Der Fettwanst schwitzte, als stäke er in einer Gummihaut. Daß ihm der Schweiß frei ablaufen konnte, nützte auf diesem Treibhausplaneten nichts. Auf seinem grau-grünen Gesicht rannen Tropfen wie übergroße Perlen. Aber das brachte keine Kühlung. Der Lange atmete nicht weniger schwer, so als ob er mit jedem Zug einen Schluck heißes Wasser in seine Lunge pumpte.
»Sie werden schon kommen«, tröstete er seinen Freund und sich selber.
Der Nebel wurde nicht dünner, sondern nahm weiter zu, und auf den Küstenstrich ergoß sich eine Flut warmen Regens. Es dauerte nur kurze Zeit. Die menschenähnlichen Wesen mußten sich so lange an das Geländer klammern, das den Stufenweg bis hierher säumte, damit sie das Gewicht des Gusses aus der Nebelmasse nicht zu Boden drückte. Als der Niederschlag aufhörte, so plötzlich, wie er gekommen war, freuten sie sich, als wäre eine große Tragelast von ihnen genommen. Aber die Erleichterung dauerte auch nicht lange. Die brütende Hitze wurde nun wirklich zur Qual; die Sinne der Besucher aus dem All taten sich schwer, dagegen abzustumpfen.
Einige Nebelschwaden hingen noch verloren über den grünen Wellen und zergingen vor den spähenden Augendreiecken zusehends. Eine silbern schimmernde Ebene dehnte sich endlos, welche bald so stark glänzte, daß die Wesen die dritten, außenseitigen ihrer Augenlider schließen mußten. Ihrer beider Natur war eine mildere Sonne bestimmt.
Nicht nur die dicke Luft rührte träge das weiße Naß da unten, hin und wieder zerteilte ein Schuppenkamm die Fläche. Ein garstiger Rachen durchbrach das Wasser und verschwand erneut in der Tiefe wie ein übler Traum.
»Halte dich bereit, sie kommen!« Der Lange beugte sich über das Geländer.
Der Beleibte trat hinter einen gläsernen Windschirm, hinter dem die Anhöhe eine Art Umgang freiließ. Er nahm an einem Pult Platz. Ein scharrendes Klirren war zu hören, und die Schirmwand bewegte sich. Ein Spiralengürtel aus durchscheinendem smaragdfarbenen Material umschlang sie. Oben bildeten die Windungen eine offene Dachvernetzung von der Form eines umgestülpten Tellers, der sich mit der Faltwand zusammen drehte.
»Ganz hinten kommen sie, sie sind schon da!« rief der Dünne von draußen. Doch selbst sein Schreien war nur schwach zu vernehmen durch die schwere Luft. Sein Kollege in dem gläsernen Polygon bediente einen Knopf. Ein Bildschirm vor ihm leuchtete. Wellen tauchten im Rahmen auf, die trägen Meereswellen, manchmal das Gestade unterhalb der Beobachter, alles etwas verschwommen, jedoch plastisch dreidimensional. Mit einigen Anstrengungen seines Denkzentrums und durch Betätigen der drei Krakenfinger einer seiner Hände justierte der Fettleibige das Bild. Er erblickte das gleiche, was sein Kollege draußen gewahr wurde, jedoch wesentlich deutlicher als in der luftgetrübten Natur.
Der Dicke schnob und verdrehte das ganze Viereck des leichten Baues.
Dann sah er sie.
In der etwas klarer gewordenen Atmosphäre schaukelten einige Punkte. Der Dicke zentrierte das Bild auf die schwankenden Tupfen. Das Meer verschwand von der Mattscheibe, nur weißer Himmel wölbte sich fast plastisch im Tiefenhorizont der Bildeinstellung. Ein leichter Schwenk des Sichtrahmens in der Vertikalen und in der Horizontalen.
Ein abscheuliches, langgezogenes Maul mit giftscharfer Schnabelspitze und einem häßlichen, nach hinten gebogenen Horn tauchte auf. Der Techniker kämpfte gegen das erwartungsfiebrige Schlottern seines umfänglichen Körpers und gegen das Klappern seiner beiden Zahnblöcke. Er verfluchte sich dafür, daß er immer dann den Tatterich bekam, wenn er die Scheusale auf dem Schirm hatte und die Aufnahmeelektronik stabilisieren wollte.
Die grünlich glitzernden Schuppen ließen die schimmelgraue Haut der Echse zum Teil unbedeckt, in den roten Augen glommen Gier und Mord. Der Beleibte überantwortete die Bildführung dem Roboter. Der Roboter tastete mittlerweile ungerührt die Konturen ab und ließ das Objekt nicht mehr aus dem Visier.
»Ein prachtvolles Stück«, frohlockte der Lange, der sich hinter dem Rücken des Fettwanstes postiert hatte. Der Platz versprach ihm die größere Sicherheit.
Es war in der Tat ein prächtiges Stück. Die lederartigen Flügel mochten acht Meter Spannweite haben. Der Rumpf verfärbte sich beim Näherkommen zu Smaragd und Gold. In den Spitzen der Flügel regten sich drei Fingerkrallen. Es war imposant, wie die Urbestie, mühelos durch die beklemmende Luft, rudernd heransauste.
Die beiden Großtierfänger waren jetzt dankbar für das mächtige Kraftfeld, das sie vor den Ungeheuern des ihnen fremden Planeten schützen sollte.
Das angepeilte Tier ließ sich abrupt in das Küstenwasser fallen, hinter ihm weitere, aber auf die hatten sich die Beobachter nicht besonders eingerichtet. Die Flugsegel des ersten Tieres schlugen flach auf dem Wasser auf; der Monitor folgte unverdrossen nur diesem einen Objekt. Das Ungeheuer paddelte schaukelnd, mit den Flugsegeln das Wasser schlagend, auf den Wellen und startete wieder in die Lüfte. In seinem Sägeschnabel zuckte ein kleiner Fischsaurier, und dessen Blut troff scharlachrot aus den langgestreckten Kieferhälften. Im Fliegen drehte das Vieh ab und kehrte der Basis der Außerirdischen und ihrer Steuerzelle den Rücken zu. Mit konvulsiven Bewegungen seines Kopfes auf dem sich windenden Hals verschluckte der Drache noch im Flug seine Beute.
»Paß auf, daß er nicht entkommt!« rief der Lange nervös. Die Bemerkung war überflüssig, denn die Verfolgungsjagd war ganz auf Automatik eingestellt. In einer Ecke des Bildschirms tauchte ein Meßsternchen auf und wanderte zur Bildmitte. Der Roboter stellte das Gravitongeschütz ein. Es ertönte ein durchdringender, vibrierender Laut und klang sogleich wieder ab.
»Der Schuß hat gesessen!« gurgelte der Fettwanst vor Aufregung.
Das Ungeheuer wurde augenblicklich steif, begann aber trotzdem nur langsam zu sinken. Dann fiel es endlich, drehte sich dabei starr wie ein totes Objekt. Die Flügel waren jetzt nach oben geklappt, der Rumpf durchgesackt, und der sehr schwere Kopf hing vor der Brust.
Der Computer zeigte das betäubte Tier wechselnd von allen Seiten im Bild. Auch der stumpfe Schwanz reckte sich gen Himmel. Dann stürzte das Tier und fiel senkrecht ab.
Der schwierigste Moment …
Die naturwissenschaftliche Expedition soll von diesem Planeten so viele Musterexemplare der Fauna wie möglich mitnehmen. Dazu hat sie der Oberste Wissenschaftliche Rat mit der neuesten Erfindung ausgerüstet – dem erwähnten Gravitongeschütz. Das Gerät arbeitet weitgehend selbständig. Es ist nur erforderlich, den Zielgegenstand auf den Bildschirm zu bekommen und den Befehl zum Abschuß zu geben; den Rest besorgt der Roboter. Zuerst lähmt er das gewaltige Beutestück mit einer Niedrigfrequenz-Pulsation; mit einer schnell durchgerechneten Frequenzverschiebung wandelt er das elektromagnetische Feld in ein Gravitationsfeld um und transportiert das gelähmte Wild durch die Luft in einen der durchs Kalkriff getriebenen und hinten hallenartig erweiterten Stollen der Basis. Speziell ausgerüstete Raumschiffe bringen den in der Basis vorbereiteten Fang zur Anabiose, der Wiederbelebung, auf den Mutterplaneten der Expedition.
Das Problem war, wie man das Gravitongeschütz sachgerecht programmieren sollte. Es war eine gänzlich neue Apparatur, und das Steuerungszentrum arbeitete nicht hundertprozentig verläßlich. Nur wegen des grauenvollen Rufes, den dieser archaische Planet genoß – namentlich um seines Reichtums an entarteten Lebenstypen willen, bekam die Expedition die Möglichkeit, das teure Patent hier auszuprobieren.
»Umschalten!« rief der Lange und klimperte vor Erregung mit seinen dreieckigen Augenfalten. »Oder der Fang geht unter Wasser!«