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»Wahrscheinlich hab ich einfach eine Stinklaune…«, brummte ich.

»Warum das?«

»Ich sehe alles in einem trüben Licht. Alle Leute sind Schweine und Idioten, der Salat ist gefroren, meine Schuhe völlig durchgeweicht.«

Der Vogel auf meiner Schulter stieß ein amüsiertes Krächzen aus.»Nein, Anton, das liegt nicht an deiner Laune. Du spürst, wie das Inferno näher kommt.«

»Ich war nie besonders sensibel.«

»Eben.«

Ich sah zum Bahnhof hinüber. Versuchte, in den Gesichtern zu lesen. Einige von ihnen spürten es ebenfalls. Die Leute, die an der Grenze zwischen Mensch und Anderer standen, wirkten angespannt, bedrückt. Den Grund dafür konnten sie nicht erfassen, und doch versuchten sie nach außen hin, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

»Beim Dunkel und beim Licht… Was steht uns bevor, Olga?«

»Alles Mögliche. Du hast den Ausbruch aufgeschoben, doch dafür werden die Folgen einfach katastrophal sein, wenn der Strudel zuschlägt. Der Verzögerungseffekt.«

»Davon hat mir der Chef nichts gesagt.«

»Warum auch? Du hast alles richtig gemacht. Jetzt haben wir zumindest eine Chance.«

»Olga, wie alt bist du?«, fragte ich. Würde man einem Menschen diese Frage stellen, könnte er beleidigt sein. Wir kennen jedoch keine bestimmten Altersgrenzen.

»Alt, Anton. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an den Aufstand.«

»Die Revolution?«

»Den Aufstand auf dem Senatsplatz.«Die Eule stieß ein kurzes Lachen aus. Ich schwieg. Womöglich war Olga sogar noch älter als der Chef.

»Welchen Rang hast du, Partnerin?«

»Keinen. Mir wurden alle Rechte aberkannt.«

»Tut mir Leid.«

»Schon gut. Ich habe mich seit langem damit abgefunden.«

Ihre Stimme klang heiter, ja vergnügt. Trotzdem sagte mir irgendetwas: Olga hatte sich keinesfalls damit abgefunden.

»Falls es nicht zu aufdringlich ist… Warum haben sie dich in diesen Körper gesperrt?«

»Es gab keine andere Möglichkeit. Im Körper eines Wolfes zu leben ist viel schwieriger.«

»Moment mal…«Ich warf den restlichen Salat in einen Mülleimer. Als ich auf meine Schulter blickte, konnte ich die Eule natürlich nicht sehen - dafür hätte ich ins Zwielicht eintreten müssen.»Wer bist du? Wenn du ein Tiermensch bist, warum gehörst du dann zu uns? Wenn du eine Magierin bist, warum hast du dann eine derart seltsame Strafe bekommen?«

»Das tut nichts zur Sache, Anton.«Einen Augenblick lang war ihre Stimme schneidend wie scharfer Stahl.»Aber alles hat damit angefangen, dass ich mich auf einen Kompromiss mit den Dunklen eingelassen habe. Einen klitzekleinen Kompromiss. Ich hatte geglaubt, die Folgen einschätzen zu können, doch da hatte ich mich geirrt.«

So war das also…

»Hast du deshalb angefangen zu sprechen? Wolltest du mich warnen, hast aber den Zeitpunkt verpasst?«

Schweigen.

Als ob Olga ihre Offenheit schon bereute.

»Machen wir uns wieder an die Arbeit…«, sagte ich. In dem Moment piepte das Handy in meiner Tasche.

Es war Larissa. Warum musste sie zwei Schichten hintereinander übernehmen?

»Anton, pass auf… Wir haben die Spur von dem Mädel aufgenommen. Metrostation Perowo.«

»Mist«, sagte ich bloß. In diesen Schlafbezirken zu arbeiten, ist die reinste Qual.

»Stimmt«, bekräftigte Larissa. Als Fahnderin taugt sie nichts - wahrscheinlich macht sie deshalb Telefondienst. Dennoch ist sie eine kluge Frau.»Anton, sieh zu, dass du nach Perowo kommst. Alle unsere Leute ziehen sich da zusammen, um ihre Verfolgung aufzunehmen. Und noch was… Da schwirrt auch die Tagwache rum.«

»Alles klar.«Ich steckte das Handy wieder weg.

Mir war überhaupt nichts klar. Wussten die Dunklen etwa bereits über alles Bescheid? Und waren sie darauf aus, das Inferno losbrechen zu lassen? Und hatten mich gar nicht zufällig aufgehalten…

Quatsch. Eine Katastrophe in Moskau liegt überhaupt nicht im Interesse des Dunkels. Sicher, sie würden auch nichts unternehmen, um den Strudel aufzuhalten - das widerspräche ihrer Natur.

In die Metro ging ich dann doch nicht. Ich hielt ein Auto an, damit würde ich Zeit gewinnen, zumindest ein bisschen. Ich setzte mich neben den Fahrer, einen dunkelhäutigen Intelligenzler von etwa vierzig Jahren mit Adlernase. Der Wagen war neu, und auch der Fahrer machte den Eindruck eines höchst erfolgreichen Mannes. Insofern war es schon merkwürdig, dass er sich auf diese Weise etwas zuverdiente.

Perowo. Ein riesiges Viertel. Voller Menschen. Licht und Dunkel in einem unentwirrbaren Knäuel. Außerdem gab es da noch ein paar Gebäude, die dunkle und lichte Flecken nach allen Seiten warfen. Dort zu arbeiten hieß, bei Flackerlicht ein Sandkorn auf dem Boden einer überfüllten Diskothek finden zu wollen…

Ich konnte dort nur von geringem Nutzen sein, genauer gesagt - von gar keinem. Doch man hatte mich angewiesen, dorthin zu fahren, also musste ich es tun. Vielleicht wollte man mich bitten, eine Identifizierung vorzunehmen.

»Und ich dachte, wir würden Glück haben«, flüsterte ich und schaute auf die Straße hinaus. Wir fuhren über die Lossiny-Insel, ebenfalls keine sehr angenehme Gegend, da versammeln sich die Dunklen zum Hexensabbat. Und nicht immer werden dabei die Gesetze der normalen Menschen beachtet. An fünf Nächten im Jahr müssen wir alles ertragen. Oder fast alles.

»Hab ich auch gedacht…«, flüsterte Olga.

»Wie soll ich es denn mit den Fahndern aufnehmen?!«Ich schüttelte den Kopf.

Der Fahrer schielte zu mir herüber. Seinen Preis hatte ich ohne zu feilschen akzeptiert, und die Strecke hatte ihm offenbar auch gepasst. Aber ein Mensch, der mit sich selbst redet, ist halt niemandem ganz geheuer.

»Ich hab da eine Sache vermasselt…«, teilte ich dem Fahrer mit einem Seufzer mit.»Besser gesagt, ich habe es nicht ordentlich gemacht. Hab gedacht, ich könnte heute mal so richtig auftrumpfen, aber die kommen bestens ohne mich zurecht.«

»Hast du es deshalb jetzt auch so eilig?«, wollte der

Fahrer wissen. Er sah nicht sehr gesprächig aus, doch meine Worte hatten seine Neugier geweckt.

»Sie haben mich hinbeordert«, sagte ich.

Für wen er mich wohl hielt?

»Und was machst du?«

»Ich bin Programmierer«, antwortete ich. Eine ehrliche Antwort, nebenbei gesagt.

»Klasse«, sagte der Fahrer und schnalzte anerkennend. Was sollte daran klasse sein?»Kann man davon leben?«

Die Frage hätte er sich sparen können, schon allein deshalb, weil ich ja nicht mit der Metro fuhr. Trotzdem antwortete ich:»Durchaus.«

»Ich frage nicht einfach so«, teilte mir der Fahrer unvermittelt mit.»In meiner Firma wird die Stelle des Systemadministrators frei…«

In meiner Firma - natürlich.

»Ich persönlich sehe darin einen Wink des Schicksals. Ich nehme einen Fahrgast mit, und der ist ein Programmierer. Ich glaube, Ihnen bleibt gar keine Wahl.«

Er lachte los, als wolle er seine etwas zu sicher klingenden Worte abmildern.

»Haben Sie schon mal mit Intranet gearbeitet?«

»Ja.«

»Bei mir hängen fünfzig Rechner am Netz. Das muss alles problemlos laufen. Wir zahlen gut.«

Unwillkürlich musste ich schmunzeln. Das war nicht zu verachten. Intranet. Gutes Geld. Und niemand, der von mir verlangt, nachts auf Vampirjagd zu gehen, Blut zu trinken und in vereisten Straßen Spuren zu er-