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Es war seltsam, sie zusammen zu beobachten. Manchmal schienen sie einander perfekt zu verstehen und gut zueinander zu passen — ein attraktives Paar, das über etwas lachte, was es gesehen hatte, und ich dachte, sieh an, George hat sich eine Sherpani-Freundin angelacht. Vielleicht seine Dakini, eine der weiblichen Gottheiten, die einen zur Weisheit führen. Nur ein paar Sekunden später schien sich dann, ohne jeden ersichtlichen Grund, ein Abgrund zwischen ihnen zu öffnen, der einem noch breiter vorkam, als es sich durch die unterschiedlichen Sprachen erklären ließ. Plötzlich wirkten sie dann wie Geschöpfe von verschiedenen Planeten, wie Fremde, die Gesten ausprobierten, um zu versuchen, ob sie verständlich waren. Doch selbst in jenen Augenblicken wirkten sie nicht unbeholfen — sollte sich eine Kluft zwischen ihnen befinden, schien sich keiner von ihnen besondere Sorgen zu machen, ob sie sich auch überbrücken ließ. Sie schienen zufrieden, auf der jeweils anderen Seite zu stehen und einander zuzuwinken.

Das war also hübsch anzusehen, und Lhamo und ich und die anderen Mädchen am Teich lachten ziemlich oft darüber. Doch mittlerweile war George immer noch krank, und die Kinder ebenfalls. Er hätte seine Pillen gleich in den Bach schmeißen können, soviel schienen sie geholfen zu haben. Er selbst wurde immer dünner, und ich bekam mit, daß er in den meisten Nächten hinausstürmen und im Dunkeln zu der Toilette vor dem Haus stolpern mußte, wo er sich dann über dem kleinen Loch im Boden niederkauerte, äußerlich frierend und innerlich verbrennend. Es ist erstaunlich, woran man sich gewöhnen kann; ich hatte so etwas auch schon mitgemacht und wußte, daß man sich so daran gewöhnen konnte, daß man — manchmal — den ganzen Akt fast im Schlaf bewältigte und um mittelalterliche Gebäude und Türen und Schlösser navigierte, ohne wirklich aufzuwachen, während es einem in anderen Nächten so schlecht und seltsam geht, daß sie sich einem in den Verstand ätzen und man dort draußen in der bitterkalten Dunkelheit hängt und fühlt, daß es sich um eine Art negatives Bodhi handelt und daß man fern der Heimat ist. Ich bin sicher, daß George in mehr als nur einer Nacht darunter litt.

Und die Kinder brüllten und lagen in ihren Betten und sahen trockenhäutig und fiebrig und matt aus und schissen wäßrigen Durchfall. »Verdammt«, sagte George, »Diarrhöe ist gefährlich für so kleine Spunde, sie trocknen so stark aus, daß sie sterben.«

In der Tat sah Sindus Junge nicht gut aus, und einer Menge Kinder im Dorf erging es genauso. Solch ein vor Menschen wimmelnder Ort! Mehrmals kamen Leute vorbei, um George zu fragen, ob er keine Antibiotika mehr übrig habe, und er konnte nur hilflos die Hände heben. »Alle weg! Alle weg! Freds, sag ihnen, daß es mir leid tut, ich habe nur noch Lomotil, aber da kriegt man Verstopfung von. Ich sollte es ihnen lieber nicht geben, oder?«

Der Meinung war ich auch.

Dann hatte er eine Idee. »Freds, was ist mit dieser Formel, die man Kindern mit Diarrhöe geben soll, mit der, die die UNO in der ganzen Dritten Welt verbreiten will, sie besteht aus irgendeinem einfachen Zeug, das jeder hat, und verhindert das Austrocknen. Komm schon, Mann, was war das noch gleich?«

»Hab nie davon gehört«, sagte ich.

Das trieb ihn in den Wahnsinn. »Es ist etwas ganz einfaches.« Aber es fiel ihm nicht ein.

Als er dann eines Morgens ein Glas Milchtee schwenkte, sagte er: »War es nicht einfach Salzwasser? Salzwasser mit vielleicht etwas Zucker darin?«

»Ich dachte, man soll kein Salzwasser trinken?«

»Normalerweise nicht, aber wenn man Durchfall hat, hilft es, das Wasser in die Körperzellen zu bringen.«

»Ich dachte, genau das verhindert es.«

»Normalerweise ja, aber in diesem Fall nicht.«

»Bist du dir sicher genug, um es auszuprobieren?«

Ein langes Schweigen. »Verdammt«, sagte er schließlich, »ich wünschte, ich hätte mehr Tetracyclin.«

Aber in den folgenden Tagen wurde Sindus Sohn schwächer und schwächer, und eine Menge der anderen Kinder ebenfalls. George kam zum Schluß, daß es die richtige Formel sei, und brachte mich dazu, ihn zum Kloster und zu Dr. Choendrak zu bringen.

In Kalapas großem Hof blieb George stehen und starrte mit weit geöffnetem Mund die ewige Flamme an. »Was zum Teufel ist denn das?« sagt er.

»Das ist die heilige ewige Kalacakra-Flamme«, erklärte ich ihm. »Seit den frühesten Zeiten hier ein religiöser Schrein.«

»Es ist Gas, Freds. Sie haben ein Naturgasvorkommen direkt hier im Tal!«

»Allerdings.«

»Na ja …« Er griff mit beiden Händen nach seinem Kopf, damit er nicht explodierte. »Warum benutzen sie es nicht? Anstatt den Wald abzuholzen, könnten sie das Gas in Öfen pumpen, und das Problem wäre gelöst!«

»Ich nehme an, da es ein heiliger Schrein ist und ein Zeichen von einer ihrer Gottheiten, ist es ihnen nie in den Sinn gekommen«, sagte ich.

George konnte es nicht glauben. »Sie fällen alle ihre Bäume und sehen zu, wie das Erdreich weggespült wird, und direkt vor ihren Nasen brennt dieses verdammte Feuer! Was denkt ihr euch hier nur? Was für ein Paradies ist das überhaupt?«

»Ein religiöses.«

»Mein Gott.«

Dann gesellte sich Dr. Choendrak zu uns, und George brachte mich dazu, als Übersetzer zu fungieren. »Eine Menge Kinder hier haben die Grippe«, sagte er zu dem Arzt.

Ich wiederholte das für Dr. Choendrak, und er nickte. »Ihr Blut hat sich mit ihrer Gallenflüssigkeit vermischt, und wir müssen sie voneinander trennen.«

»Das weiß er«, sagte ich zu George.

»Frag ihn, was er dagegen tut.«

Dr. Choendrak schüttelte den Kopf. Sie machten Medizinen, so schnell sie konnten, Medizinen aus Pflanzen, deren Namen ich George nicht übersetzen konnte.

»Frag ihn, ob in den Medizinen auch Salze sind.«

Der Arzt sagte, sie seien darin enthalten.

Schließlich mußte Dr. Choendrak uns in die Apotheke führen und es ihm zeigen. Es stellte sich heraus, daß in jedem Kanister mit Wasser, das der Arzt den Kindern gab, ein guter gehäufter Eßlöffel reines tibetanisches Steinsalz enthalten war.

»Oh«, sagte George und nickte. »Na ja, sag ihm, er soll auch noch etwas Zucker hinzufügen.«

Ich übersetzte das dem Arzt, und er nickte. Es stellte sich heraus, daß sie auch noch einen guten Eßlöffel Honig hinzufügten.

»Oh!« sagte George verlegen. »Gut! Schön für ihn! Sag ihm, daß die Weltgesundheitsorganisation genau das empfiehlt!«

Dr. Choendrak nickte und sagte, das sei gut.

Plötzlich schien der Arzt für George ein sehr vernünftiger Bursche zu sein. »Vielleicht haben ihre Medikamente tatsächlich eine antibakterielle Wirkung, und das Salz und der Zucker im Wasser verschafft ihrem Immunsystem mehr Zeit, das Problem in den Griff zu kriegen. Die Kinder brauchen das.«

Bevor wir gingen, bat mich George, Dr. Choendrak von seinem Plan mit der ewigen Flamme zu erzählen — er beschrieb Keramikrohre, einen großen zentralen Ofen im Dorf oder im Kloster selbst und ein Röhrenssystem zu den einzelnen Häusern. Und an den darauffolgenden Tagen begleitete er Dr. Choendrak bei seinen Krankenbesuchen, lenkte die Kinder ab, während sie untersucht wurden, oder hielt sie fest, wenn sie wieder bittere Medizin verordnet bekamen. Und er ließ alle von dem Wasser trinken, das großzügig mit Salz und Zucker versetzt war. Zwischen ihm und dem Arzt kam es zu einer gewissen Übereinkunft, und sie freundeten sich an, obwohl sie kein Wort von dem verstanden, was der andere sagte. Wahrscheinlich waren ihnen dabei ihre medizinischen Theorien eine große Hilfe.