Die Scheune sah nicht viel besser aus als das Haus, und er beachtete sie kaum, als sein Blick zu dem Tor weiterwanderte, das in den Fels der Hügelflanke eingelassen war. Das Tor war schmutzig, die Farbe blätterte ab, und er ging hinüber und schlug hart mit der Handfläche dagegen. Staub wirbelte auf, der galvanisierte Stahl hallte unter dem Schlag. Er lächelte, es war eher ein Entspannen der schmalen Lippen als ein Grinsen, und griff nach der Silberkette, die er am Hals trug. An der Kette hingen zwei Schlüssel. Er schob den kleineren ins Schloß und zog. Das Tor hob sich mühelos bis zum Anschlag und rastete ein.
Der alte Mann richtete sich ganz auf und holte tief Luft und schnaufte erleichtert, als er in die Garage blicken konnte. Der Zementboden war mit einer Jahresladung Staub bedeckt, doch trotz der Dunkelheit konnte er sehen, daß alles so war, wie er es verlassen hatte. Er ging zur Rückwand des stockfinsteren Raums, und er stolperte nicht und zauderte nicht, als er den dunklen Umriß in der Mitte der Garage umrundete. Trotz der langen Zeit wußte er noch, wo alles war, und er hätte die Bewegungen auch blind ausführen können.
Er nahm einen roten Plastikkanister und hielt ihn unter den Auslaß des Achthundertlitertanks, der den größten Teil der hinteren Wand einnahm. Als der Kanister voll war, ging er zum Generator neben dem Tank und schüttete den Treibstoff hinein. Es wurde Zeit. Er legte die Schalter um und tastete nach dem Anlasserseil an der Seite des Generators. Er zog einmal, zweimal am Seil. Der Generator spuckte, und beim dritten Zug sprang er an, wie er es immer getan hatte. Die Garage erwachte unter dem Lärm des Generators zum Leben, als er den Choke zog. Die Leuchtstoffröhren an der Decke flackerten, dann verströmten sie blendend helles Licht.
Der alte Mann blinzelte und rieb sich die Augen. Als sein Blick sich auf das grelle künstliche Licht eingestellt hatte, betrachtete er das Ding in der Mitte der Garage. Es war mit einer enganliegenden grünen Plane abgedeckt, doch der Umriß war ihm so vertraut wie die Linien seiner Hände.
Er trat darauf zu und entfernte sanft, fast andächtig die Plane und faltete sie zu einem ordentlichen Quadrat zusammen, das er auf einem Regal ablegte. Sein Herz machte einen Sprung, als er sich wieder umdrehte und den Wagen betrachtete.
Es war ein 1978er Datsun 280 Z Two Plus Two. Er war burgunderrot und hatte goldene und silberne Streifen, und selbst der Staub, der durch die Plane gedrungen war, konnte die erstklassige Lackierung nicht verschandeln. Der Wagen hockte auf dem Zement wie ein lauernder Berglöwe, und der alte Mann umrundete ihn mehrmals langsam und bewunderte ihn aus allen Richtungen.
Schließlich klappte er den Tankverschluß auf und schüttete den Rest des Benzins aus dem Kanister in den Tank des Wagens. Dann stellte er den Kanister weg, legte sich auf den Bauch und inspizierte den rechten Vorderreifen. Der Druck war gefährlich niedrig. Er nahm die Pumpe aus dem Wandhalter, pumpte den Reifen auf und maß den Druck mit dem Druckmesser aus dem Werkzeugkasten. Erst als er ganz sicher war, daß der Wagen von außen völlig in Ordnung war, öffnete der alte Mann die Fahrertür. Abgestandene Luft zischte ihm ins Gesicht. Er kurbelte beide Fenster herunter; dabei beugte er sich vorsichtig über den Fahrersitz, um mit seinen schmutzigen Kleidern nicht das glatte schwarze Leder zu berühren.
Er öffnete die Motorhaube und legte ein Kabel von den Polen der Batterie zum Ladegerät und steckte den Stecker des Ladegeräts in den Anschluß des laufenden Generators. Seine Bewegungen waren präzise und seine Hände ruhig, obwohl er wußte, daß ein Dutzend Dinge schiefgehen konnten. Die Batterie war seit vier Jahren im Auto, und es war seine letzte. Er wußte, daß er keine weitere finden würde, und so betete er, während die Nadeln der Ladeanzeigen hinter den Glasdeckeln tanzten.
An dem Tag, als das Haus abgebrannt war, hatte der Kilometerzähler des Wagens auf 7800 Meilen gestanden, und ohne nachzusehen wußte er, daß er jetzt auf 8360 stand. In den letzten zwanzig Jahren war er jedesmal an seinem Geburtstag genau achtundzwanzig Meilen gefahren. Vierzehn Meilen bis zum großen Erdrutsch, der ein Stück vor Santa Cruz den Freeway blockierte, und vierzehn Meilen zurück. Seine Hände begannen zu zittern, als er an diese Ausfahrten dachte. Er schnappte sich ein zerfranstes Handtuch, ein Stück Seife und eine Schere von einem Regal und eilte hinaus, unfähig, seine Erregung länger zu unterdrücken.
Er ging zum Bach, der von der Quelle im Hügel herunterkam, und watete ins hüfthohe Wasser hinein. Es war kalt, doch er bemerkte die Kälte nicht. Er streifte die Häute, die er als Kleider trug, ab und stand nackt im brodelnden Wasser. Er benutzte reichlich Seife und schrubbte den Dreck ab, der seinen ganzen Körper überzog. Als er fertig war, betrachtete er die Seife in seiner Hand und überlegte, daß der Seifenvorrat wahrscheinlich länger halten würde als das Benzin. Ein Stück Seife im Jahr. Er lachte laut darüber, und der Widerhall seiner Stimme zwischen den Bäumen erschreckte ihn.
Er setzte sich ans Ufer und nahm die Schere. Er brauchte zehn Minuten, um sich den Bart abzuschneiden und das Gesicht mit der Schneide sauberzukratzen. Diesmal schnitt er sich nicht, und er fand, daß es ein gutes Omen war. Er richtete sein Haar, ohne sein Spiegelbild im silbernen Wasser zu betrachten, weil es noch nicht Zeit war, sich selbst zu sehen. Er schnitt es zurück, bis es nur noch knapp über die Ohren fiel. Es war ein schlechter Schnitt, doch der alte Mann wußte es nicht, weil er keine Vergleichsmöglichkeiten mehr hatte.
Er nahm das Handtuch, trocknete sich ab und ging in die Garage zurück. Er nahm ein Staubtuch aus einer Schublade in der Werkbank und stand mit zitternden Waden neben dem Wagen. Das dichte schwarze Haar auf seinen Beinen und seiner Brust kräuselte sich in der Kälte der Garage. Er beugte sich über den Wagen, streichelte die Staubflecken fort und wischte die feuchten Stellen ab, die sich unter der Plane gebildet hatten, als die Luftfeuchtigkeit in den langen Sommermonaten ihren Höhepunkt erreicht hatte. Im Hintergrund summte der Batterielader, und er lehnte sich gegen die Heckklappe, um hinauf zugelangen und den hinteren Teil des geneigten Daches abzuwischen. Er fuhr nur ganz leicht über das Metall, als wäre er ein Museumswärter, der ein kostbares Gemälde reinigt. Das war der schönste Teil, erinnerte er sich. Fast so schön wie das, was noch kommen würde.
Doch plötzlich war die schreckliche Einsamkeit wieder da, packte seinen Bauch wie eine Stahlklammer. Er und das Ereignis waren das einzige, was wirklich etwas bedeutete, beruhigte er sich. Er hatte oft geträumt, wieder in einer Zeit zu leben, in der er sein Meisterwerk mit anderen teilen konnte, mit Menschen, die es zu schätzen wußten. Doch sie waren nur Träume; niemand war mehr da, der im Wald die Bäume umstürzen hörte. Er war der einzige Hüter, und die Dinge, die er tat, tat er für sich. Doch das war gut, denn niemand war mehr da, der über ihn urteilen konnte – oder was noch wichtiger war, der über ihn lachen konnte.
Seine Erektion drängte gegen den Kotflügel, und er umarmte den Wagen, bewegte den Körper auf und nieder, während der Druck in seinen Lenden wuchs. Schließlich ergoß sich sein Samen auf den Boden; er trat rechtzeitig vom Wagen zurück, um die dicke Schicht Politur über der Farbe nicht zu beflecken.
Ein Tropfen seines Samens fiel auf die Radspeichen, und er rieb fluchend mit dem Tuch über die Speiche, um den Fleck zu entfernen. Schuldgefühle packten den Magen des alten Mannes, doch er wußte nicht, ob sie aus dem entstanden waren, was er gerade getan hatte, oder weil er das Auto besudelt hatte.
Er polierte die Speiche, bis sie wieder glänzte, und ging zu einem Metallschrank. Er öffnete ihn und begann sich anzuziehen. Neben dem Schrank stand ein verhängter, körpergroßer Spiegel, und als er fertig war, trat er davor und zog den Vorhang weg. Der alte Mann deckte den Spiegel immer erst auf, wenn er ganz angezogen war, denn er wollte sich nicht so sehen, wie er vorher gewesen war.