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Er starrte in das bläuliche Glas und sah Martin Rismiller zurückstarren. Das Gesicht im Spiegel war tiefbraun, abgesehen von den teigig weißen Stellen, die vom Bart bedeckt gewesen waren. Und er war kein alter Mann. Er war fünfundvierzig Jahre alt und heute war sein Geburtstag. Er stand aufrecht in seinem rostfarbenen Rollkragenpullover und der teuren vorgebleichten Levis. Seine Schuhe waren aus Wildleder, und er trug ein 24karätiges goldenes ID-Armband am rechten Handgelenk. Er lächelte, als er die braune Lederjacke und die Autohandschuhe anzog. Die Kleidung paßte immer noch gut, und er freute sich darüber. Ohne diese Kleidung wäre es nichts gewesen.

Er nahm die polarisierte Foster-Grants-Brille aus dem Halter auf dem Armaturenbrett und setzte sich in den hochlehnigen Fahrersitz. Er legte beide Hände auf das mit schwarzem Leder bezogene Lenkrad, packte es fest, bis er wußte, daß seine Knöchel unter den Handschuhen weiß angelaufen waren. Dann schob er den Schaltknüppel in den Leerlauf und setzte den Fuß auf die Kupplung. Er nahm den Schlüssel, den er jetzt über dem Pullover trug, schob ihn ins Zündschloß, atmete tief aus und drehte den Schlüssel herum.

Der Anlasser jaulte, die Maschine startete. Die Inspektionen, die er nach jeder Fahrt gemacht hatte, waren die Zeit wert gewesen, dachte er, als er sah, wie der Drehzahlmesser auf 1100 stieg. Der Öldruck war inzwischen normal, und die Batterieanzeige stand auf Ladung. Der Tageskilometerzähler stand auf 28, und er stellte ihn auf Null zurück, bevor er ausstieg, um die Batteriekabel abzuziehen und das Ladegerät auszuschalten. Er ließ den Wagen fünf Minuten lang warmlaufen. Dann legte er den Sicherheitsgurt an und überprüfte noch einmal die Anzeigen.

Er legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung langsam kommen, und der Z glitt langsam aus der Garage. Er machte eine Bremsprobe. Dann drehte er den Motor hoch. Trotz der geschlossenen Fenster konnte er hören, wie das tiefe Brummen des Motors von den Bergen widerhallte. Es war ein schönes Geräusch, er liebte es. Eine pochende, gedämpfte Melodie, die durch den dicken Teppich auf dem Boden heraufsummte, seine Beine herauf bis in die Schultern. Sie kam aus allen Richtungen. Berauschend.

Martin löste die Handbremse und fuhr auf die Lichtung hinaus. Die Sonne spiegelte sich im burgunderfarbenen Lack, als der Z den Schatten des Hügels verließ. Der Lack glänzte wie ein Spiegel und warf tanzende Reflexe in alle Richtungen, wie ein Laserstrahl aus weinrotem Licht, der vom Grün und Braun der Berge reflektiert wurde.

Martin fühlte sich wie ein Gott, als er eine Achtspurkassette aus der Mittelkonsole nahm und sie durch die Klappe ins Kassettendeck des Radios schob. Viele Jahre lang hatte er zuerst immer das Radio eingeschaltet, doch irgendwann hatte er es aufgegeben. Das eine Band, das er noch besaß, war mehr als genug. Die anderen waren verschlissen oder kaputt, doch er war dankbar, daß das Blaupunkt-Gerät überhaupt noch funktionierte. Er drückte das Band in den Abspieler, und Chuck Berry brüllte Johnny B. Goode über die Lichtung. Es hallte wie Kanonendonner. Vögel stoben in wilder Flucht durch die Baumwipfel, ein Eichhörnchen hörte zu knabbern auf und starrte mißbilligend das Auto an, dann huschte es einen Baum hinauf. Martin lächelte über das fliehende Nagetier und drehte die Lautstärke etwas zurück. Dann lenkte er den Wagen vorsichtig den Weg zum Freeway hinunter.

Er bekam Lust, dem Z die Sporen zu geben und wild schleudernd hinunterzurasen, doch er beherrschte sich, denn es war die Sache nicht wert, eine Spurstange oder einen Stoßdämpfer zu demolieren. Am Highway 17 hielt er kurz an und lauschte dem im Leerlauf drehenden Motor. Er lief rund, und Martin gab zweimal Vollgas und beobachtete, wie die Nadel des Drehzahlmessers tanzte. Er fuhr langsam weiter, bis er die Straße überblicken konnte, dann sah er in beide Richtungen, bevor er ganz hinausrollte.

Der Freeway vor ihm war auf zweihundert Meter schnurgerade, dann neigte er sich anmutig in eine Serie leichter Kurven. Er ließ die Kupplung kommen und gab Gas. Der Z reagierte ohne Zögern, genau wie immer. Er wartete, bis der Drehzahlmesser auf 4500 zeigte, dann schaltete er rasch in den zweiten Gang. Die Reifen quietschten, als der Wagen einen Satz machte, der Motor zog mühelos durch. Der Wagen raste das gerade Straßenstück hinunter, und Martin spähte über die stumpfe Schnauze nach vorn, um Hindernisse rechtzeitig zu bemerken.

Als der Z sich nach links in die erste Kurve neigte, schaltete Martin in den dritten Gang. Die Tachonadel kroch auf 70 Meilen, dann 75. Er nahm etwas Gas weg; die nächsten Kurven waren schärfer. Er lächelte wie ein Kind, die Musik war laut und schnell und der Wind wehte frisch durchs offene Fenster.

Chuck Berry sang jetzt Maybellene, und Martin lachte laut und sang mit, während er den Z mit 65 Meilen durch die Kurven lenkte. Ab und zu mußte er herunterschalten, doch hinter den Kurven trat er das Gaspedal wieder durch.

An der langen Steigung hinter Scott Valley stand der Tageskilometerzähler auf 8. Noch sechs Meilen, dachte er und bremste leicht ab. Er wollte sein Ziel nicht zu schnell erreichen. Kurz vor der Kuppe schaltete er in den vierten Gang, und die Tachonadel sprang auf 90. Martin war traurig, daß er sich nicht an seine Vorsätze halten konnte, doch das Gefühl verging rasch, als der Wagen über die Kuppe glitt und bergab raste.

Martins rechte Hand ruhte auf dem Schaltknüppel, und die Vibrationen des Motors zitterten durch die Hand und den Arm hinauf. Er schaltete krachend in den Dritten und hing schwer im Sicherheitsgurt, als der Wagen gefährlich durch die erste Kurve hinter der Hügelkuppe schlingerte. Er spürte, wie sich das Heck etwas anhob, als der Z zu rutschen begann. Die Hinterreifen verloren die Haftung, und Martin wußte, daß er Gas wegnehmen und schalten mußte, doch er wartete noch ab. Die seitliche Bewegung des Wagens trieb ihn in einen hypnotischen Zustand.

Der Z rutschte jetzt stärker, und Martin sah die Granitklippe näherkommen. Dann brach das Heck ganz aus. Er riß sich aus seiner Trance und tippte zweimal auf die Bremse, ganz kurz nur, bevor er den zweiten Gang einlegte und Gas gab.

Der Z knurrte wie ein verwundetes Tier und hockte sich auf seine Michelinklauen, als wollte er zornig das Gleichgewicht halten. Martin drehte das Lenkrad in die Richtung, in die er rutschte, begradigte die Kurve und schoß Zentimeter an der Klippe vorbei. Martin lachte wild über das Motorengeräusch und die Musik. So knapp war es noch nie gewesen. So war es eben. Und wenn ihr das nicht paßte, dann konnte er ihr auch nicht helfen. Es war sein Geburtstag.

Der Geist seiner schon lange toten Frau schalt ihn wegen seines Leichtsinns, und er schmollte und blickte zu ihr auf dem Beifahrersitz hinüber. Sie grub die langen Fingernägel ins Armaturenbrett, und er betrachtete ihre Stirn, als sie die großen braunen Augen zusammenzog und nach vorn blickte. Er betrachtete das kurze schwarze Haar, das ihr ovales Gesicht umrahmte, und wünschte, sie würde lächeln, damit er wieder das vergangene Glück sähe. Doch sie lächelte nicht mehr, und das war traurig.

Tell me who’s the queen

Standin’ by the record machine

Looking like a model

On the cover of a magazine …

Er seufzte über die Wahrheit der Zeilen und blickte wieder zur Straße. Der Kilometerzähler stand auf 13. Noch zwei Kurven, und er würde auf das lange abschüssige Stück nach Santa Cruz einbiegen. Dort unten blockierte die eingestürzte Überführung die Straße wie ein verirrter Wolkenkratzer. Er würde den Z anhalten und den inzwischen überwucherten Haufen Zement anstarren. Dann würde er wenden und zurückfahren. Noch ein ganzes Jahr bis zu seinem nächsten Geburtstag. Er zwang sich, an die näherkommende Kurve zu denken.