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Man konnte ihm nicht einmal böse sein.

»Was wolltest du als kleiner Junge werden, Ignat?«, fragte ich.

»Krankenpfleger.«

»Was?«

»Na ja, es hieß, dass Jungs nicht Krankenschwester werden können, und ich wollte Menschen gesund machen. Deshalb beschloss ich, Krankenpfleger zu werden, wenn ich groß bin.«

»Klasse«, begeisterte ich mich.»Und warum nicht Arzt?«

»Die Verantwortung war mir zu groß«, gestand Ignat selbstkritisch ein.»Außerdem hätte ich zu lange studieren müssen.«

»Und? Bist du Krankenpfleger geworden?«

»Ja. Ich bin im Notarztwagen mitgefahren, für die Psychiatrie. Alle Ärzte haben gern mit mir zusammengearbeitet.«

»Warum?«

»Erstens weil ich sehr charmant bin«, lobte sich Ignat treuherzig selbst.»Ich konnte sowohl mit Frauen wie auch mit Männern auf eine Weise reden, dass sie sich beruhigten und einer Einlieferung ins Krankenhaus zustimmten. Zweitens sah ich, wann ein Mensch wirklich krank war und wann er das Unsichtbare sah. Manchmal konnte ich jemanden beiseite ziehen, ihm klar machen, dass alles in Ordnung sei und wir auf eine Spritze verzichten könnten.«

»Der Medizin ist einiges entgangen.«

»Ja.«Ignat seufzte.»Aber der Chef hat mich überzeugt, dass ich der Wache von größerem Nutzen sein würde. Und das stimmt doch auch, oder?«

»Sicherlich.«

»Ich langweile mich hier schon«, meinte Ignat nachdenklich.»Du nicht? Ich sehne mich bereits nach der Arbeit.«

»Ich wahrscheinlich auch. Hast du ein Hobby, Ignat? Neben der Arbeit?«

»Was fragst du mich denn so aus?«, wunderte sich der Magier.

»Ich bin einfach neugierig. Oder ist das ein Geheimnis?«

»Was haben wir schon für Geheimnisse?«Ignat zuckte mit den Schultern.»Ich sammel Schmetterlinge. Habe eine der besten Kollektionen weltweit. Die nimmt zwei Zimmer ein.«

»Alle Achtung«, meinte ich.

»Besuch mich doch mal und schau sie dir an«, schlug Ignat vor.»Mit Sweta, sie sagt, Schmetterlinge würden ihr auch gefallen.«

Ich lachte so lange, dass sogar Ignat es kapierte. Er stand auf und lächelte unsicher.

»Ich helf den andern mal beim Frühstück«, murmelte er.

»Viel Erfolg«, entgegnete ich bloß. Konnte mir dann aber nicht verkneifen, unserm lichtbringenden Casanova, sobald er die Tür erreicht hatte, hinterherzurufen:»Hör mal, der Chef macht sich doch umsonst Sorgen um Sweta, oder?«

Ignat fasste sich mit beredter Geste ans Kinn.»Du weißt doch, dass er sich nicht umsonst Sorgen macht«, sagte er.»Sie ist wirklich nervös, kann sich einfach nicht entspannen. Dabei warten große Aufgaben auf sie, was man von uns ja nicht gerade behaupten kann.«

»Aber du hast dir alle Mühe gegeben?«

»Was für eine Frage!«Ignat war gekränkt.»Kommt mich mal besuchen, ehrlich, ich würd mich freuen!«

Inzwischen war der Gin warm, schmolz das Eis im Glas. Am Strohhalm prangte ein leichter Abdruck von Lippenstift. Ich schüttelte den Kopf und stellte das

Glas hin.

Geser, du kannst nicht alles voraussehen.

Aber um mich mit dir nicht auf ein magisches Duell einzulassen - allein der Gedanke daran ist absurd -, sondern um auf dem einzigen Gebiet zu kämpfen, das mir zugänglich ist, auf dem Feld aus Wörtern und Taten, muss ich wissen, was du vorhast. Muss wissen, wie die Karten im Stapel liegen und welche du in der Hand hältst.

Wer spielt alles mit?

Geser - der Organisator und Inspirator. Olga - seine Geliebte, die bestrafte Zauberin und Ratgeberin. Swetlana - die eifrig gehegte Vollstreckerin. Ich - eines der Werkzeuge zu ihrer Erziehung. Ignat, Tigerjunges, Semjon und alle anderen Lichten können vernachlässigt werden. Sie sind ebenfalls Werkzeuge, wenn auch von geringerer Bedeutung. Auf sie kann ich nicht zählen.

Die Dunklen?

Natürlich spielen sie eine Rolle, aber keine offensichtliche. Sowohl Sebulon wie auch all seine Handlanger sind durch das Auftauchen von Swetlana in unserem Lager beunruhigt. Können aber nichts direkt dagegen tun. Entweder müssen sie klammheimlich eine Intrige spinnen oder einen derart vernichtenden Schlag vorbereiten, dass er die Wachen an den Rand des Krieges bringt.

Was noch?

Die Inquisition?

Ich trommelte mit den Fingern auf die Armlehne des Liegestuhls.

Die Inquisition. Die Struktur über den Wachen. Sie betrachtet alle Streitfälle, bestraft Gestrauchelte - auf beiden Seiten. Sie wacht. Sammelt Informationen über jeden von uns. Interveniert aber nur in seltenen Fällen, ihre Kraft liegt wohl eher in der Geheimhaltung als in der Kampfstärke. Wenn die Inquisition den Fall eines ziemlich mächtigen Magiers betrachtet, zieht sie Kämpfer von den Wachen hinzu.

Trotzdem - die Inquisition ist involviert. Ich kenne den Chef. Er schlägt aus allem mindestens zwei, drei Vorteile für sich heraus. Vor kurzem diese Geschichte mit Maxim, dem wilden Anderen, dem Lichten, der nun für die Inquisition arbeitet, ist nur ein Beispiel. Der Chef hat Swetlana in diese Sache verwickelt, um ihr eine Lektion in Selbstkontrolle und Intrigenspiel zu erteilen, nebenbei aber auch einen neuen Inquisitor entdeckt.

Wenn ich nur wüsste, worauf Swetlana vorbereitet wird!

Noch versinkt alles um mich herum in Dunkelheit. Und was das Schlimmste ist - ich entferne mich vom Licht. Ich stöpselte die Kopfhörer ein, schloss die Augen.

Heute Nacht, wenn so wunderbunt der Farn sich entrollt,

Heute Nacht, wenn der Hausgeist nach Hause sich trollt,

Nördlich Sturm geballt, Wind von Westen kalt,

Also winkt mit der Hand mir die Zauberin bald.

Wie die Mauser in der Tasche wart ich auf ein Wunder,

Wie im Netz die Spinne lauert,

Wie ein Baum in Ödnis kauert,

Wie der schwarze Fuchs im Bau darunter.

Das ist riskant. Sehr riskant. Die Großen Zauberinnen gehen über die eigenen Leute hinweg, aber selbst sie würden es nicht wagen, gegen die eigenen Leute anzugehen. Einzelgänger überleben nicht.

Durchs Fernrohr bin ich geflohen vor ängstlichen Kinderaugen,

Mit der Nixe wollte ich schlafen - nun ja, das konnte nichts taugen.

Ich wollt in dein Fenster fahren verwandelt als Straßenbahn.

Vom Stadtrand her weht der Wind - egal, was liegt daran?

Vom Stadtrand her weht der Wind - egal, was liegt daran?

Sei mir Schattenkontur, knarr wie Dielen im Flur,

Bunter Sonntag, mein sprühender Regen.

Sei mein Gottesbild, Birkensaft, der quillt,

Klingel, die da schrillt, mein verbogener Degen.

Ich lache und weiß ja, du bist der Wind,

Der mir entgegenweht;

Ich kämpfe um dich, solang ich es noch bin,

Der durch die Träume dir geht.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter.

»Guten Morgen, Sweta«, sagte ich und öffnete die Augen.

Sie trug Shorts und einen Badeanzug. Das Haar war feucht und ordentlich gekämmt. Vermutlich hatte sie geduscht. Woran ich Schwein nicht mal gedacht hatte.

»Hast du den gestrigen Abend gut überstanden?«, wollte sie wissen.

»Ja. Und du?«

»Ich auch.«Sie wandte sich ab.

Ich wartete. Aus meinen Kopfhörern erklang Splin.

»Was hast du von mir erwartet?«, fragte Sweta

scharf.»Ich bin eine normale, gesunde junge Frau. Seit dem Winter habe ich mit keinem Mann mehr geschlafen. Ich verstehe ja, dass du dir einbildest, Geser habe mich zu dir gebracht wie ein Pferd zum Beschälen, und dich deshalb so komisch aufführst.«