„Mr. Caxton“, sagte der Monitor scharf, „alle Beweise, die uns zugänglich sind, deuten darauf hin, daß Mr. O’Mara keine Schuld trifft, sowohl was den Unfall als auch was seine Pflege des Säuglings angeht. Aber ich bin noch nicht ganz mit ihm fertig. Vielleicht würden Sie beide daher so freundlich sein und mich mit ihm allein lassen…“
Caxton stürmte hinaus, langsam gefolgt von Waring.
Dieser blieb an der Tür stehen, drehte sich um und warf O’Mara drei nicht wiederzugebende Worte an den Kopf, grinste und ging hinaus. Der Major seufzte.
„O’Mara“, sagte er streng. „Sie sind wieder einmal einen Job los. Ich gebe zwar in der Regel keine Ratschläge, die man nicht von mir verlangt, aber diesmal möchte ich Sie doch an ein paar Dinge erinnern. In einigen Wochen werden der Stab und das Personal dieses Hospitals eintreffen, und sie werden aus praktisch allen bekannten Spezies der Galaxis bestehen. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß zwischen ihnen keine Reibungen entstehen und sie am Ende als Team zusammenarbeiten. Dafür gibt es keine geschriebenen Regeln, aber meine Vorgesetzten sagten mir, ehe sie mich hierherschickten, daß man dazu einen guten praktischen Psychologen braucht, einen Mann mit viel gesundem Menschenverstand, einen Mann, der sich nicht davor scheut, auch einmal ein Risiko einzugehen. Ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, daß zwei Psychologen noch besser wären…“
O’Mara hörte zwar zu, dachte aber hauptsächlich an dieses Grinsen Warings, das er gerade gesehen hatte. Das Baby und Waring waren jetzt in Ordnung, das wußte er, und in seinem augenblicklichen Hochgefühl der Freude konnte er niemand etwas abschlagen. Aber offenbar hatte der Major seinen Gesichtsausdruck falsch verstanden.
„… verdammt, ich biete Ihnen einen Job an! Sie passen hierher, sehen Sie das nicht ein? Das ist ein Hospital, Mann, und Sie haben Ihren ersten Patienten geheilt…!“
7
Einem riesigen mißgestalteten Weihnachtsbaum vergleichbar, blinkten die Lichter des Hospitals — Sektor zwölf — vor dem nebelhaften Hintergrund der Sterne. Lichter, die gelb, rot, orange und von weichem Grün waren, und wieder andere, deren grelles Blau beinahe unerträglich schien. Manche Stellen waren auch dunkel. Hinter diesen undurchsichtigen Metallflächen lagen Abteilungen, wo das Licht so durchdringend grell war, daß man die Augen anfliegender Raumpiloten davor schützen mußte oder Abteilungen, die so finster und kalt waren, daß nicht einmal das Licht, das von den Sternen hereindrang, die Augen ihrer Bewohner erreichen durfte.
Für die Insassen des Telfi-Schiffes, das aus dem Hyperraum glitt und etwa zwanzig Meilen von diesem eigenartigen, mächtigen Gebilde entfernt im Raum schwebte, war diese Festbeleuchtung jedoch zu schwach, um ohne die Hilfe von Instrumenten wahrgenommen zu werden. Die Telfi waren Energie-Esser. Die Hülle ihres Schiffes flackerte in blauem, radioaktivem Schein, und das Innere war mit harter Strahlung erfüllt — was in jeder Beziehung normal war. Nur im Heck des kleinen Schiffes herrschten keine normalen Bedingungen. Hier lagen die aktiven Bestandteile eines Energiemeilers, verteilt auf kleine, subkritische und unabgeschirmte Massen im Maschinenraum des Schiffes herum. Und hier war es selbst für die Telfi zu heiß.
Das Gruppenwesen, das gleichzeitig der Kapitän des Telfi-Raumschiffes — und seine Mannschaft — war, aktivierte seinen Kurzstreckeninterkom und sprach in jener klickenden und summenden Sprache, die man zum Verkehr mit jenen bedauernswerten Wesen benutzte, die außerstande waren, mit einer „Telfigestalt“ zu verschmelzen.
„Das ist eine Telfi-Hundert-Einheiten-Gestalt“, sagte es langsam und deutlich. „Wir haben Verluste und benötigen Hilfe. Unsere Klassifikation ist VTXM, wiederhole VTXM…“
„Bitte Einzelheiten und Dringlichkeitsgrad“, sagte eine Stimme, als das Telfi gerade die Nachricht wiederholen wollte. Der Satz wurde in die gleiche Sprache übertragen, die der Kapitän benutzt hatte. Das Telfi gab schnell Einzelheiten an und wartete. Um es herum und teilweise es durchsetzend, wirkten hundert spezialisierte Einheiten, die gleichzeitig sein Geist und sein Körper waren. Einige der Einheiten waren blind, taub und vielleicht sogar tot, Zellen, die keinerlei Sinneseindrücke empfingen oder aufzeichneten. Aber dann gab es auch andere, die Wellen von solcher Todesqual ausstrahlten, daß das Gruppenwesen zuckte und sich wand. Würde denn diese Stimme nie antworten, fragten sie sich, und wenn ja, würde sie ihnen helfen können?
„Sie dürfen sich dem Hospital nur bis höchstens auf fünf Meilen nähern“, sagte die Stimme plötzlich. „Sonst könnte durch Ihre Annäherung Strahlungsgefahr für weniger strahlungsresistente Wesen, als Sie es sind, entstehen.“
„Wir verstehen“, sagte das Telfi.
„Gut“, sagte die Stimme. „Sie müssen auch bedenken, daß Ihre Rasse zu ›heiß‹ ist, als daß wir Sie direkt behandeln könnten. Es sind bereits ferngesteuerte Mechanismen zu Ihnen unterwegs, und es würde unsere Arbeit erleichtern, wenn Sie veranlaßten, daß Ihre Verletzten zur Hauptschleuse des Schiffes gebracht werden. Wenn das nicht möglich ist, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Uns stehen Apparate zur Verfügung, die Ihr Schiff betreten und die Verletzten entfernen können.“
Die Stimme schloß, indem sie sagte, man hoffe zwar, dem Patienten helfen zu können, sei jedoch im Augenblick nicht imstande, eine genaue Prognose abzugeben.
Die Telfigestalt dachte, daß die Qualen, die ihren Geist und ihren weitverzweigten, vielgliedrigen Körper heimsuchten, bald vorüber sein würden — ebenso aber auch ein Viertel eben dieses Körpers!
Mit jenem Glücksgefühl, das acht Stunden Schlaf, ein gutes Frühstück und die Aussicht auf eine interessante Arbeit erzeugen können, machte Conway sich auf den Weg zu seiner Station. Eigentlich war es natürlich nicht seine Station — wenn irgend etwas gefährlich zu werden drohte, erwartete man von ihm nur, daß er laut genug um Hilfe rief. Aber in Anbetracht der Tatsache, daß er erst seit zwei Monaten hier war, störte ihn das nicht, ebensowenig wie es ihn störte, daß noch eine lange Zeit vergehen würde, bis man ihm Fälle anvertrauen würde, bei denen die Behandlung über rein mechanische Methoden hinausging. Uneingeschränktes Wissen über die Physiologie einer beliebigen fremden Spezies ließ sich binnen Minuten mit einem Trainingsband erwerben, aber das Geschick, dieses Wissen entsprechend zu verwenden — speziell in der Chirurgie — kam erst mit der Zeit.
In einem Seitenkorridor sah Conway einen FGLI, den er kannte — einen tralthanischen Internisten, der seinen elefantenartigen Körper auf sechs schwammigen Füßen vorwärts bewegte. Die kurzen Beine schienen noch gummiartiger als gewöhnlich, und der kleine OTSB, der in Symbiose mit dem Tralthaner lebte, schlief praktisch. Conway sagte freundlich:
„Guten Morgen“, und erhielt die übersetzte und daher notwendigerweise völlig gefühllose Antwort:
„Du kannst mich gern haben.“ Conway grinste.
Im Empfang war gestern abend viel zu tun gewesen. Conway war nicht aufgerufen worden, aber es schien, als hätte der Tralthaner mindestens zwölf Stunden durchgearbeitet.
Ein paar Meter hinter dem Tralthaner begegnete er einem zweiten, der langsam neben einem kleinen DBGD, wie er selbst einer war, herging. Nicht ganz wie er selbst, freilich — DBGD war die Gruppenklassifikation, die den körperlichen Attributen, der Zahl der Arme, Köpfe, Beine und so weiter ihren Platz zuwies. Der Umstand, daß das Wesen siebenfingrige Hände besaß, nur einen Meter zwanzig groß war und wie ein Teddybär aussah — Conway hatte das Heimatsystem des Wesens vergessen, erinnerte sich aber, daß es von einer Welt kam, die plötzlich eine Eiszeit erlebt hatte, weshalb seine höchste Lebensform gleichzeitig Intelligenz und einen dicken roten Pelz entwickelt hatte —, zeigte sich erst, wenn man die Klassifikation auf zwei oder drei Gruppen ausdehnte. Der DBGD hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte geistesabwesend zu Boden. Sein riesiger Begleiter schien ähnlich konzentriert, zog aber die Decke vor, was auf die völlig verschiedenartige Lage der Sehorgane zurückzuführen war. Beide trugen ihre Berufsinsignien an goldenen Armbändern, und das bedeutete, daß es sich um hochqualifizierte Diagnostiker handelte. Conway verzichtete darauf, guten Morgen zu sagen und achtete sogar darauf, beim Vorübergehen nicht unnötig laut aufzutreten.