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Ich schwieg.

»Du weißt überhaupt nichts! Die Kreise im Wasser sagen dir nichts, du weißt gar nicht, wohin du schauen musst, um sie zu sehen!«

»Möglich. Aber im Großen und Ganzen liege ich richtig?«

Olga sah mich an, biss sich auf die Lippen.

»Ja«, meinte sie kopfschüttelnd.»Eine klare Frage, eine klare Antwort. Aber ich werde dir nichts erklären. Du darfst das nicht wissen. Das geht dich nichts an.«

»Da irrst du dich.«

»Niemand von uns will Sweta etwas Böses«, entgegnete Olga scharf.»Ist das klar?«

»Wir können sowieso niemandem etwas Böses wünschen. Nur unterscheidet sich unser Gutes manchmal in keiner Weise vom Bösen.«

»Beenden wir dieses Gespräch, Anton. Ich habe nicht das Recht, dir auf deine Fragen zu antworten. Und wir wollen den andern doch nicht diese unerwarteten freien Tage verderben.«

»Wie unerwartet sind die denn wirklich?«, fragte ich einschmeichelnd.»Olga?«

Sie hatte sich bereits wieder gefasst, ihre Miene war undurchdringlich. Zu undurchdringlich für solch eine Frage.

»Du hast auch so schon genug erfahren.«Ihre Stimme hob sich, gewann die frühere Entschlossenheit zurück.

»Man hat uns noch nie alle zusammen in Urlaub geschickt, Olga. Nicht mal auf einen Tagesausflug. Warum wollte Geser die Lichten aus der Stadt raushaben?«

»Nicht alle.«

»Polina Wassiljewna und Andrej zählen nicht. Du weißt ganz genau, dass sie das Büro nie verlassen. In Moskau ist kein einziger Wächter zurückgeblieben!«

»Die Dunklen verhalten sich doch auch ruhig.«

»Ja und?«

»Es reicht, Anton.«

Mir war klar, dass ich kein weiteres Wort aus ihr herausbekommen würde.»Gut, Olga«, lenkte ich ein.»Vor einem halben Jahr waren wir gleichberechtigt, wenn auch vielleicht nur zufällig. Das hat sich jetzt offenbar geändert. Entschuldige. Das sind nicht meine Probleme, fällt nicht in meine Zuständigkeit.«

Olga nickte. Das kam so überraschend, dass ich meinen Augen nicht traute.

»Endlich hast du’s kapiert.«

Machte sie sich über mich lustig? Oder glaubte sie wirklich, dass ich mich nicht weiter einmischen würde?

»Schließlich bin ich nicht auf den Kopf gefallen«, meinte ich. Ich sah zu Swetlana hinüber, die mit Tolik scherzte.

»Du nimmst mir das nicht übel?«, fragte Olga.

Ich berührte ihre Hand, lächelte und ging ins Haus zurück. Ich wollte etwas tun. Unbedingt. Als sei ich ein Dschinn, der nach tausendjähriger Gefangenschaft seiner Flasche entströmt. Irgendetwas: Paläste bauen, Städte zerstören, ein Programm in Basic schreiben oder eine Kreuzsticharbeit anfertigen.

Ich öffnete die Tür, ohne sie anzufassen, stieß sie durchs Zwielicht auf. Warum, weiß ich nicht. So was passiert mir selten, manchmal, wenn ich besoffen, manchmal, wenn ich stinkwütend bin. Der erste Grund

kam nicht in Frage.

Im Wohnzimmer war niemand. Warum sollte man auch drinnen sitzen, wenn draußen Schaschlik gegrillt wurde, es kalten Wein und genügend Liegestühle unter den Bäumen gab?

Ich ließ mich in einen Sessel fallen. Schnappte mir mein - oder Swetas - Glas vom Tisch und goss mir Kognak ein. Trank auf Ex, als sei das kein fünfzehn Jahre alter Prasdnitschny, sondern billiger Wodka. Schenkte mir nach.

In diesem Moment kam Tigerjunges herein.

»Du hast doch nichts dagegen?«, fragte ich.

»Nein, natürlich nicht.«

Die Zauberin setzte sich neben mich.»Was ist los mit dir, Anton?«

»Kümmer dich nicht um mich.«

»Hattet ihr Streit, Sweta und du?«

Ich schüttelte den Kopf.»Das ist es nicht.«

»Hab ich irgendwas falsch gemacht, Anton? Gefällt es euch nicht?«

Ich starrte sie mit echter Verblüffung an.»Wieso denn, Tigerjunges! Alles ist wunderbar. Allen gefällt es.«

»Und dir?«

Nie zuvor hatte ich die Tierfrau so verzagt erlebt. Was sollte das, ob es mir gefiel? Allen konnte sie es sowieso nicht recht machen.

»Swetlana wird weiter vorbereitet«, sagte ich.»Worauf?«

Die Frau runzelte leicht die Stirn.»Ich weiß es nicht. Auf etwas, das Olga nicht zustande brachte. Etwas, das gleichzeitig sehr gefährlich und ungeheuer wichtig ist.«

»Gut.«Sie langte nach einem Glas. Schenkte sich ein, nippte am Kognak.

»Gut?«

»Ja. Dass man sie vorbereitet, anleitet.«Tigerjunges sah sich suchend um, dann blickte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen auf die Stereoanlage an der einen Wand.»Ständig verlege ich die Fernbedienung.«

Die Anlage schaltete sich ein, die Lämpchen leuchteten auf. Queen erklang, Kind of Magic. Mir gefiel die beiläufige Geste. Die Elektronik über eine Entfernung hinweg zu steuern - das ist etwas anderes, als mit dem Blick Löcher in die Wand zu bohren oder Mücken mit Feuerkugeln zu vertreiben.

»Wie lange hast du dich auf die Arbeit in der Wache vorbereitet?«, fragte ich.

»Seit ich sieben war. Mit sechzehn habe ich dann an den ersten Einsätzen teilgenommen.«

»Neun Jahre! Dabei hast du es leichter gehabt, deine Magie ist natürlich. Aber aus Swetlana will man in ein paar Monaten, in einem Jahr eine Große Zauberin zusammenschustern!«

»Das wird schwierig«, stimmte die Frau zu.»Glaubst du, der Chef macht einen Fehler?«

Ich zuckte mit den Achseln. Zu sagen, der Chef begehe einen Fehler, wäre genauso dumm wie zu behaupten, die Sonne gehe nicht im Osten auf. Hunderte - was heißt Hunderte: Tausende von Jahren hatte er gelernt, keine Fehler zu begehen. Geser konnte streng oder überstreng auftreten. Konnte die Dunklen provozieren und die Lichten opfern. Er konnte alles. Nur nicht sich irren.

»Ich glaube, er überschätzt Sweta.«

»Quatsch! Der Chef kalkuliert gut.«

»Und alles. Ich weiß. Er beherrscht dieses alte Spiel aus dem Effeff.«

»Und Sweta will er nur Gutes«, fügte die Zauberin stur hinzu.»Verstehst du? Vielleicht auf seine Art. Du würdest es anders machen, ich und Semjon ebenfalls. Oder Olga. Jeder von uns würde es anders machen. Aber die Wache leitet er. Und völlig zu Recht.«

»Weil er den besseren Überblick hat?«, fragte ich bissig.

»Ja.«

»Und was ist mit der Freiheit?«Ich goss mein Glas erneut voll. Was vielleicht nicht nötig war, denn in meinem Kopf tobte es bereits los.»Der Freiheit?«

»Du redest wie die Dunklen«, schnaubte die Frau.

»Ich ziehe es vor zu glauben, dass sie wie ich reden.«

»Das ist doch alles ganz einfach, Anton.«Tigerjunges beugte sich zu mir hinüber, sah mir in die Augen. Sie verströmte einen Geruch nach Kognak und einen leichten, blumigen Duft, der aber kaum von einem Parfüm stammen dürfte. So etwas mögen Tiermenschen nicht.»Du liebst sie.«

»Stimmt. Gibt es jemanden, der das noch nicht weiß?«

»Dir ist klar, dass ihre Kräfte die deinen bald übersteigen werden.«

»Wenn sie das nicht schon haben.«Ich wollte nicht weiter darauf eingehen, erinnerte mich aber, wie leicht Swetlana die magischen Schirme in den Wänden gespürt hatte.

»Sie werden sie richtig übersteigen. Eure Kräfte werden sich nicht mehr miteinander vergleichen lassen. Du wirst ihre Probleme nicht verstehen können, sie werden dir fremd sein. Wenn du an ihrer Seite bleibst, wirst du dich wie ein überflüssiges Anhängsel fühlen, wie ein Gigolo, und dich an die Vergangenheit klammern.«

»Ja.«Ich nickte und bemerkte voller Verwunderung, dass das Glas schon wieder leer war. Unter dem aufmerksamen Blick der Hausherrin goss ich mir erneut ein.»Dann sollte ich wohl nicht an ihrer Seite bleiben. Darauf kann ich verzichten.«