Nach den Wochen in Shambhala sah Katmandu wie Manhattan aus, nur lauter und übervölkerter. Die Hupen der Taxis und Klingeln der Fahrräder und die Hitze und der Regen und der Schlamm und die vielen Autos und Geschäfte und Gesichter trieben uns umgehend zum Hotel Star, wo wir überwältigt in unseren Zimmern zusammenbrachen. Colonel John erklärte, er wolle am selben Abend noch zurück zum Ende der Straße fahren, und wir konnten ihn nicht überreden, hier zu übernachten. »Ich bin bald zurück«, sagte er, als er die Treppe hinabging. »Und dann weisen Sie besser Ergebnisse vor!«
Also waren wir uns selbst überlassen, und nachdem sich George unter seine Zwergendusche gesetzt und zwei Heißwassertanks verbraucht und ein paar Pfeifchen Haschisch geraucht hatte, fühlte er sich schon in allem viel besser. »Gehen wir ins Old Vienna und fressen wie die Schweine«, schlug er vor. »Ich bin so krank, daß es auch keine Rolle mehr spielt. Wasserbüffel, Milch, ich lasse nichts aus.« Also gingen wir ins Old Vienna Inn und aßen Ungarischen Gulasch und Wiener Schnitzel und Apfelstrudel und tranken Bier. Es war so gut, daß wir fast gestorben wären, was bei George leider wörtlich zu nehmen ist, da er den größten Teil dieser Nacht stöhnend auf der Toilette verbrachte.
Also tauchte er ein wenig kränklich aussehend in den Verwaltungsbehörden von Nepal auf, woran sich aber nichts ändern ließ. Den ersten Tag verbrachte er damit, mit Kontaktleuten zu sprechen; er besuchte den Oriental Carpet Shop, dessen Besitzer Yongten über die tibetanischen Exil-Buschtrommeln verbreiten ließ, daß man uns jede Unterstützung zukommen lassen solle. Dann trieb er einen amerikanischen Freund von uns namens Steve auf, der für das Peace Corps arbeitete. Und schließlich suchte er ein paar seiner Kumpel in der Einwanderungsbehörde auf, die in der Vergangenheit von den Bakschisch, die ihnen Georges Arbeitgeber zukommenließ, ein gutes Leben geführt hatten. Sie alle sagten ihm in etwas dasselbe, nämlich «Viel Glück!« Yongten schlug vor, er solle es mal im Amt für Öffentliche Arbeiten und Transport im Öffentlichen Verwaltungsgebäude am Ram Shah Path versuchen. »Aber du darfst es nicht eilig haben«, sagte Yongten zu ihm.
Hätte er auch nicht, entgegnete George; er habe genug Erfahrungen mit der Einwanderungsbehörde, wenn es darum ging, Trek-Genehmigungen und dergleichen zu bekommen.
»Einwanderung sehr schnell«, sagte Yongten. »Sehr effizient.«
Woraufhin George leicht erbleichte, doch er hatte seinen Entschluß gefaßt, und am nächsten Morgen sprang er auf sein Hero Jet und fädelte sich mit einem enthusiastischen Klingeln in den Verkehr ein.
Er kam am Abend kurz vor Sonnenuntergang völlig erschöpft zurück. »Hunger«, stöhnte er. »Essen.«
Also gingen wir ins K. C., und ich fragte ihn, wie es gelaufen sei.
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich habe das richtige Amt gefunden. Kannst du dir das vorstellen, es gibt ein Amt für Alte Straßen und ein Amt für Neue Straßen! Sie sind beide im Singha Durbar, und das ist ein ziemlich großer Komplex.«
Ich hatte es schon einmal gesehen und nickte; es war ein ehemaliger Palast, der von einem Park und einer kreisrunden Auffahrt vom Ram Shah Path getrennt war und aussah wie das Lincoln Memorial mit einem Hundu-Tempeldach.
»Die ganze Zivilverwaltung befindet sich dort. Ich brauchte eine Weile, um das Amt für Neue Straßen zu finden. Es war leer.«
»Du machst Witze.«
»Nein. Und dann kam ein Beamter vorbei, und als ich ihm erzählte, was ich herausfinden wollte, erklärte er mir, da diese Straße eine Verlängerung einer alten Straße sei, müsse ich mich an die Abteilung Alte Hügelstraßen wenden. ›Da neue Hügelstraßen Verlängerungen alter Hügelstraßen sind, ist die Abteilung für Alte Hügelstraßen und nicht die für Neue Hügelstraßen zuständig. Also schickte er mich dorthin. Wohin, weiß ich nicht mehr genau. Nach einer Weile fand ich die Abteilung, aber da war es schon nach drei, und sie hatten bereits geschlossen. Also fuhr ich nach Hause.«
»He«, sag ich, »da hast du doch schon gute Fortschritte gemacht.«
Keine Antwort von George.
Am nächsten Morgen machte er sich noch früher auf den Weg, und er kam noch später zurück. Ich fragte ihn, wie es ihm ergangen sei, und lotste ihn zu einem chinesischen Abendessen zu Valentino.
Als er die Frühlingsrolle aufschnitt, schüttelte er den Kopf. »Die Alten Hügelstraßen meinten, da es eine neue Straße sei, müsse ich offensichtlich zu den Neuen Hügelstraßen gehen. Sie taten so, als sei ich vollständig bekloppt. Sie sagten, sie kümmerten sich nur um die Erhaltung der Straßen und wüßten nichts von Erweiterungen.«
»Du machst Witze.«
»Nein. Also ging ich zu den Neuen Straßen zurück und fragte einen anderen, diesmal mit einem Bakschisch. Er sagte, sie wüßten nichts über diese Straße, es sei eine ganz besondere Straße.«
»Sag das noch mal.«
»Du hast richtig verstanden. ›Oh, Sir! Wir wissen nichts über diese Straße, von der Sie sprechen! Es ist eine ganz besondere Straße!‹ Sie empfahlen mir, mich ans Informationsamt im Kommunikationsministerium zu wenden.«
»Ein Fortschritt.«
In dieser Nacht war er wieder in beträchtlichen Nöten — er kam mit dem exotischen Essen von Katmandu nicht klar. Und am nächsten Tag fand er heraus, daß die Beamten des Informationsamtes nichts von unserer Straße wußten, nicht einmal, nachdem er sie mit einem Bakschisch bestochen hatte. Sie empfahlen ihm das Straßenamt. Oder vielleicht das Büro der Nationalen Planungskommission.
Am nächsten Tag schickte die Leute in der Planungskommission ihn zum Ministerium des Panchayat, dem ein Örtliches Entwicklungsamt angeschlossen war. Dort schickte man ihn zum Straßenamt.
»Wir machen Fortschritte«, sagte ich zu ihm. »Jetzt wissen wir, wohin wir uns nicht wenden müssen.«
Er schnaubte.
In der nächsten Woche fing er wieder von vorn an. Doch er war immer noch krank, und es schien ihm ständig schlechter zu gehen, und so fiel es ihm immer schwerer, einen vollen Tag durchzustehen.
Eines Tages sagte ihm jemand im Informationsamt, die Chinesen würden die Straße bezahlen, doch der König wolle nicht, daß die Inder davon erfuhren. Das gab uns neuen Mut, und nur einen oder zwei Tage später sagte ihm jemand im Örtlichen Entwicklungsamt, einer der Minister im Kabinett habe die Verträge für den Bau der Straße seiner Familie zugeschustert und wolle nicht, daß jemand davon erfuhr.
Ein paar Tage später informierte ihn ein dritter Beamter in der Abteilung für Alte Terai-Straßen, die Straße sei ein Geheimnis, weil die Inder sie bezahlten und der König nicht wolle, daß die Chinesen davon erfuhren.
Wieder ein paar Tage später nahm ein Informant im Panchayat ein Bündel Bakschisch entgegen und erzählte ihm, der Finanzminister habe sowohl die Chinesen als auch die Inder dazu gebracht, die Straße zu bezahlen, und sie wollten nicht, daß überhaupt jemand etwas davon erfuhr, damit keine Seite herausfand, was der Minister getan habe.
»Das klingt so wahrscheinlich, daß es wahrscheinlich nicht wahr ist«, meinte unser Freund Steve dazu.
Aber man konnte es nicht genau sagen. Und die ganze Zeit über hing George in diesen Ämtern im Singha Durbar herum und wartete darauf, von dem einen oder anderen Beamten empfangen zu werden, bis er eines Tages nach Hause kam und, als ich ihn fragte, wo er an diesem Tag gewesen sei, sagte: »Weiß nicht.«