„Den sechzehnten Grad!“ Trentnor pfiff erstaunt durch die Zähne. „Jetzt verstehe ich auch, warum Sie sich so sehr dafür interessieren.“
„Die erste Expedition machte erstaunliche Entdeckungen. Wir erfuhren, daß es dort unten eine Waffe gibt, mit der wir die Riim vernichten können. Die Natur dieser Waffe ist uns leider nicht bekannt. Die drei Schiffe der ersten Expedition wurden sieben Lichtjahre von hier von den Riim angegriffen und vernichtet. Es gab keinen einzigen Überlebenden.“
Trentnor nickte grimmig. Solche Geschichten hatte er schon oft gehört „Sie haben demnach kaum Anhaltspunkte.“
„Leider nicht.“
„Und wie soll ich da die Stadt finden, auf die es ankommt?“
„Wir müssen eben suchen!“ rief Tormain heiser. „Wir müssen sie finden, sonst sind wir bald erledigt! Die Zeit ist knapp.“
Das brauchte er Trentnor nicht zu sagen. Der Kapitän des Raumschiffes kannte die allgemeine Situation so gut wie jeder andere.
„Die da unten gehörten doch einmal zum Bund. Sie werden uns sicher gern informieren.“
„Das ist es eben! Sie können uns nichts sagen. Wir haben Methoden, Informationen aus anderen herauszuholen, aber in diesem Fall werden auch die besten Tricks nichts helfen. Die jetzt lebenden Menschen wissen nichts von den Geheimnissen ihrer Vorfahren; sie sind degeneriert. Das Geheimnis ist mit der Zivilisation dieses Planeten vernichtet worden.“
Trentnor kratzte sich am Kinn. „Keine leichte Aufgabe für Sie, denke ich.“
„Wir müssen es trotzdem versuchen“, antwortete Vassey. „Es muß irgendwelche Aufzeichnungen geben.“
Das Schiff berührte die äußeren Schichten der Atmosphäre und rutschte wieder in den Raum hinein. Dieser Vorgang wiederholte sich immer häufiger; jedesmal tauchte das Schiff in dichtere Schichten ein und wurde dabei abgebremst. Die Männer wurden in ihre Sitze gepreßt und rangen nach Luft.
Nach mehreren Umkreisungen heulte das kleine Raumschiff durch die Wolken und stürzte auf die dunstige Oberfläche des Planeten hinab.
Trentnor setzte die Frontdüsen in Tätigkeit, um die Fahrt abzubremsen. Die Atmosphäre war nur wenig dichter als die ihres Heimatplaneten, so daß die Landung fast zu einer Routineangelegenheit wurde.
Bald konnten sich die Männer von den Gurten befreien und an den Fenstern versammeln. Vassey blickte Trentnor über die Schulter. Das Schiff war noch immer so hoch, daß die Einzelheiten der Planetenoberfläche nur verschwommen zu erkennen waren.
Trentnor suchte einen Landeplatz in einer ausgedehnten Sumpflandschaft. Die Sonne ging gerade im Westen unter und verwandelte den Horizont in ein Meer unwahrscheinlich leuchtender Farben. Im Osten war der Horizont bereits dunkel, und die Wolken wirkten wie drohende Ungeheuer.
Trentnor machte seine Routineprüfungen. Er prüfte den Sauerstoffgehalt der Luft, den Druck, die Feuchtigkeit. Die Werte waren einigermaßen normal. Kein einziger der Zeiger wies über den roten Gefahrenstrich hinaus.
„Einsame Gegend“, murmelte der Captain. „Ich bin so nahe wie möglich herangegangen.“
Vassey blickte hinaus. „Aber hier gibt es doch keine Stadt!“
„Sie kann nicht weit entfernt sein, das heißt, wenn Sie mir die richtigen Koordinaten angegeben haben. Wahrscheinlich liegt die Stadt hinter dem Kamm im Süden.“
„Wie sollen wir denn dorthin gelangen?“
„Zu Fuß natürlich“, entgegnete Trentnor trocken.
Die Wissenschaftler sagten nichts. Sie mußten sich auf den Piloten verlassen. Trentnor hatte sie so nahe, wie unter den gegebenen Umständen möglich, an das Ziel herangebracht. Mehr konnten sie nicht verlangen.
Die Schotten öffneten sich zischend. Trentnor kletterte als letzter ins Freie und schloß die Öffnungen von außen. Die Bewohner dieses Planeten waren nach dem Bericht der letzten Expedition auf den vierten Zivilisationsgrad zurückgesunken. Trotzdem bestand die Möglichkeit, daß sie sich mit Raumschiffen auskannten. Trentnor verließ den Raumer mit einem unsicheren Gefühl. Er hatte aber den Auftrag, die Wissenschaftler zu begleiten.
Ein kalter Nordostwind pfiff über die Ebene. Die Männer gingen durch knöcheltiefes Moos, das weich nachgab. Unter diesem Moospolster entdeckten sie einen harten Boden, der wie geschmolzenes Gestein und grober Sand aussah. An freien Stellen hatte dieser Untergrund mitunter einen metallischen Schein.
Trentnor hatte selten Angst, aber in dieser Umgebung fühlte er sich nicht wohl. Die öde Landschaft ging ihm auf die Nerven. Er konnte sich vorstellen, daß die in dieser Umgebung lebenden Menschen nicht gerade zu den hochstehenden Kulturen zählten.
Insgeheim lachte er über die Wissenschaftler, die auf einem solchen Stern ein Geheimnis suchten. Wenn es auf diesem öden Planeten je eine Zivilisation gegeben hatte, dann vor unendlich langer Zeit. Zeugen dieser Zivilisation konnten kaum noch vorhanden sein. Der Captain hatte den Eindruck, über einen riesigen Friedhof zu gehen, so vollständig war die Stille. Er entdeckte keine Tiere — keine Vögel, ja nicht einmal Insekten.
Der Boden stieg langsam an. Das war der einzige Wechsel in der öden Umgebung. Was hinter dem Kamm lag, konnte keiner ahnen. Bei der Landung waren in das darunterliegende Tal schon tiefe Schatten gefallen. Es gab keine Bäume, keine Sträucher, nicht einmal die Spuren ehemaliger Straßen, nur primitive Flechten und Moose.
Trentnor hatte viele fremde Planeten besucht, nie aber einen so von allem Leben verlassenen. Er spürte eine ungewisse Angst. Wenn er sich schon fürchtete, wie sollte es da erst den Wissenschaftlern gehen, denen solche Abenteuer fremd waren?
Die Kälte machte den Männern zu schaffen. Der. Wind drang durch ihre Kleidung und machte den Marsch durch die öde Landschaft noch ungemütlicher. Trentnor schritt instinktiv weiter aus, um schneller auf den Kamm zu gelangen.
Es dauerte aber noch geraume Zeit, ehe alle oben standen und auf die weite Ebene hinausblickten. Vor den Mündern der Männer standen kleine Dampfwolken. Sie atmeten alle sehr heftig, weil sie nicht an solche Anstrengungen gewöhnt waren. Es war schon ziemlich dunkel, aber noch hell genug, um die mitten in der Ebene stehende Pyramide erkennen zu können. Es war ein ungeheures, fast erdrückendes Bauwerk. Die riesige Pyramide strahlte ein schwaches Licht aus und hob sich dadurch noch deutlicher vom dunklen Hintergrund ab. Die absolute Stille machte den Eindruck noch überwältigender.
Trentnor, so leicht durch nichts zu erschüttern, war stark beeindruckt. Damit hatte er nicht gerechnet. Die gewaltige Pyramide ragte ungeheuer hoch in den Himmel und verdeckte teilweise die Sterne. Die Spitze war hoch oben in den Wolken verborgen. Es war praktisch ein Gebirge in Pyramidenform. Und doch war es ein künstliches Bauwerk, keine Laune der Natur. Eine Öffnung war nirgends zu entdecken.
„Soll das die Stadt sein, von der die andere Expedition berichtete?“ fragte er rauh.
Tormain nickte. Der Eindruck, den das gewaltige Bauwerk auf ihn machte, verschlug ihm die Sprache. Endlich fand er seine Stimme wieder.
„Der merkwürdige Schein muß ein elektronischer Schutzschild sein. Wir müssen uns vorsichtig verhalten. Die erste Expedition hat leider nichts darüber berichtet. Der Schutzschild kann sehr gut tödliche Wirkung haben.“
„Mag sein.“ Trentnor starrte auf das unheimliche Gebilde. „Aber die Leute hier haben von uns nichts zu befürchten. Auch sonst scheint es mir keine Gefahren zu geben, die ihnen besondere Vorsichtsmaßnahmen abverlangen.“
Das war ganz in Vasseys Sinn gesprochen. Der Wissenschaftler nickte zustimmend. „Sie können recht haben. Allerdings müssen die Bewohner durch irgendein Ereignis zum Bau dieser Pyramide gezwungen worden sein. Eine ungeheure Katastrophe muß den größten Teil der hier lebenden Menschen vernichtet haben. Die Angst vor dem Unglück hat sich über Jahrtausende erhalten.“
„Alles nur Vermutungen“, sagte Trentnor und versuchte, gleichgültig zu wirken. „Der Bau da jagt mir jedenfalls einen Schauer über den Kücken. Sie haben mich auf einen Gedanken gebracht, Vassey. Als die Bewohner dieses Planeten die gewaltige Pyramide bauten, mußten sie von der bevorstehenden Katastrophe gewußt haben. Vielleicht sollte ein Teil überleben und später einmal eine neue Zivilisation aufbauen. Ich frage mich, ob die Nachkommen der Überlebenden nur in der Pyramide wohnen oder sich auch hier draußen aufhalten.“