»Aber sie haben Ihnen das Leben gerettet«, wandte Desjani in einem trügerisch freundlichen Tonfall ein.
»Wir möchten den Tänzern dafür danken, dass sie das Enigma-Bombardement abgelenkt haben, das unsere Welt hatte treffen sollen«, sagte Malin, ehe sich Morgan erneut zu Wort melden konnte. »Wir würden ihnen gern persönlich danken, wenn Sie ihnen das ausrichten könnten.«
»Ich werde es weiterleiten«, gab Geary unverbindlich zurück.
»General Drakon lässt außerdem die persönliche Bitte ausrichten, dass wir Zugang zu dem Schiff erhalten, das Sie Invincible nennen, Admiral. Uns ist klar, dass jeder Zugang erheblich eingeschränkt wäre und …«
»Nein«, unterbrach Geary ihn. »Wir wissen noch zu wenig über das Schiff. Ich weiß von Ihrem General, wie besorgt Sie alle sind, dass gut getarnte Spione der Syndikatwelten in diesem Sternensystem noch immer ihr Unwesen treiben. Ich kann nicht das Risiko eingehen, dass unsere bislang mageren Erkenntnisse über das Schiff in die Hände des Syndikats gelangen. Colonel, Sie wissen so gut wie ich, dass keines Ihrer bislang vorgetragenen Anliegen einen persönlichen Besuch auf diesem Schiff rechtfertigt. Was also wollen Sie wirklich?«
Malin nickte und schaute so drein wie ein Mann, der seinen Gegner dafür bewundert, dass er sich nicht hat täuschen oder ablenken lassen. »Es hat sich eine Gelegenheit ergeben, Admiral. Eine Gelegenheit, um eine Sache aus der Welt zu schaffen, die Sie genauso betrifft wie General Drakon und Präsidentin Iceni. Solange CEO Boyens eine Flotte der Syndikatwelten befehligt, die sich in unserem System aufhält und die stärker ist als unsere mobilen Streitkräfte, können wir nicht in Sicherheit leben. Ihr bisheriges Handeln und Ihre Gespräche mit unseren Vorgesetzten haben General Drakon und Präsidentin Iceni zu der Ansicht gelangen lassen, dass Ihnen auch daran gelegen sein dürfte, vor Ihrer Abreise mitansehen zu können, wie CEO Boyens mit seiner Flotte unser System verlässt.«
»Oder – wenn Sie in der Laune sind – einen Anlass zu finden, diese Flotte zu zerstören«, ergänzte Colonel Morgan und lächelte dabei flüchtig, als spiele sie auf einen Witz an, der ihnen allen geläufig war.
»Was für ein Anlass sollte das sein?«, fragte Geary, ohne dabei Morgan unmittelbar anzusprechen. Je länger er sie um sich hatte, umso beunruhigender wirkte sie auf ihn. Das lag nicht nur an ihrem attraktiven Aussehen, sondern auch an dieser lässigen Haltung; wie bei einem Panther, der wusste, wie überlegen er war und wie schnell und tödlich er zuschlagen konnte. Colonel Morgan war eine gefährliche Frau, und sie war von einem völlig anderen Schlag als Tanya. Es ärgerte Geary, dass ein Teil von ihm die von ihr ausgehende Bedrohung als faszinierend empfand.
Er wusste nicht, inwieweit Tanya ihm das anmerkte. Ihr Blick war auf Malin gerichtet, nicht auf Morgan. Allerdings hatte er diese Art von Irreführung bei Desjani schon früher beobachtet. Morgan hatte Tanyas Haltung vermutlich auch gespürt, weshalb sie mit nachlässig überspielter Belustigung reagierte, was Tanya nur noch mehr provozierte.
Doch dann bemerkte Geary, wie Desjani sich deutlich entspannte und selbst ein Lächeln aufsetzte. Ein taktischer Zug. Sie hatte Morgans Absicht analysiert und daraufhin ihre eigene Herangehensweise der Situation angepasst.
Malin, der wie Geary so tat, als hätte er nichts von dem mitbekommen, was sich zwischen Desjani und Morgan abspielte, redete unbeirrt weiter: »Einen Anlass könnte der Schwere Kreuzer bieten, der vor Kurzem in unserem System eingetroffen ist. C-712 hat unser Angebot abgelehnt, hier in Midway zu bleiben. Wir haben daraufhin angeboten, einen unserer eigenen Schweren Kreuzer C-712 als Eskorte zur Seite zu stellen, damit sie ihr Heimatsystem sicher erreichen können.«
»Wie nett von Ihnen«, kommentierte Desjani in einem sachlichen, wenn auch aufgesetzten Tonfall.
»Jemandem einen wichtigen Gefallen zu tun, ist ein Mittel, um neue Freunde zu gewinnen, und Midway kann derzeit jeden neuen Freund gebrauchen«, erwiderte Malin. »Freunde, die Schwere Kreuzer besitzen, können besonders nützlich sein, wenn Sie erst wieder von hier abgereist sind, Admiral. Solche Freunde können uns jetzt einen Gefallen tun, ohne es selbst zu wissen. General Drakon und Präsidentin Iceni schlagen eine Vorgehensweise vor, die unsere Eskorte einbezieht und die Ihren Interessen genauso dienen würden wie unseren, Admiral. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir uns Boyens vornehmen, vorausgesetzt, wir unternehmen alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass er nicht einmal ahnt, dass wir ihm eine Falle stellen.«
Geary hatte keine Probleme, Desjanis wortlose Reaktion zu deuten. Nein. Keine Abmachungen mit den Syndiks. Keine »Zusammenarbeit« mit Syndiks.
Aber es konnte nicht schaden, sich anzuhören, was genau die beiden ihnen vorschlagen wollten. »Sagen Sie uns, was Ihnen vorschwebt«, forderte er Malin auf.
Sie hatten die beiden Colonels zum Shuttle begleitet, und nachdem das Schiff den Hangar verlassen hatte, drehte sich Geary zu Desjani um und sah sie fragend an.
»Nein.«
»Und wieso nicht?«, wollte er wissen.
»Weil wir ihnen nicht vertrauen können.« Sie deutete auf die Stelle, an der sich eben noch das Shuttle befunden hatte. »Wie krank im Kopf muss man sein, um sich einen solchen Plan auszudenken?«
»Aber der Plan könnte funktionieren und unser Problem namens Boyens lösen.«
Desjani legte die Stirn in Falten und zuckte mit den Schultern. »Könnte sein. Was werden Sie nun machen?«
»Wir müssen uns die Idee von mindestens einem der Allianz-Gesandten absegnen lassen, sonst geht das nicht. Ich werde ihnen vorlegen, was Colonel Malin vorgeschlagen hat, und dann werden wir ja sehen, was sie dazu sagen.«
»Das dürfte interessant werden. Ich möchte zu gern wissen, wie sie auf den Vorschlag reagieren, dass Sie diesen Plan als Vorwand benutzen, um Boyens’ Schlachtschiff zu zerstören.« Desjani sah ihn mit ironischer Miene an. »Apropos – Ihnen schien nicht zu gefallen, wie viel Aufmerksamkeit Colonel Morgan Ihnen geschenkt hat.«
»Sie hat nicht …«
»Nein, natürlich nicht. Nicht im Geringsten. Hey, Mr. Admiral, wollen Sie mal vom Apfel abbeißen? Sie müssen mir nur zuzwinkern.«
»Ich habe nicht …«
»Nein, das weiß ich. Dafür sind Sie auch viel zu intelligent.«
»Tanya, ich bin mir sicher, sie wusste gar nicht, dass ich verheiratet bin.«
»Bei den Vorfahren! Meinen Sie wirklich, das hätte sie gekümmert?«
Desjani hielt inne, obwohl sie eigentlich im Begriff war, auf die Brücke zurückzukehren. Ihr Verhalten war das eines Menschen, der mit sich selbst rang. »Bevor Sie in dieser Sache eine Entscheidung treffen, müssen Sie mit mir mitkommen.« Mehr sagte sie nicht, und er folgte ihr verwundert, bis sie vor Tanyas Quartier standen. »Wir müssen für ein paar Minuten unter vier Augen riskieren, dass die Leute über uns reden. Aber es geht nicht anders.«
»Wieso?« Er hatte ihr Quartier nur äußerst selten aufgesucht, um den Abstand zu ihr einzuhalten, den die Disziplin an Bord erforderte.
»Drinnen.« Tanya wartete, bis Geary eingetreten war, dann folgte sie ihm und verschloss die Luke. Einen Moment lang stand sie nur da und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Hören Sie, ich weiß, dass viele von den Dingen, die wir vor Ihrem Auftauchen im Krieg getan haben, gegen Ihr Ehrgefühl verstoßen.«
»Aber Sie haben aufgehört …«
»Warten Sie.« Sie ließ ihre Hand sinken und sah ihn offen und ehrlich an. »Wenn Sie wollen, dass dieses Syndik-Schlachtschiff verschwindet, dann lässt sich das arrangieren, ohne dass eine Spur zum Verursacher führt. Und ohne dass wir mit Leuten kooperieren, die zwar von sich behaupten, keine Syndiks mehr zu sein, die aber immer noch genau wie Syndiks denken.«
»Und wie soll es geschehen, dass dies Schiff verschwindet?«