Also lief alles zumindest ein paar Minuten lang hervorragend, doch leider ließ sich einer der Dämonen von seiner Begeisterung überwältigen und lief zu der nächsten Baracke, um in ein zerbrochenes Fenster zu starren; wahrscheinlich verspürte er eine dämonische Unbesiegbarkeit, die jedoch leider fehl am Platze war, denn jemand aus der Kaserne schoß auf ihn. Er fiel zu Boden, und da George und ich ihm am nächsten waren, liefen wir auf die Lichtung und hoben ihn hoch. Sein rechter Arm war blutverschmiert, und ich hatte den Eindruck, daß er starke Schmerzen hatte, bis mir wieder seine Maske einfiel. Schwarze Wolken waren am Himmel aufgezogen, und es war pechschwarz geworden, schwärzer konnte es nicht mehr werden, und es schneite heftig, und überall erklangen Schüsse, und unser dämonischer Gefährte deutete gerade an, daß er allein gehen könne, als bumm!, überall um uns herum Steine zu Boden fielen. Wir wurden von unseren eigenen Leuten unter Beschüß genommen. Ich bekam einen schweren Treffer auf die Schulter und den Rücken ab, und der Khampa auf die Seite, doch George hatte es am schwersten erwischt. Zum Glück neigten die Türkis-Kanonenkugeln unseres Colonels dazu, schon beim Abfeuern in tausend Splitter zu zerbrechen, so daß sie eher wie Schrot denn wie Bowlingkugeln herunterkamen. Dennoch landeten genug davon auf George, daß er zusammenbrach, gefällt von dem Rohmaterial für mehrere Dutzend Türkis-Ohrringe.
Das Zeug schnitt ihm die Haut an Hinterkopf und Schultern auf, und er konnte von Glück sprechen, die Maske zu tragen, denn die fing die meisten Treffer ab. Auch ihn erwischte es schwer. Nun mußte unser verwundeter Khampa uns helfen, und er zerrte George mit dem unverletzten Arm weiter, und ich nahm ihn an der anderen Seite, und wir zogen ihn schnell in den Rhododendron-Wald zu unserer Rechten.
Danach gerieten die Dinge etwas außer Kontrolle. Über den nepalesischen Kasernen gingen Zeremonienfeuerwerke lautstark in die Luft, und die Dächer dröhnten noch immer fürchterlich, doch allmählich drängte sich die Schlußfolgerung auf, daß tatsächlich ein paar Gurkhas in Chhule stationiert waren, denn aus einer Kaserne stürmten Soldaten hervor, völlig unbeeindruckt von unserem Feuer und nicht darauf achtend, daß der Himmel herunterfiel, und sie schossen mit sehr lauten Brrrp Brrrps auf uns, die auf sehr schweres Geschütz hinwiesen, und zu unserer Linken und Rechten regneten Rhododendron-Zweige hinab.
Da der Manjushri Rimpoche uns befohlen hatten, keinen nepalesischen Soldaten zu töten, blieb uns nun nur noch ein sehr hastiger Rückzug übrig, bei dem wir das Feuer nach Art der chinesischen Dämonenarmee erwiderten. Zumindest unsere Gefährten erwiderten es, doch der verwundete Dämon und ich hatten genug mit George zu tun, der zwar zu sich gekommen, aber noch unbeholfen und benommen war und unzusammenhängend murmelnd zwischen uns hertaumelte, als hätten die Treffer, die er abbekommen hatte, ihn auf den sehr kurzen Pfad zur Erleuchtung geführt, was ich allerdings bezweifelte. Er war ganz einfach benommen, und wir fielen immer weiter hinter dem Colonel und den Khampas zurück.
Ich prallte gegen einen zurückgelassenen Mörser, der noch im Schnee dampfte. Brrrp Brrrps bohrten sich wie Nägel der Furcht in uns, und über uns brachen Äste ab und deuteten an, daß diese Reaktion vielleicht nicht ganz unangemessen war. Ich kam zum Schluß, daß wir noch eine Mörsersalve auf die Nepali abfeuern mußten, obwohl mir heutzutage der Grund dafür nicht mehr ganz klar ist, und ich hatte die Sprengladung und die Yakwolle schon im Lauf, bevor ich feststellte, daß in der Nähe weder Türkise noch andere Felsbrocken lagen.
Also krochen wir hinter einen Baumstamm, ließen George wieder zu Atem kommen und glaubten schon, alles sei vorbei, als plötzlich ohne das geringste Geräusch kleine dunkle Gestalten mit langen Armen und seltsamen Köpfen um uns herum auftauchten. Ich wäre unter meiner Maske vor Angst fast geschmolzen, bis ich sah, daß eine davon eine Baseball-Mütze der L. A. Dodgers trug.
»Buddha!« sagte ich.
»Na-mas-taiii«, sagte er mit seiner hohen, leisen Stimme.
Ich nahm meine Dämonenmaske ab und ergriff seine schmale Hand, zu überwältigt, um überrascht zu sein.
»Was?« sagte George. »Was?«
»Wir haben Hilfe bekommen«, sagte ich zu ihm, und mit beträchtlicher Eile bedeutete ich Buddha, daß er den Mörser mit Steinen füllen solle, wobei ich als Beispiel eine Handvoll abgefallener Rhododendron-Blüten nahm. Er verstand mich falsch und stopfte mit drei oder vier seiner Brüder den Lauf schnell mit zusammengedrückten Blüten voll. »Ach, zum Teufel«, sagte ich und feuerte sie ab, und dann hatten die Yetis uns auch schon gepackt und schleppten uns bergaufwärts durch den Wald. Sollten die Gurkhas hinter uns doch selbst herausfinden, wieso es plötzlich Rhododendron-Brei regnete.
Auf halber Höhe des Gletschertals holten wir den Colonel und die Khampas ein, und unsere Yeti-Freunde ließen uns fallen, plötzlich scheu angesichts der Nähe so vieler Fremder mit Gewehren, ob es sich nun um Freunde aus Shambhala oder nicht handelte. »Danke, Buddha!« rief ich ihnen nach, als sie im Wald verschwanden, und dann schleppten der verletzte Khampa und ich George das Tal hinauf, dem Rest unseres Trupps hinterher. Der Khampa rief ihnen etwas auf Tibetanisch zu, und sie warteten auf uns, und dann waren die Gurkhas wieder in Schußweite, und wir liefen los, dem Nangpa La entgegen, so schnell wir konnten.
Nun begann es sowohl zu schneien als auch zu regnen, und eine Stunde später stellten wir fest, daß sich ein Bach, den wir auf unserem Hinweg problemlos durchwatet hatten, nun nicht mehr passieren ließ. Wir liefen flußaufwärts und fanden an einer schmalen Stelle ein paar Bäume, und die Khampas fällten zwei und ließen sie über das Wasser auf einen vorstehenden Felsbrocken auf der anderen Seite fallen. Der Colonel kroch als erster darüber und sicherte die Baumspitzen, so gut er konnte. Dann schickten wir George über diese Behelfsbrücke, doch dabei schob er die Bäume auseinander, wäre fast zwischen ihnen in den Bach gefallen und hätte dabei die Brücke zum Einsturz gebracht. Er hatte jeweils einen Arm und ein Bein um einen Stamm gelegt und hing fest. »Durchhalten!« schrie der Colonel ihn wütend an. »Nicht bewegen! Lassen Sie ja nicht los!« Und auf Tibetanisch befahl er dem Rest der Khampas, auf das andere Ufer zu kommen. Den meisten gelang das, ohne auf George zu treten, aber bei weitem nicht allen. Als wir alle drüben waren, krochen der Colonel und ich zurück und zogen George über die beiden Bäume in Sicherheit.
Das Erlebnis schien George aus seiner Erstarrung gerissen zu haben — er murmelte nun nicht mehr »Was? Was? Was?«, sondern gab ein deutlich verständliches »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« von sich.
»Na ja«, sagte ich im Versuch, ihn aufzuheitern. »Wenigstens haben wir keine Steigeisen getragen.«
Keine Antwort von George.
Nun hatten wir den größten der Flüsse überwunden und konnten uns ohne weitere Probleme zum Nangpa La zurückziehen. In der Tat erreichten wir den Paß so genau nach unserem Zeitplan, daß man glauben mochte, es hätte alles wie am Schnürchen geklappt, und wer weiß, vielleicht war der Colonel auch dieser Meinung, denn als wir, mit den Gurkhas dicht auf den Fersen, den Paß hinaufeilten, kam Kunga Norbus Gruppe von der tibetanischen Seite hinaufgeeilt, mit der Chinesischen Armee dicht auf den Fersen, und wir liefen über den Grat, verschwanden in unserem Tunnel, knallten die Tür zu und überließen es den Gurkhas und Chinesen, die Dinge zu klären, falls sie dazu imstande sein sollten. »Die bringen sich gegenseitig um«, sagte ich zum Colonel.