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Und ehrlich gesagt, keiner von uns zog gern die Leitung hinzu.

»Gut«, stimmte die Hexe zögernd zu.»Anton, wir können es bei einer mündlichen Rüge belassen.«

Ich schaute mich um. Um mich herum, im grauen Dunst, bewegten sich wie in Zeitlupe Menschen.

Normale Menschen, die nicht aus ihrer kleinen Welt herauszukommen vermochten. Wir sind die Anderen, und selbst wenn ich auf der Seite des Lichts stehe und meine beiden Gesprächspartner auf der des Dunkels, verbindet mich mit ihnen weit mehr als mit jedem x-beliebigen einfachen Menschen.

»Zu welchen Bedingungen?«

Mit dem Dunkel darf man sich auf nichts einlassen. Darf keine Kompromisse mit ihm aushandeln. Noch gefährlicher ist es allerdings, Geschenke von ihm anzunehmen. Doch Regeln werden gemacht, um gebrochen zu werden.

»Keine.«

Wer’s glaubt, wird selig!

Ich sah Alissa an und versuchte herauszubekommen, was für ein Spiel sie spielte. Pjotr konnte das Verhalten seiner Partnerin ganz offensichtlich nicht fassen, er kochte vor Wut, denn er hätte den Adepten des Lichts nur zu gern eines Verbrechens überführt. Ihn brauchte ich bei meinen Überlegungen also nicht einzubeziehen.

In welche Falle sollte ich laufen?

»Das kann ich nicht annehmen«, sagte ich, froh, nicht auf ihren Trick hereingefallen zu sein.»Alissa, vielen Dank für das Angebot, die Sache friedlich beizulegen. Ich nehme es an, verspreche aber, Ihnen in einer vergleichbaren Situation eine geringfügige magische Intervention bis zur siebten Stufe inklusive nachzusehen.«

»Gut, Anderer«, stimmte Alissa bereitwillig zu. Sie streckte die Hand aus, die ich unwillkürlich ergriff.»Damit wäre unser persönliches Abkommen besiegelt.«

Die Eule auf meiner Schulter schlug mit den Flügeln. Direkt an meinem Ohr gellte ein wütendes Krächzen. Im nächsten Augenblick materialisierte sich der Vogel in der Zwielicht-Welt.

Alissa trat einen Schritt zurück, ihre Pupillen verengten sich im Nu zu vertikalen Schlitzen. Der Hexer ging sofort in Abwehrposition.

»Das Abkommen ist besiegelt!«, wiederholte die Hexe finster.

Was ging hier vor?

Zu spät begriff ich, dass ich dieses Abkommen nicht in Olgas Anwesenheit hätte schließen sollen. Andererseits - was sollte so schlimm daran sein? Als ob ich es

nicht schon selbst erlebt hätte, wie Allianzen gebildet und Kompromisse ausgehandelt wurden, ganz zu schweigen davon, dass mit den Dunklen auch andere Angehörige der Wache zusammenarbeiten, nicht zuletzt der Chef höchstselbst! Gewiss, immer ungern! Doch es muss sein!

Unser Ziel besteht nicht darin, die Dunklen zu vernichten. Unser Ziel besteht darin, das Gleichgewicht zu wahren. Die Dunklen werden erst dann verschwinden, wenn die Menschen das Böse in sich bezwungen haben. Oder wir werden verschwinden, wenn den Menschen das Dunkel mehr zusagt als das Licht.

»Das Abkommen ist angenommen«, sagte ich wütend zu der Eule.»Find dich damit ab. Es ist nur eine Kleinigkeit. Das gehört zur normalen Zusammenarbeit.«

Alissa lächelte und verabschiedete sich mit einem Winken von mir. Sie nahm den Hexer beim Ellbogen, und beide wichen zurück. Ein kurzer Augenblick, ein weiterer, und die zwei traten aus dem Zwielicht hinaus, um die Straße hinunterzuschlendern. Ein ganz gewöhnliches Pärchen.

»Was zappelst du denn so?«, fragte ich.»Was willst du? Die operative Arbeit besteht immer aus Kompromissen!«

»Du hast einen Fehler gemacht.«

Olgas Stimme klang seltsam und passte überhaupt nicht zu ihrem Äußeren. Eine weiche, samtene, singende Stimme. Katzenmenschen sprechen so, aber nicht Vögel.

»Oho, du kannst also doch sprechen?«

»Ja.«

»Und warum hast du bisher geschwiegen?«

»Bisher war ja alles in Ordnung.«

Als ich diesen alten Witz hörte, musste ich schmunzeln.

»Ich gehe jetzt aus dem Zwielicht heraus, ja? Derweil kannst du mir erklären, welchen Fehler ich gemacht habe. Kleinere Kompromisse mit den Dunklen lassen sich in unserer Arbeit nicht vermeiden.«

»Du hast nicht die Qualifikation, die es dir gestatten würde, Kompromisse einzugehen.«

Die Welt um mich herum gewann ihre Farben zurück. Der Prozess lässt sich gut mit einem Einstellungswechsel bei einer Videokamera vergleichen, wenn man von»Sepiabraun«oder»Alter Schwarzweißfilm«zur normalen Farbaufnahme umschaltet. Dieser Vergleich ist irgendwie sehr treffend: Das Zwielicht ist wirklich ein alter Film. Ein sehr alter, den die Menschheit glücklich vergessen hat. Was ihr das Leben leichter macht.

Während ich zur der Metro ging, zischte ich meine unsichtbare Gesprächspartnerin an:»Was hat meine Qualifikation damit zu tun?«

»Ein hochrangiger Wächter kann die Folgen eines Kompromisses absehen. Ist das wirklich ein kleiner Handel, der beiden Seiten nützt und wo keine Seite den Kürzeren zieht, oder ist es ein Kuhhandel, bei dem du mehr verlierst als gewinnst?«

»Ich glaube nicht, dass man mit einer Intervention siebten Grades etwas Schlimmes anrichten kann.«

Ein neben mir hergehender Mann starrte mich irritiert an. Ich wollte ihm schon sagen, dass ich»ein ruhiger und harmloser Irrer«sei. Ein äußerst probates Mittel gegen unerwünschte Neugier. Doch der Mann legte bereits einen Zahn zu - offensichtlich war er von sich aus zum gleichen Schluss gekommen.

»Anton, du kannst die Folgen nicht absehen. Du hast in einer belanglosen, unangenehmen Situation überreagiert. Dein bisschen Magie hat dazu geführt, dass sich die Dunklen eingemischt haben. Daraufhin bist du einen Kompromiss mit ihnen eingegangen. Am bedauerlichsten dabei ist, dass überhaupt keine Notwendigkeit zur magischen Intervention bestanden hat.«

»Schon gut, ich seh’s ja ein. Und was machen wir jetzt?«

Die Stimme des Vogels wurde kräftiger, gewann an Klangfarbe.

Wahrscheinlich hatte sie sehr lange kein Wort gesagt.

»Jetzt - nichts weiter. Hoffen wir das Beste.«

»Wirst du dem Chef von dem Vorfall berichten?«

»Nein. Noch nicht. Schließlich sind wir Partner.«

Mir wurde warm ums Herz. Fehler hin, Fehler her, aber die unerwartete Verbesserung der Beziehung zu meiner Partnerin war mir das wert.

»Danke. Was schlägst du vor?«

»Du machst alles richtig. Such die Spur!«

Ein etwas originellerer Rat wäre mir lieber gewesen…

»Fahren wir.«

Mittags um zwei Uhr hatte ich nach der Ringlinie auch die gesamte graue Linie abgegrast. Mag ja sein, dass ich ein hundsmiserabler Fahnder bin, aber die gestrige Spur, die ich noch dazu selbst aufgenommen hatte, wäre nicht einmal mir entgangen. Die Frau, über der dieser schwarze Höllenwirbel kreiste, war nirgends auf dieser Strecke ausgestiegen. Offensichtlich musste ich noch einmal an dem Ort anfangen, wo wir uns begegnet waren.

An der Kurskaja verließ ich die Metro und kaufte an einem Stand eine Plastikschale Salat und einen Becher Kaffee. Beim Anblick der Hamburger und Würstchen wurde mir schlecht, auch wenn der Fleischanteil in ihnen nur symbolisch war.

»Willst du auch etwas?«, fragte ich meine unsichtbare Begleiterin.

»Nein. Danke.«

Während feine Schneeflocken auf uns niedersegelten, stocherte ich mit einer winzigen Gabel im Kartoffelsalat herum und nippte am heißen Kaffee. Ein Penner, der offensichtlich darauf gehofft hatte, dass ich Bier kaufen und ihm die leere Flasche überlassen würde, schlurfte davon, um sich in der Metro aufzuwärmen. Ansonsten kümmerte sich niemand um mich. Die junge Verkäuferin bediente ein paar ausgehungerte Kunden, in gesichtsloser Masse strömten die Menschen aus dem Bahnhof heraus und in ihn hinein. Der Verkäufer an einem Bücherstand versuchte lustlos, ohne jede Begeisterung, einem Käufer irgendein Buch aufzuschwatzen. Der Kunde konnte sich nicht entscheiden.