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Immerhin hatte einer der Schläger den Jungen einen» dreckigen Juden «genannt.

Die Eltern des Jungen hatten Carl erzählt, sie würden ihren Sohn nicht zur Schule gehen lassen, sondern am Montag morgen erst einmal Direktor Owens einen Besuch abstatten.

Es gab auch andere Interviews mit besorgten Eltern und skeptischen Lehrern. Am kritischsten aber war der Leitartikel, auf den Laurie den größten Teil ihres Samstags verwendet hatte. Sie verurteilte darin die Welle als eine gefährliche und sinnlose Bewegung, die jede Freiheit der Meinung und des Denkens unterdrücke und die sich gegen alle Werte richte, auf die sich das Land gründe. Sie machte darauf aufmerksam, dass die Welle bereits angefangen hatte, mehr Schaden als Gutes zu tun (auch mit der Welle hatten die Spieler der Gordon High School gegen Clarkstown

42:6 verloren), und warnte, dass mehr Unheil geschehen würde, wenn man nichts gegen die Welle unternahm.

Carl und Alex erklärten sich bereit, das Manuskript gleich morgen früh zum Drucker zu bringen. Bis zur Mittagspause würde die Schülerzeitung dann verteilt werden können.

Kapitel 14

Eines musste Laurie noch tun, bevor die Zeitung herauskam. Am Montag morgen musste sie Amy finden und ihr die ganze Geschichte erklären. Sie hoffte noch immer, dass Amy ihre Meinung über die Welle ändern würde, sobald sie den Artikel las.

Laurie wollte sie gern warnen, damit sie sich noch von der Welle trennen konnte, ehe es vielleicht Ärger gab. Sie fand Amy in der Schulbibliothek und gab ihr einen Durchschlag des Leitartikels zu lesen. Während Amy las, öffnete sich ihr Mund immer weiter und weiter. Endlich hob sie den Kopf und sah Laurie fassungslos an.

«Und was hast du damit vor?«

«Das veröffentliche ich in der Schülerzeitung«, erklärte Laurie.

«Aber so etwas kannst du doch nicht einfach über die Welle sagen«, meinte Amy.

«Und warum nicht? Es ist doch alles wahr! Alle scheinen von der Welle förmlich besessen zu sein. Niemand denkt mehr selbständig.«

«Ach, hör doch auf, Laurie«, sagte Amy.»Du bist nur aufgeregt. Das kommt alles von deinem Streit mit David.«

Laurie schüttelte den Kopf.»Ich meine es ernst, Amy. Die Welle verletzt Menschen.

Und alle laufen ihr nach wie eine Herde Schafe. Ich kann nicht glauben, dass du immer noch dazugehören willst, nachdem du das gelesen hast. Siehst du denn nicht selbst, was die Welle ist?

Sie bedeutet, dass jeder vergisst, wer er eigentlich ist. Die sind doch alle nur noch Maschinen. Warum willst du unbedingt dazugehören?«

«Weil die Welle bedeutet, dass niemand mehr besser ist als andere«, sagte Amy.

«Weil ich seit dem Anfang unserer Freundschaft immer nur versucht habe, mit dir in Wettbewerb zu treten und mit dir Schritt zu halten. Aber jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, dass ich unbedingt einen Freund aus dem Footballteam haben muss genau wie du. Und wenn ich nicht will, dann brauche ich auch nicht dieselben Noten zu haben wie du, Laurie. Zum erstenmal seit drei Jahren habe ich das Gefühl, dass ich nicht mit Laurie Saunders im Wettbewerb stehe und dass die Menschen mich trotzdem mögen. «Laurie spürte eine Gänsehaut.»Ich… ich habe es immer gewusst, dass du es so empfindest«, stammelte sie,»und ich wollte schon immer mit dir darüber reden.«»Weißt du denn nicht, dass die Hälfte aller Eltern der Kinder in unserer Schule ihren Söhnen und Töchtern sagen: >Warum kannst du nicht sein wie Laurie Saunders?<«sagte Amy.»Ach, Laurie, du bist doch nur gegen die Welle, weil du jetzt nicht mehr die Prinzessin unter uns bist.«

Laurie war betroffen. Selbst ihre beste Freundin, ein so kluges Mädchen wie Amy, wandte sich wegen der Welle gegen sie. Allmählich wuchs ihr Zorn.»Ich werde es jedenfalls veröffentlichen!«erklärte sie. Amy blickte zu ihr auf und sagte:»Tu's nicht, Laurie!«Aber Laurie schüttelte den Kopf.»Es ist schon in Druck«, sagte sie,»und ich weiß, was ich zu tun habe. «Plötzlich war es, als wären sie Fremde. Amy blickte auf ihre Uhr.»Ich muss gehen«, sagte sie und ließ Laurie allein in der Bibliothek zurück.

Die Exemplare der Schülerzeitung waren noch nie so schnell unter die Leute gebracht worden wie an diesem Tag. Es entstand eine mächtige Unruhe in der Schule. Nur wenige hatten bis jetzt von dem Mitschüler gehört, den man zusammengeschlagen hatte, und selbstverständlich kannte noch keiner die Geschichte des anonymen Briefeschreibers. Aber sobald diese beiden Artikel in der Zeitung erschienen, liefen auch andere Geschichten um. Geschichten von Bedrohungen und Erpressungen gegen Schüler, die aus irgendeinem Grund der Welle Widerstand leisteten.

Es liefen auch noch andere Gerüchte um. Danach sollten am Morgen Lehrer und Eltern im Büro von Direktor Owens gewesen sein, um sich zu beschweren, und die Mitglieder des Schulrats hatten begonnen, Schüler zu befragen. Auf dem Pausenhof und in den Klassen herrschte eine unbehagliche Stimmung. Im Lehrerzimmer legte Ben ROSS sein Exemplar der Schülerzeitung aus der Hand und strich sich mit den Fingerspitzen über die Schläfen. Plötzlich hatte er entsetzliche Kopfschmerzen.

Irgend etwas war schiefgegangen, und ROSS hatte das deutliche Gefühl, er müsse sich deswegen Vorwürfe machen. Es war entsetzlich und unglaublich, dass man diesen Jungen zusammengeschlagen hatte. Wie konnte man ein Experiment mit solchen Auswirkungen verteidigen? Überrascht stellte er fest, dass auch die deutliche Niederlage der Footballmannschaft gegen Clarkstown ihn störte. Es war schon merkwürdig, dass diese Niederlage ihn überhaupt beschäftigte, obwohl er sich gar nicht für Football interessierte. War es wegen der Wellet Im Laufe der letzten Woche hatte er angefangen zu glauben, wenn das Footballteam ein gutes Ergebnis erzielte, so könnte das eine starke Wirkung auf den Erfolg der Welle haben.

Aber seit wann wünschte er sich eigentlich einen Erfolg der Welle*. Erfolg oder Fehlschlag der Welle waren doch nicht Ziel des Experiments. Er hatte sich eigentlich nur für das zu interessieren, was seine Schüler daraus lernten.

Im Lehrerzimmer hing eine Hausapotheke, die praktisch alle jemals erfundenen Kopfschmerzmittel enthielt. Einer von Bens Freunden hatte ihm einmal erzählt, unter den Ärzten gebe es die höchste Selbstmordrate, unter den Lehrern die höchste Kopfschmerzrate. Ben schüttelte drei Tabletten aus der Röhre und ging zur Tür, um etwas Wasser zu holen.

Aber als er die Tür gerade erreicht hatte, blieb Ben stehen, weil er Stimmen draußen auf dem Gang hörte: Norm Schillers Stimme und die eines anderen Mannes, die er nicht erkannte. Jemand musste Norm gerade in dem Augenblick aufgehalten haben, als er das Lehrerzimmer betreten wollte. Jetzt stand er vor der Tür und redete mit jemand anderem. Ben hörte von innen zu.

«Nein, diese Welle war überhaupt nichts wert«, sagte Schiller.»Natürlich, die Jungen sind aufgeputscht worden und haben geglaubt, sie könnten gewinnen. Aber auf dem Spielfeld konnten sie das eben nicht in die Tat umsetzen. Alle Wellen der Welt sind nicht so gut wie ein paar tüchtige Spieler. Es gibt keinen Ersatz dafür. Man muss das Spiel einfach von Grund auf beherrschen.«»Also, wenn Sie mich fragen, hat ROSS diese Kinder einer richtigen Hirnwäsche unterzogen«, sagte der noch unbekannte Mann.»Ich weiß nicht, was zum Teufel noch mal er sich dabei denkt, aber es gefällt mir jedenfalls nicht. Und es gefällt auch keinem der anderen Lehrer, mit denen ich gesprochen habe. Woher nimmt er sich eigentlich das Recht dazu?«

«Danach dürfen Sie mich nicht fragen«, antwortete Schiller.

Die Tür des Lehrerzimmers öffnete sich langsam, und Ben zog sich schnell in die Toilette neben dem Lehrerzimmer zurück. Sein Herz klopfte schnell, und sein Kopf schmerzte noch mehr als zuvor. Er spülte die drei Aspirin hinunter und vermied es, sich selbst im Spiegel anzuschauen. Fürchtete er sich vor dem, den er dann sehen könnte: einen Lehrer an der High School, der versehentlich in die Rolle eines Diktators geschlüpft war?