Einer meiner Freunde sagte, er sehe nicht ein, warum jemand unbedingt Mitglied werden solle, wenn er es nun einmal nicht wollte! Meine anderen Freunde stimmten zu, und wir gingen.
Heute habe ich herausgefunden, dass drei meiner Freunde doch Mitglieder geworden sind, nachdem andere Schüler mit ihnen geredet haben. Diesen Schüler aus dem Kurs von Mr. ROSS habe ich in der Pausenhalle gesehen, und er fragte mich, ob ich immer noch nicht beigetreten sei. Ich sagte ihm, ich hätte das nicht vor.
Und er hat darauf geantwortet, wenn ich es nicht bald täte, dann sei es zu spät. Und nun möchte ich gern wissen: Zu spät wozu? Laurie faltete die Blätter zusammen und schob sie in den Umschlag zurück. Ihre eigenen Gedanken über die Welle klärten sich allmählich.
Auf dem Rückweg vom Büro des Direktors sah Ben l mehrere Schüler, die in der Halle eine große Fahne mit dem Zeichen der Welle aufhängten. Es war der Tag, an dem sich der Fan-Club versammelte, nein, die Welle, musste ROSS seine Gedanken verbessern. Es waren jetzt noch mehr Schüler als vorhin auf dem Gang und in der Halle, und es kam ihm vor, als müsse er unaufhörlich grüßen. Wenn das so weitergeht, werde ich einen Muskelkater im Arm bekommen, dachte er belustigt.
Brad und Eric standen an einem Tisch und verteilten Flugblätter, während sie immer wieder riefen:
«MACHT DURCH DISZIPLIN! MACHT DURCH GEMEINSCHAFT!
MACHT DURCH HANDELN!«»Hier könnt ihr alles über die Welle erfahren«, erklärte Brad vorübergehenden Schülern.»Nehmt die Flugblätter mit.«
«Und vergesst die Versammlung heute Nachmittag nicht«, erinnerte Eric.
«Arbeitet zusammen und erreicht gemeinsam eure Ziele!«Ben lächelte. Die unerschöpfliche Energie der Schüler war fast zuviel für ihn. Überall in der Schule klebten jetzt Poster der Welle. Jedes Mitglied schien irgend etwas zu tun: neue Mitglieder gewinnen, Auskünfte geben, die Turnhalle für die Versammlung am Nachmittag vorbereiten. Ben fand es fast überwältigend. Ein Stückchen weiter hatte er das seltsame Gefühl, es folge ihm jemand. Einen Meter hinter ihm stand Robert und lächelte. Ben lächelte zurück und ging weiter, doch Sekunden später blieb er abermals stehen. Robert war noch immer dicht hinter ihm.»Robert, warum machst du das?«fragte Mr. ROSS.»Mister ROSS, ich bin Ihr Leibwächter«, erklärte Robert.
«Mein was?«
Robert zögerte ein wenig.»Ich möchte gern Ihr Leibwächter sein. Ich meine, Sie sind doch der Führer, Mister ROSS! Ich kann nicht zulassen, dass Ihnen irgend etwas zustößt!«
«Was könnte mir denn zustoßen?«fragte Ben und war von dieser Vorstellung erschreckt. Robert schien gar nicht auf die Frage zu achten.»Ich weiß, dass Sie einen Leibwächter brauchen, und ich könnte das, Mister ROSS. Zum erstenmal in meinem Leben habe ich das Gefühl.. Wirklich, niemand macht sich mehr über mich lustig. Ich habe das Gefühl, dass ich zu etwas ganz Besonderem gehöre. «Ben nickte.
«Also, darf ich? Ich weiß, dass Sie einen Leibwächter brauchen, und ich könnte das!«
Ben schaute Robert ins Gesicht. Der früher so in sich gekehrte Junge ohne
Selbstbewusstsein war jetzt ein ernsthaftes Mitglied der Welle, das sich Sorgen um seinen Führer machte. Aber ein Leibwächter? Ben zögerte. Ging das nicht zu weit?
Immer deutlicher erkannte er, welche Rolle seine Schüler ihm aufzwangen. Er war der oberste Führer der Welle. Im Laufe der letzten Tage hatte er mehrmals gehört, dass Mitglieder über» Befehle «sprachen, die er gegeben habe: Befehle, Poster in der Halle aufzuhängen, Befehle, die Bewegung der Welle auf die unteren Klassen auszudehnen, sogar den Befehl, die Versammlung des Fanclubs in eine
Versammlung der Welle umzufunktionieren. Seltsam daran war nur, dass er diese Befehle niemals gegeben hatte. Irgendwie waren sie in den Gedanken der Schüler entstanden, und dann hatte man sie ihm wohl fast automatisch zugeschrieben. Es war so, als hätte die Welle ein eigenes Leben gewonnen und ihn und seine Schüler mit sich fortgeschwemmt. Ben ROSS sah Robert Billings nachdenklich an: Er wusste, wenn er jetzt Robert erlaubte, die Rolle eines Leibwächters zu spielen, willigte er damit ein, zu einem Menschen zu werden, der einen Leibwächter brauchte. Aber gehörte das nicht auch zu dem beabsichtigten Ergebnis?» Also, gut, Robert«, sagte er.»Du darfst mein Leibwächter sein.«
Ein breites Lächeln erschien auf Roberts Gesicht. Ben zwinkerte ihm zu und ging weiter die Halle entlang. Vielleicht war es ganz nützlich, einen Leibwächter zu haben.
Für das Gelingen des Experiments war es wichtig, dass er der unumstrittene Führer der Welle blieb. Und diese Rolle konnte durch einen Leibwächter nur verstärkt werden.
Kapitel 12
Die Versammlung der Welle in der Turnhalle musste gleich beginnen, aber Laurie Saunders stand noch an ihrem Schrank und war nicht sicher, ob sie hingehen sollte.
Sie konnte immer noch nicht in Worte fassen, was ' sie an der Welle störte, aber sie spürte den Widerspruch in sich wachsen. Irgend etwas stimmte nicht. Der anonyme Brief von heute morgen war ein Symptom. Nicht nur hatte ein älterer Schüler versucht, einen jüngeren zum Beitritt in die Welle zu zwingen. Es war mehr — die Tatsache, dass der Schüler nicht gewagt hatte, seinen Namen unter den Brief zu schreiben, die Tatsache, dass er davor Angst gehabt hatte. Seit Tagen hatte Laurie versucht, die Wichtigkeit der Welle für sich selbst zu leugnen, aber es klappte einfach nicht. Die Welle war furchterregend. Sie war sicher großartig, solange man ein Mitglied war, das keine Fragen stellte. War man das aber nicht…
Lauries Gedanken wurden von plötzlichem Geschrei auf dem Platz vor der Turnhalle unterbrochen. Sie trat ans Fenster und sah, dass zwei Jungen sich prügelten, während andere rundum standen und sie lauthals anfeuerten. Laurie stockte fast der Atem. Einer der beiden Kampfhähne war Brian Ammon! Sie sah zu, wie die beiden sich gegenseitig mit Schlägen eindeckten und ungeschickt miteinander rangen, bis sie zu Boden stürzten. Was war da los?
Jetzt kam ein Lehrer herbeigelaufen und trennte die beiden Kämpfer. Er packte jeden der beiden fest an einem Arm und zerrte sie mit sich. Wahrscheinlich brachte er sie zu Direktor Owens. Als er fortgeführt wurde, schrie Brian:»Macht durch Disziplin!
Macht durch Gemeinschaft! Macht durch Handeln!«
Der andere Junge schrie zurück:»Ach, hör doch auf damit!«
«Hast du das gesehen?«
Die Stimme, die plötzlich hinter ihr war, erschreckte Laurie. Sie fuhr herum. Da stand David.»Hoffentlich lässt Direktor Owens Brian danach noch an der Versammlung teilnehmen«, meinte David.»Haben sie sich wegen der Welle geprügelt?«David hob die Schultern.»Es steckt mehr dahinter. Dieser Bursche, gegen den Brian da gekämpft hat, ist ein Junior. Deutsch heißt er. Er ist schon das ganze Jahr scharf auf Brians Platz in der Mannschaft. Das alles hat sich schon seit Wochen zusammengebraut. Ich hoffe nur, dass er bekommen hat, was er verdient.«»Aber Brian hat doch das Wellenmotto gerufen«, meinte Laurie.
«Ja, sicher. Er gehört ja dazu. Wir alle gehören dazu.«»Auch der Junge, mit dem er gekämpft hat?«David schüttelte den Kopf.»Nein, Deutsch ist ein Außenseiter, Laurie. Wenn er zur Welle gehörte, dann würde er ja nicht versuchen, Brian seinen Platz in der Mannschaft zu stehlen. Dieser Bursche ist wirklich schädlich für die Mannschaft. Hoffentlich wirft ihn Trainer Schiller hinaus.«»Weil er nicht in der Welle ist?«fragte Laurie.»Ja! Wenn er wirklich das Beste für die Mannschaft wollte, dann würde er beitreten, ohne Brian das Leben schwerzumachen. Er ist ein Ein-Mann-Team, Laurie. Er ist auf einem großen Ego-Trip und hilft keinem. «David schaute zur Uhr in der Halle.»Komm, wir müssen zur Versammlung. Sie fängt gleich an.«