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Die Eule schwieg sich immer noch aus.

Was ich tun musste, wusste ich allerdings sowieso. Dass es dabei nicht die geringste Aussicht auf Erfolg gab, stand auf einem anderen Blatt.

»Und wie soll ich mit dir auf der Schulter durch die Straßen marschieren?«

Ein amüsierter, ein ganz entschieden amüsierter Blick traf mich. Und dann verschwand der Vogel auf meiner Schulter ins Zwielicht.

Auch eine Antwort. Ein unsichtbarer Beobachter. Und nicht nur ein Beobachter - Kostjas Reaktion auf die Eule sprach Bände. Offenbar hatte man mir eine Partnerin gegeben, die die Kräfte des Dunkels weitaus besser kannte als die einfachen Diener des Lichts.

»Schon überzeugt«, sagte ich aufgeräumt.»Aber erst essen wir noch was, ja?«

Ich nahm mir einen Joghurt und goss mir ein Glas Orangensaft ein. Von dem, womit ich mich in der letzten Woche ernährt hatte - halb rohe Beefsteaks und Fleischsaft, der sich kaum von Blut unterschied -, wurde mir schon übel.

»Du hättest wahrscheinlich gern ein Häppchen Fleisch?«

Die Eule drehte sich weg.

»Wie du willst«, sagte ich.»Ich wette, dass du, sobald du was zu futtern willst, eine Möglichkeit findest, dich mit mir zu verständigen.«

Drei

Ich liebe es, im Zwielicht durch die Stadt zu streunen. Dabei wirst du nicht unsichtbar, denn sonst würde man dich permanent anrempeln. Die Leute gucken einfach durch dich hindurch, ohne dich zu bemerken. Doch jetzt musste ich offen arbeiten.

Der Tag ist nicht unsere Zeit. So abstrus das auch klingt, doch die Gefolgsleute des Lichts arbeiten nachts, wenn die Dunklen aktiv werden. Tagsüber bringen die Dunklen dagegen kaum etwas zustande. Vampire, Tiermenschen, die Dunklen Magier müssen am Tage das Leben ganz normaler Menschen führen.

Die meisten zumindest.

Jetzt streifte ich in der Nähe der Metrostation Tulskaja herum. Ich hatte den Rat des Chefs befolgt und zunächst die Haltestellen der Ringlinie abgearbeitet, an denen die junge Frau mit dem schwarzen Höllenstrudel ausgestiegen sein konnte. Sie musste eine Spur hinterlassen haben, die zwar schwach, aber trotzdem noch zu erkennen sein dürfte. Nun beschloss ich, mir die Nord-Süd-Strecken vorzunehmen.

Eine idiotische Station, ein idiotisches Viertel. Zwei Ausgänge, die reichlich weit voneinander entfernt liegen. Ein Markt, der pompöse Wolkenkratzer der Steuerpolizei, ein riesiges Wohnhaus. Überall gab es derart viele Dunkle Emanationen, dass die Spur des schwarzen Strudels nicht ohne weiteres zu finden sein würde.

Vor allem, wenn sie gar nicht hier aufgetaucht war.

Ich lief alles ab, um die Aura der Frau zu erschnüffeln, spähte ab und an durchs Zwielicht auf die unsichtbare Eule, die es sich auf meiner Schulter bequem gemacht hatte. Sie döste vor sich hin. Auch sie spürte nichts, und aus irgendeinem Grund war ich überzeugt davon, dass ihre Fähigkeiten bei dieser Suche die meinen übertrafen.

Einmal kontrollierten Milizionäre meine Papiere. Zweimal belästigten mich ein paar verrückte Jugendliche, die mir völlig umsonst, für lächerliche fünfzig Bucks, einen chinesischen Föhn, Kinderspielzeug und ein billiges Handy aus Korea schenken wollten.

Irgendwann riss mir der Geduldsfaden. Ich verscheuchte den nächsten aufdringlichen Händler und nahm eine Remoralisation an ihm vor. Eine leichte, hart an der Grenze des Erlaubten. Vielleicht würde der Kerl sich danach eine andere Arbeit suchen. Vielleicht auch nicht…

Genau in dem Moment packte mich jemand an den Ellbogen. Gerade eben noch war absolut niemand in meiner Nähe gewesen - jetzt hatte sich hinter mir ein Pärchen aufgebaut. Eine sympathische junge Frau mit rotem Haar und ein kräftiger Typ mit finsterer Miene.

»Ganz ruhig«, sagte die Frau. Von den beiden hatte sie das Sagen, das erfasste ich sofort.»Tagwache.«

Beim Licht und beim Dunkel!

Schulterzuckend sah ich sie an.

»Name«, verlangte die Frau zu wissen.

Es hätte keinen Sinn gehabt zu lügen, denn meine Aura hatten die beiden schon längst aufgenommen, sodass meine Identifizierung nur eine Frage der Zeit gewesen wäre.

»Anton Gorodezki.«

Sie warteten.

»Anderer«, gab ich zu.»Mitarbeiter der Nachtwache.«

Sie gaben meine Ellbogen frei. Und traten sogar einen Schritt zurück. Betreten sahen sie jedoch nicht aus.

»Gehen wir ins Zwielicht«, befahl der Mann.

Anscheinend waren sie keine Vampire. Immerhin etwas. Das ließ auf eine gewisse Objektivität hoffen. Ich seufzte und wechselte von einer Realität in die andere.

Die erste Überraschung bestand darin, dass das Pärchen tatsächlich jung war. Die Hexe musste fünfundzwanzig Jahre alt sein, der Hexer dreißig, genau wie ich. Im Notfall würde ich mich vermutlich sogar an ihre Namen erinnern, denn Ende der Siebziger waren nur wenig Hexen und Hexer geboren worden.

Die zweite Überraschung bestand darin, dass die Eule nicht mehr auf meiner Schulter saß. Genauer gesagt, sie saß schon da. Ich spürte ihre Krallen und konnte sie sehen, allerdings nur, wenn ich mich anstrengte. Offenbar hatte der Vogel zusammen mit mir die Realität gewechselt und war in eine tiefere Schicht des Zwielichts eingedrungen.

Das wurde ja immer interessanter!

»Tagwache«, wiederholte die Frau.»Alissa Donnikowa, Andere.«

»Pjotr Nesterow, Anderer«, brummte der Mann.

»Haben Sie irgendwelche Probleme?«

Die Frau durchbohrte mich mit einem»Hexenblick«, wie er im Buche steht. Von Sekunde zu Sekunde gab sie sich freundlicher, betörender. Gegen diese direkte

Form der Beeinflussung bin ich natürlich gewappnet, mich zu bezirzen ist unmöglich, doch ihr Auftreten bestach durchaus.

»Die Probleme haben nicht wir. Anton Gorodezki, Sie haben einen nicht sanktionierten Kontakt mit einem Menschen aufgenommen.«

»Ja? Und was für einen?«

»Eine Intervention siebten Grades«, gab sie nur ungern zu.»Geringfügig, aber unbestreitbar. Noch dazu haben Sie ihn zum Licht gedrängt.«

»Wollen wir ein Protokoll aufsetzen?«Mit einem Mal erheiterte mich die Situation. Siebten Grades - das ist nicht der Rede wert. Das ist eine Handlung an der Grenze zwischen Magie und einer gewöhnlichen Unterredung.

»Ganz genau.«

»Und was sollen wir schreiben? Der Mitarbeiter der Nachtwache hat in einem Menschen in geringem Maße eine Abneigung gegen Betrug geschürt?«

»Und damit das festgelegte Gleichgewicht gestört«, präzisierte der Hexer.

»Ach ja? Und welchen Schaden nimmt das Dunkel dabei? Wenn der Händler plötzlich mit diesen kleinen Gaunereien aufhört, hat er es zwangsläufig schwerer im Leben. Er wird anständiger, aber unglücklicher. Entsprechend den Kommentaren zum Abkommen über das Gleichgewicht der Kräfte gilt das nicht als Störung des Gleichgewichts.«

»Spitzfindigkeiten«, warf die Hexe ein.»Sie sind Mitarbeiter der Wache. Was man einem gewöhnlichen Anderen nachsehen kann, ist in Ihrem Fall rechtswidrig.«

Sie hatte Recht. Ein kleiner Verstoß, aber trotzdem…

»Er hat mich gestört. Im Zuge einer Ermittlung habe ich das Recht auf magische Intervention.«

»Sind Sie denn im Dienst, Anton?«

»Ja.«

»Und warum am Tag?«

»Ich habe eine Spezialaufgabe. Sie können sich das von der Leitung bestätigen lassen. Genauer, Ihre Leitung kann sich das bestätigen lassen.«

Die Hexe und der Hexer sahen sich an. Auch wenn unsere Ziele und unsere Moral völlig entgegengesetzt waren, arbeiteten unsere Büros doch zusammen.