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»Du kannst diese Gestalt behalten, Olga. Ich geh los und besorg dir vernünftige Sachen zum Anziehen.«

»Nicht nötig. Ich habe nur eine halbe Stunde pro Tag.«

Olga knüllte das Handtuch zusammen und warf es aufs Fensterbrett.

»Wer weiß, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit habe, mich zu waschen«, meinte sie seufzend.»Oder Kognak zu trinken… Auf dein Wohl, Anton.«

»Zum Wohl.«

Der Kognak war gut. Genussvoll nippte ich daran, ohne mich um das enorme Chaos in meinem Kopf zu scheren. Olga trank ihren auf Ex, verzog das Gesicht, sagte aber freundlich:»Nicht übel.«

»Warum erlaubt dir der Chef nicht, ein normales Aussehen anzunehmen?«

»Das liegt nicht in seiner Macht.«

Alles klar. Das heißt, sie war nicht vom Regionalbüro verurteilt worden, sondern von weiter oben.

»Ich wünsche dir Glück, Olga. Was auch immer du getan hast - ich bin sicher, dass deine Schuld längst abgegolten ist.«

Die Frau zuckte mit den Schultern.»Würde ich auch gern glauben. Mir ist klar, dass man leicht Mitleid mit mir haben kann, aber im Grunde ist die Strafe gerecht… Doch jetzt mal ganz im Ernst.«

»Gut.«

Olga beugte sich über den Tisch zu mir herüber.»Ich sage dir ehrlich: Mir reicht’s«, flüsterte sie verschwörerisch.»Ich habe Nerven wie Stahl, aber so kann ich einfach nicht leben. Meine einzige Chance besteht darin, eine derart wichtige Mission zu erfüllen, dass der Leitung gar nichts anderes übrig bleibt, als mich zu begnadigen.«

»Und wo sollen wir eine derartige Mission hernehmen?«

»Die haben wir doch schon. Und sie setzt sich aus drei Teilen zusammen. Da ist der Junge, den wir beschützen und auf die Seite des Lichts ziehen müssen. Und die Vampirin, die wir ausschalten werden.«

Olga sprach mit fester Stimme - und plötzlich glaubte ich ihr. Beschützen und ausschalten. Kein Problem.

»Das alles sind jedoch Kleinigkeiten, Anton. Du wirst

durch eine solche Aktion einen höheren Grad erlangen, aber mir bringt das nicht viel. Die Hauptsache ist die Frau mit dem schwarzen Strudel.«

»Um die kümmern sich andere, Olga. Ich… Wir wurden von dieser Aufgabe abgezogen.«

»Macht nichts. Sie werden es nicht schaffen.«

»Ach nein?«, fragte ich in ironischem Ton.

»Nein. Boris Ignatjewitsch ist ein starker Magier. Allerdings auf anderen Gebieten.«Olga zwinkerte spöttisch.»Ich befasse mich aber bereits mein ganzes Leben mit allen Aspekten, die ein Durchbruch des Infernos mit sich bringt.«

»Also deshalb redest du von Krieg!«, begriff ich.

»Natürlich. Solche Auswüchse von Hass gibt es in einer Welt voller Frieden nicht. Diese Kröte Adolf… hatte viele Anhänger, doch sie hätten ihn im ersten Kriegsjahr abgefackelt. Und mit ihm ganz Deutschland. Bei Stalin war es etwas anders, der wurde auf geradezu ungeheuerliche Weise vergöttert - was ein mächtiger Schild ist. Anton, ich, eine einfache russische Frau…«Ein flüchtiges Lächeln ließ keinen Zweifel, wie Olga zu dem Wort»einfach«stand.»… ich habe mich den ganzen letzten Krieg hindurch damit beschäftigt, die Feinde meines Landes vor Flüchen zu schützen. Allein dafür hätte ich mir die Begnadigung verdient. Glaubst du’s?«

»Unbedingt.«Ich hatte den Eindruck, dass sie einen in der Krone hatte.

»Eine Scheißarbeit… Wir müssen ja alle gegen die menschliche Natur handeln, aber so weit zu gehen… Also, Anton, sie werden es nicht schaffen. Ich könnte es probieren. Aber selbst ich habe meine Zweifel.«

»Olga, wenn es so schlimm aussieht, musst du Meldung machen…«

Die Frau schüttelte den Kopf und strich sich über das feuchte Haar.»Das kann ich nicht. Es ist mir verboten, mit irgendjemandem Kontakt aufzunehmen, abgesehen von Boris Ignatjewitsch und meinem jeweiligen Partner. Ihm habe ich alles gesagt. Jetzt kann ich nur noch abwarten. Und hoffen, dass es mir gelingt… im letzten Moment noch gelingt.«

»Versteht der Chef das denn nicht?«

»Im Gegenteil, ich denke, er versteht es.«

»Aber das ist doch…«, flüsterte ich.

»Wir waren einmal ein Paar. Sehr lange. Außerdem auch noch Freunde, was selten vorkommt… Also, Anton, heute nehmen wir uns den Jungen und die bescheuerte Vampirin vor. Morgen müssen wir warten. Warten, bis das Inferno durchbricht. Einverstanden?«

»Darüber muss ich erst nachdenken, Olga.«

»Sehr schön. Denk darüber nach. Für mich ist es jetzt Zeit. Dreh dich um…«

Ich war nicht schnell genug. Olga war vermutlich selbst schuld daran. Sie hatte nicht darauf geachtet, wie viel Zeit ihr zur Verfügung stand.

Der Anblick war wirklich ekelhaft. Olga erzitterte und krümmte sich. Durch ihren Körper lief eine Welle: Die Knochen verbogen sich, als seien sie aus Gummi. Die Haut platzte ab, sodass die blutdurchströmten Muskeln freigelegt wurden. In Sekundenschnelle hatte sich die Frau in einen feuchten Klumpen Fleisch verwandelt, in eine formlose Kugel. Und diese Kugel schrumpfte und schrumpfte, ihr wuchsen weiche weiße Federn…

Die Schnee-Eule flatterte mit einem halb menschlichen, halb vogelhaften Schrei vom Hocker auf. Flog zu ihrem Lieblingsplatz auf dem Kühlschrank.

»Teufel auch!«, schrie ich unter Missachtung aller Regeln und Vorschriften.»Olga!«

»Hübsch, was?«Die Stimme der Frau klang atemlos, noch schmerzverzerrt.

»Warum? Warum gerade so?«

»Das ist ein Teil der Strafe, Anton.«

Ich streckte die Hand aus und berührte den ausgebreiteten, zitternden Flügel.»Olga, ich bin mit allem einverstanden.«

»Dann an die Arbeit, Anton.«

Ich nickte und ging in die Diele. Nachdem ich den Schrank mit meiner Ausrüstung geöffnet hatte, trat ich ins Zwielicht ein - andernfalls sieht man nämlich nichts anderes als Anziehsachen und altes Gerümpel.

Ein leichter Körper ließ sich auf meiner Schulter nieder.

»Womit kannst du aufwarten?«

»Das Onyxamulett habe ich entladen. Kannst du es aufladen?«

»Nein. Mir wurden fast alle Kräfte entzogen. Man hat mir nur die gelassen, die nötig sind, um ein Inferno zu neutralisieren. Und mein Gedächtnis, Anton - mein Gedächtnis hat man mir auch gelassen. Wie willst du die Vampirin töten?«

»Sie ist nicht registriert«, sagte ich.»Also nur mit folkloristischen Mitteln.«

Die Eule stieß ein gackerndes Krächzen aus.»Greift man noch immer zu Espenholz?«

»Ich hab zumindest keins.«

»Verstehe. Wegen deiner Freunde?«

»Ja. Ich möchte nicht, dass sie anfangen zu zittern, sobald sie die Wohnung betreten.«

»Also, was dann?«

Aus einer Aussparung in den Ziegeln holte ich eine Pistole hervor. Ich schielte zu der Eule hin - Olga musterte die Waffe aufmerksam.

»Silber? Für einen Vampir sehr schmerzhaft, aber nicht tödlich.«

»Sie ist mit Dumdumgeschossen geladen.«Ich zog das Magazin aus der Desert Eagle.»Mit silbernen Dumdumgeschossen. Kaliber null vierundvierzig. Drei Treffer, und der Vampir ist so durchsiebt, dass er nichts mehr anrichten kann.«

»Und wie dann weiter?«

»Mit folkloristischen Mitteln.«

»Ich misstraue der Technik«, erwiderte Olga mit Zweifel in der Stimme.»Ich hab mal gesehen, wie ein Tiermensch wieder auf die Beine gekommen ist, nachdem er von einer Granate zerfetzt worden war.«

»Ging das schnell?«

»Er hat drei Tage gebraucht.«

»Und? Was hab ich gerade gesagt?«

»Gut, Anton. Wenn du deinen eigenen Kräften nicht vertraust…«