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Das Wetter ist Harry Hell geworden. Das ist nicht übertrieben. Mittagstemperaturen steigen bis Mitte dreißig an – heiße Augusttage im frühen Mai, mein Gott. Im Laufe des letzten Jahrhunderts etwa hat sich das Wetter überall verändert und Puerto Rico ist keine Ausnahme. Die Sommer sind heißer, die Winter kälter. Der Atlantik hat sich seit den Tagen meines Großvaters um etwa zwei Grad abgekühlt. Tatsache. Sicher, Winterwallfahrer, die mit dem Ballon vom frostigen Festland herüberkommen, finden die Gewässer des einundfünfzigsten Staates noch immer herrlich warm, aber wir Inselbewohner springen zwischen Oktober und März nicht mehr in die Brandung. Zu Freddie Frigid. Brr.

Aber, he, an einem heißen Maitag wie heute ist eine Abkühlung mehr als willkommen. Ich parke den Kühlwagen vor einer Bude an einer Straßenseite vor dem Strand von Isla Verde. Aah, piraguas. Tamarindensaft über einem Kegel von geriebenem Eis für mich, Himbeere für Fabiola. Ich könnte ein Dutzend davon essen.

Fabiola ist ein komischer Vogel. Redet nicht viel. Eine richtige Sally Shy. Sie steht einfach da und starrt auf die leuchtend blauen Wogen hinaus. Meine Kontaktlinsen verdunkeln sich automatisch, um das blendende Licht zu dämpfen. Aah, Cristo, ist das ein schöner Tag. Der Strand ist ein Ameisenhaufen von Seelen in Badekaftanen. Man kann das Salz der leichten Meeresbrise riechen, und wenn man geradewegs nach oben schaut, sieht man nicht einmal den Smog.

»Was ist los mit dir?« frage ich.

Nach einem Moment sieht mich Fabiola an, irgendwie sonderbar, als ob sie denkt, sie sei vielleicht etwas Besseres als ich. »Die Kinder sind heutzutage wohl alle so, was?« Ihre Augen haben die Farbe von feuchtem Tabak und ihr Blick ist sehr direkt, sehr eindringlich. Sie macht einen wirklich beherrschten Eindruck. Ich wünschte, ich könnte auch so blicken, aber ich weiß nicht wie, deshalb lächele ich bloß, Floyd Friendly.

»Wie sind die Kinder alle?«

»Ihr habt keinen Takt, keinen Respekt vor der Privatsphäre. Niemandem ist erlaubt, irgend etwas für sich zu behalten.«

Ihre Stimme ist tief und ausdruckslos, aber mir kommt der Gedanke, daß sie vielleicht mich und nicht die Kinder überhaupt meint und daß ich vielleicht etwas getan habe, das sie gekränkt hat.

»He, du hast ausgesehen wie Trudy Troubled, weißt du?« entgegne ich. »Ich dachte, du möchtest vielleicht reden. Ich bin ein guter Zuhörer.«

»Das bist du bestimmt«, sagt sie trocken. »Du sagst selten etwas. Und wenn, dann nur in diesem dümmlichen Kinderslang …«

»He, wenn du nicht darüber reden willst …«

»Ich will nicht mit dir darüber reden.«

Jetzt komme ich drauf, daß ich vielleicht gekränkt sein soll, aber ich kümmere mich nicht drum. Das ist meine Art so, und es funktioniert. Man braucht ein dickes Fell, um in dieser übervölkerten Welt zu überleben. Und Sinn für Humor. Ich denke einfach nicht mehr an Fabiola und konzentriere mich auf das, was ich empfinde. Gut, der Tamarindensaft auf meiner Zunge ist herb, das geriebene Eis herrlich kühl. Ich schließe die Augen und verliere mich in den Empfindungen. He, es ist gut, am Leben zu sein, was?

Fabiolas Smoghusten macht den Augenblick wirklich zunichte.

Ich habe das nicht erwartet. Ich habe festgestellt, daß ich sehr oft an Fabiola denke. Ich liege im Bett in meinem kleinen Zimmer außerhalb des Schlafsaalwohnbereichs und verbringe Stunden damit, mir ihre Brüste, ihren Bauch, ihre Schenkel vorzustellen. Richtig Cherry Cheesecake. He, aber das ist keine Sünde. Ich bin in meinem Hochzeitsjahr und das Gesetz besagt, seid fruchtbar und mehret euch, nicht wahr?

Es gibt ein Mädchen im Frauenschlafsaal mit blaßgrünen Augen. So wie sie meine Mutter hatte. Sie hat eine komische Art, mich anzusehen, wenn sie glaubt, daß ich sie nicht beachte. Das Problem ist, daß es nicht statthaft wäre, einfach hinaufzugehen und sie anzusprechen, und ich niemanden kenne, der uns miteinander bekannt machen könnte. Dwight Dilemma.

Die Stimme der Guten Hirtin spricht aus meinem Stirnband, den ganzen Weg über vom Christus-Bezirk. Sie hat eine wundervolle Stimme – weich und gehaucht und voll von heiliger Kraft. Sie warnt uns. Der Schatten des Bösen fällt übers Land. Mehr denn je müssen wir Gläubige uns vor den Jeffersonschen Rationalisten und ihren Unwahrheiten hüten. Sie sagt, es gäbe geheime Anzeichen dafür, daß die Jeffersonisten eine Verschwörung gegen sie planen, weshalb, wegen Bedrohung von Gottes Herrschaft, das Grundgesetz im Dienste Jesu Christi zeitweilig außer Kraft gesetzt wird. Sicher, die Jeffersonisten werden deswegen wahrscheinlich vor Gericht gehen, aber sie werden verlieren. Gottes Herrschaft kommt vor allen übrigen Dingen.

Fabiola ist verwitwet, und einsam, glaube ich.

Wir haben gerade einen Springer eingefroren. Ich weiß nicht, ob er es absichtlich gemacht hat, aber ich nehme an, dadurch, daß er mit dem Schädel aufgeschlagen und sein Gehirn zehn Quadratmeter über den Asphalt verspritzt ist, hat er es den Medicos unmöglich gemacht, ihn zurückzuholen. Mickey Mess. Der erste erfolgreiche T.d.e.H., von dem ich erfahren habe. Ich wußte nicht, daß es geht.

»Der Juni ist was für Springer«, brummt Fabiola. Sie füllt, was ich von dem Hirngewebe zusammenschaufeln konnte, in einen sterilen Behälter und friert ihn zusammen mit dem Körper des Seelenmörders ein. Ich meine, das ist Zeitverschwendung. He, das ist eine Seele, die geradewegs zur Hölle fährt, keine zweite Chance. Davey Damned.

Warum tun sich Leute das an, hm?

Gut, wir jagen mit heulender Sirene den elevado in Richtung San Francisco de Asís entlang, durchschneiden den dichten Verkehr, als ich plötzlich frage: »Lebst du allein?« Einfach so. Platzt aus mir heraus, ohne daß ich’s wollte. Eddie Extemporeneous.

Fabiola taxiert mich. Ich sitze am Steuer und richte den Blick weiterhin auf die Straße, aber, he, ich habe ein großes seitliches Blickfeld.

»Warum fragst du?«

»Ich weiß nicht. Nur zur Konversation.« Ich rase zwischen zwei schwerfälligen Hovertrucks hindurch, die mit Dosenkonserven nach Arecibo und Mayagüez unterwegs sind. Der Große transportiert Thunfisch, der andere zubereitetes Seegras. Ich mag Thunfisch, aber roh. Jedesmal, wenn ich ein bißchen Extrakredit bekommen habe, gönne ich mir einen Besuch im # 3 Sushi Paradies. Sicher, es geht einem an den Kredit, aber, he, man hält nur einmal in dieser Zwischenstation, nicht? »Ich dachte, wenn du allein lebst, möchtest du vielleicht gern wieder heiraten.«

»Dich?«

»Ich bin in meinem Hochzeitsjahr. Wußtest du das nicht? Ich würde einen guten Ehemann abgeben. Ich bin ein Gottesfürchtiger Christ und folge den Zehn Geboten. Ich habe noch andere Vorzüge.«

»Warum mich?«

»Du bist die einzige Frau, die ich gut genug kenne.«

»Mich«, sagt sie trocken. »Du weißt aber, wie man ein Mädchen umhaut.« Sie hustet rauh und fängt sich wieder. »Sieh mal, wir arbeiten erst seit zwei Monaten zusammen. Du weißt verdammt wenig über mich.«

»He, ich bewundere deine Erfahrung und deine Professionalität. Dein Selbstvertrauen. Ich will so sein wie du.«

»Nein, willst du nicht.«

»Wieso nicht?«

»Du wärst ein sehr unglücklicher junger Mann.« Ich schalte den Chevyota in den Rückwärtsgang. »Versuchen wir diesmal, ein bißchen sanfter ans Ladedeck anzukoppeln, was meinst du?«

Wir liefern den Springer ab und kehren zurück, um den elevado entlangzufliegen. Ich höre den Hymnen aus dem Stirnband zu, als die Gute Hirtin unterbricht und bekanntgibt, daß die Partei der Jeffersonisten verboten worden ist. Fabiola starrt auf die fernen Berge der Cordillera Central. Selbst an einem sonnigen Tag wie heute hängt der Smog wie Rauch dazwischen. He, man braucht nur einen Haufen Leute zusammenzubringen und – zack – hat man Big Dick Drek. Fabiolas Augen sind rot gerändert und ihr Gesicht sieht plötzlich alt aus.