotte nun wieder geschlossen unterwegs, alle Schiffe hielten auf das Hypernet-Portal zu und waren weniger als eine Minute von dem Punkt entfernt, an dem Geary den Feuerbefehl geben konnte.

Desjani sah ihn fragend an, ihre Hand befand sich in der Nähe ihrer Waffenkontrollen. Jeder auf der Brücke schaute erwartungsvoll zu ihm, da sie alle seine nächsten Worte hören wollten.

In diesem Moment verschwand die Syndik-Flotte im Hypernet-Portal.

Erleichtert atmete er auf. »An alle Einheiten der Formation Alpha: Verringern Sie Ihre Geschwindigkeit auf 0,02 Licht, und drehen Sie bei Zeit drei null um eins neun null Grad nach Backbord. Alle Einheiten kehren zu normalem Bereitschaftsstatus zurück.«

Desjani wirkte gedankenverloren, als sie die Befehle weiterleitete. »Sind Sie unzufrieden, dass es geklappt hat?«, fragte er sie lächelnd.

Sie blieb ernst. »Wir hätten ihn eliminieren sollen. Jetzt werden wir es irgendwann wieder mit ihm und diesem Schlachtschiff zu tun bekommen.«

»Das könnte passieren«, räumte er ein. »Aber ich wollte nicht hier und jetzt den Krieg wiederaufleben lassen.«

»Das kann man so auslegen, dass Sie davon ausgehen, den Krieg an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit wiederaufleben zu lassen.«

Er wollte das sofort leugnen, aber er war von großer Ungewissheit erfasst, die dafür sorgte, dass ihm seine Widerworte gar nicht erst über die Lippen kamen.

Das Einzige, was die Erste Flotte jetzt noch bei Midway verharren ließ, waren abschließende Reparaturarbeiten und der Transfer von Personal zwischen den Schiffen. Letzteres geschah natürlich nicht als Nachgedanke. Einige Menschen, die bis vor Kurzem von den Enigmas gefangen gehalten worden waren, sollten den Behörden vor Ort überstellt werden. Es waren Leute, die aus Midway und den umliegenden Systemen stammten und die jetzt nichts lieber wollten, als endlich heimzukehren. Dr. Nasr und Geary waren beide der Ansicht, dass die Heimkehr für diese ehemaligen Gefangenen nicht ganz so sehr die Erfüllung eines Traums sein würde, wie diese Leute es sich erhofften und wünschten, doch diese Individuen besaßen natürlich das Recht, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden.

Die Reparaturen waren nur in dem Sinn abschließend, dass es sich um alle Arbeiten handelte, die sich hier erledigen ließen. Nur bei ein paar von Gearys Schiffen würde es nach der Heimkehr nicht nötig sein, noch irgendwelche weiteren Defekte zu beheben. Außerdem kam es nach wie vor zum wahllosen Ausfall von Schiffssystemen, die ihre geplante Lebenserwartung erreicht hatten. Kurios war dabei, dass solche Ausfälle immer dann gehäuft auftraten, wenn Geary gerade das Gefühl bekam, dass es um den Zustand seiner Flotte doch nicht so schlecht bestellt war.

»Wir könnten noch die nächsten sechs Monate hier verbringen«, erläuterte Captain Smythe, dessen Abbild in Gearys Quartier an Bord der Dauntless stand, während der Mann selbst sich nach wie vor auf der Tanuki befand, »und trotzdem würde ich den Wettlauf nicht gewinnen. Nicht, wenn ich nur acht Hilfsschiffe habe und mich um so viele alte Schiffe kümmern soll.«

Alte Schiffe. Damit bezeichnete er Schiffe, die erst vor zwei oder drei Jahren in Dienst gestellt worden waren und die man mit der Erwartung in den Krieg geschickt hatte, dass sie ohnehin in den nächsten Jahren zerstört werden würden. »Sie und Ihre Ingenieure haben wahre Wunder bewirkt«, betonte Geary. »Bei einigen Schiffen hätte ich nicht gedacht, dass sie so lange durchhalten würden.«

»Man muss schon schwere Geschütze auffahren, um ein Schlachtschiff der Guardian-Klasse kleinzukriegen, Admiral«, machte Smythe ihm klar. »Es ist die Panzerung, die sie in einem Stück zusammenhält, auch wenn sie eigentlich längst in ihre Einzelteile zerfallen müssten. Außerdem ist es ja nicht so, dass ein Raumschiff sinkt, nur weil es ein paar Löcher im Rumpf hat.«

»Sinkt?«

»Sie wissen schon«, redete Smythe weiter. »Wenn ein Schiff oder ein Boot auf einem planetaren Ozean schwimmt und es hat ein Loch im Rumpf, dann strömt Wasser ins Innere, und wenn es zu viel Wasser ist, dann versinkt es im Wasser. Es gibt allerdings auch Boote, die sind extra so konstruiert, dass sie versinken. Unterseeboote nennt man die, glaube ich. Aber die tauchen auch wieder auf. Ein Schiff dagegen, das sich auf der Wasseroberfläche bewegen soll, ist ein Totalverlust, wenn es versinkt. So hat man Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer auf Ozeanen vernichtet. Man musste nur genug Löcher in den Rumpf schießen, dann sind sie gesunken. Ich schätze, ein paar hat man auch in die Luft gesprengt, aber meistens ging es darum, sie zu versenken.«

Geary sah Smythe verdutzt an. »Warum konnten die Besatzungen ihre Schiffe nicht weiter bedienen? Wieso hat das so viel ausgemacht, dass sie unter Wasser waren?«

»Sie hatten keine Schutzanzüge, Admiral. Sie konnten nicht atmen! Und die Maschinen arbeiteten nicht unter Wasser. Das waren Verbrennungsmotoren und … ähm … Dampfmaschinen und … na ja … und auch noch andere Antriebsmethoden, die Sauerstoff und Feuer benötigten … und anderes Zeugs.«

»Zeugs?«, gab Geary amüsiert zurück. »Ist das ein technischer Fachbegriff?«