«Es war einfach unglaublich«, erzählte Laurie.»Alle haben gegrüßt und die Grundsätze wiederholt. Man konnte gar nichts dagegen tun. Man wurde einfach mitgerissen, wollte einfach, dass es gut funktionierte. Und man spürte, wie sich allmählich eine gemeinsame Kraft entwickelte. «Mrs. Saunders kratzte nicht mehr am Tischtuch und sah ihre Tochter an.»Das gefällt mir nicht, Laurie. Es kommt mir so militaristisch vor.«
«Du siehst immer gleich alles von der schlechten Seite«, wandte ihre Tochter ein.
«Damit hat es wirklich nichts zu tun. Ehrlich, du müsstest nur einmal dabei sein, dann würdest du merken, was da für ein positives Gefühl entsteht.«
Mr. Saunders stimmte ihr zu.»Um die Wahrheit zu sagen: Ich bin für alles, was die Kinder dazu bringt, heutzutage überhaupt noch auf irgend etwas zu achten.«»Das tut es wirklich«, versicherte Laurie.»Selbst die Schwachen sind dabei. Du kennst doch Robert Billings, den Versager der Klasse? Selbst er ist jetzt ein Teil der Gruppe.
Keiner hat sich seit zwei Tagen mit ihm angelegt. Und das ist doch schon etwas Positives, oder?«»Aber eigentlich sollt ihr Geschichte lernen und nicht, wie man Teil einer Gruppe wird«, wandte Mrs. Saunders ein.»Ach, weißt du«, sagte ihr Mann,»unser Land wurde schließlich von Menschen aufgebaut, die Teil einer Gruppe waren, von den Pilgervätern. Ich glaube, es ist gar nicht schlecht, wenn Laurie lernt, wie man gemeinsam arbeitet. Wenn es bei uns in der Fabrik ein bisschen mehr Kooperation gäbe und nicht nur diese ewigen Auseinandersetzungen und die ständige Besserwisserei, dann hätten wir in diesem Jahr keinen Produktionsrückstand.«
«Ich habe nicht behauptet, Zusammenarbeit sei schlecht«, wehrte sich seine Frau.
«Aber jeder muss auch die Möglichkeit haben, auf seine eigene Art zu arbeiten.
Wenn du schon von der Größe unseres Landes redest, dann sprichst du notwendigerweise auch von Menschen, die sich nicht davor gefürchtet haben, als Individuen zu handeln.«
«Ich glaube wirklich, du siehst das ganz falsch«, sagte Laurie.»Mr. ROSS hat einfach eine Möglichkeit gefunden, alle einzubeziehen. Und schließlich machen wir immer noch unsere Hausaufgaben. Wir haben die Geschichte ja nicht einfach vergessen.«»Das ist alles gut und schön. Es hört sich nur nicht so an, als wäre es gut für dich, Laurie. Schließlich haben wir dich zu einem selbständigen Menschen erzogen. «Lauries Vater wandte sich an seine Frau.»Meinst du nicht auch, dass du das ein wenig zu ernst nimmst? Ein bisschen Gemeinschaftsgeist kann den Kindern doch bestimmt nicht schaden.«
«Richtig«, pflichtete Laurie ihm bei und lächelte.»Hast du nicht selbst immer behauptet, ich sei viel zu unabhängig?«
Mrs. Saunders blieb ernst.»Du darfst nur nicht vergessen, dass das Beliebte durchaus nicht immer das Richtige sein muss.«
«Aber, Mutter!«sagte Laurie verzweifelt, weil ihre Mutter die Sache so gar nicht von ihrer Seite her betrachten wollte.»Entweder du bist wirklich dickköpfig, oder du verstehst das alles nicht richtig.«»Ich bin überzeugt, dass Lauries Geschichtslehrer schon wissen wird, was er tut, und ich verstehe nicht, warum man daraus eine große Sache machen sollte«, erklärte der Vater.
«Und glaubst du nicht, dass es gefährlich ist, wenn ein Lehrer seine Schüler derart manipuliert?«fragte seine Frau.
«Er manipuliert uns doch gar nicht«, widersprach Laurie.»Er ist einer meiner besten Lehrer. Er weiß genau, was er tut, und ich finde, was er tut, ist gut für die Klasse. Es wäre schön, wenn es bei den anderen Lehrern nur halb so interessant wäre.«
Die Mutter schien das Streitgespräch fortsetzen zu wollen, doch der Vater wechselte das Thema.»Wo bleibt denn David heute?«fragte er.»Kommt er heute nicht?«
David kam oft abends, meistens unter dem Vorwand, noch mit Laurie lernen zu wollen. Meistens saß er dann aber bald mit Mr. Saunders im Wohnzimmer und fachsimpelte über Sport und Technik. David wollte Ingenieur werden, genau wie Mr.
Saunders, folglich hatten sie viel Gesprächsstoff. Mr. Saunders hatte in der Schule auch Football gespielt, und Lauries Mutter hatte einmal gesagt, die beiden seien einfach vom Himmel füreinander bestimmt. Laurie schüttelte den Kopf.»Er ist zu Hause und bereitet sich für morgen auf die Geschichtsstunde vor. «Mr. Saunders sah
überrascht aus.»David bereitet sich vor? Das ist ja nun wirklich etwas, worüber man sich Sorgen machen könnte!«Da sowohl Ben als auch Christy ROSS vollen Unterricht zu erteilen hatten, ergab es sich, dass sie sich die Hausarbeiten teilten: das Kochen, das Putzen und die Einkäufe. An diesem Nachmittag hatte Christy ihren Wagen in die Werkstatt bringen müssen, folglich hatte Ben versprochen, sich um das Kochen zu kümmern. Nach der Geschichtsstunde war er aber viel zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um auch nur an Kochen zu denken. Deshalb kaufte er auf dem Heimweg ein paar chinesische Fertiggerichte ein.
Als Christy am Abend heimkam, fand sie keinen gedeckten Tisch vor. Statt der Teller lagen dort wieder Bücher. Sie betrachtete die braunen Einkaufstüten in der Küche und fragte:»Nennst du das ein Abendessen?«Ben blickte auf.»Tut mir leid, Christy, aber mich beschäftigt diese Klasse zu sehr. Und ich muss mich so gründlich darauf vorbereiten, dass ich keine Zeit zum Kochen hatte.«
Christy nickte. Immerhin verhielt er sich nicht regelmäßig so, wenn er mit dem Kochen an der Reihe war, also konnte sie ihm diesmal verzeihen. Sie fing an, seine Einkäufe auszupacken.»Wie läuft denn das Experiment, Dr. Frankenstein? Haben sich deine Monster noch nicht gegen dich gewandt?«
«Ganz im Gegenteil«, erwiderte ihr Mann.»Die meisten verwandeln sich allmählich in menschliche Wesen.«»Was du nicht sagst!«»Ich weiß zum Beispiel, dass sie alle den aufgegebenen Text lesen. Manche lesen sogar schon ein Stück voraus«, sagte Ben.»Es sieht ganz so aus, als fänden sie plötzlich Spaß daran, auf den Unterricht vorbereitet zu sein.«»Oder sie haben plötzlich Angst davor, nicht vorbereitet zu sein«, bemerkte seine Frau. Ben überhörte ihren Kommentar.»Nein, ich glaube wirklich, sie haben sich gebessert. Auf jeden Fall benehmen sie sich besser.«
Christy schüttelte den Kopf.»Das können nicht dieselben Kinder sein, die ich im Musikunterricht habe.«»Ich sag's dir doch!«erklärte ihr Mann.»Es ist verblüffend, aber sie mögen dich tatsächlich mehr, wenn du alle Entscheidungen für sie triffst.«
«Ja, sicher. Es bedeutet ja weniger Arbeit für sie selbst. Sie brauchen nicht mehr selber zu denken«, sagte Christy.»Aber jetzt hör bitte auf zu lesen und räume ein paar von den Büchern beiseite, damit wir endlich essen können.«
Während Ben den Küchentisch teilweise abräumte, trug Christy das Essen auf. Als Ben aufstand, glaubte sie, er wolle ihr helfen, doch er ging nur in Gedanken versunken in der Küche auf und ab. Auch Christy dachte über die Welle nach. Irgend etwas daran störte sie, etwas am Tonfall, mit dem ihr Mann über seine Klasse sprach — als wären seine Schüler jetzt besser als alle anderen in der Schule. Während sie sich setzte, fragte sie:»Wie weit willst du den Versuch noch treiben, Ben?«»Ich weiß nicht«, antwortete ROSS.»Aber ich glaube, es kann eine ganz faszinierende
Angelegenheit werden. «Christy beobachtete ihren Mann, wie er gedankenverloren in der Küche auf und ab ging.»Warum setzt du dich nicht?«fragte sie.»Dein Essen wird kalt.«»Weißt du«, sagte ihr Mann, während er an den Tisch kam und sich setzte,»das Merkwürdige daran ist, dass ich selbst auch völlig gefesselt bin. Die Sache ist ansteckend.«
Christy nickte. Das war offensichtlich.»Vielleicht wirst du zu einem Meerschweinchen in deinem eigenen Experiment«, sagte sie. Und obgleich sie es wie im Scherz sagte, hoffte sie doch, dass er es als Warnung verstünde.