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„Ich bin schwer krank“, sagte der Chaldor. „Ich habe Schmerzen.“

Du lügst, dachte Conway. Dr. Lister, der Direktor von Sektor 12 und wahrscheinlich der beste Diagnostiker seiner Zeit, hatte diesen Chaldor praktisch Stück für Stück zerlegt. Die Diagnose hatte auf Hypochondrie in einem unheilbaren Stadium gelautet. Der Diagnostiker hatte ferner ausgeführt, daß die Überlastungserscheinungen im Schuppenpanzer des Patienten und die Schmerzen, die er anscheinend an diesen Stellen gelegentlich empfand, nur auf die Faulheit und Gefräßigkeit des Wesens zurückzuführen waren. Jedermann wußte, daß ein Lebewesen mit einem Exoskelett nur von innen heraus zunehmen konnte! Und Diagnostiker waren nicht gerade wegen ihrer zarten Ausdrucksweise berühmt.

Der Chaldor wurde nur dann wirklich krank, wenn Gefahr bestand, daß man ihn nach Hause schickte, und so hatte das Hospital einen Dauerpatienten bekommen. Aber das störte niemand. Die Ärzte vom regulären Stab hatten ihn ebenso wie zu Besuch in der Station weilende Ärzte gründlich untersucht und setzten diese Untersuchungen auch periodisch fort; ebenso sämtliche Internisten und Pfleger all der vielen Rassen, die im Personal des Hospitals vertreten waren. So wurde der Chaldor dauernd beschäftigt und von jungen Medizinstudenten als wertvolles Anschauungsobjekt benutzt, und beide Teile waren zufrieden. Niemand erwähnte heutzutage dem Chaldor gegenüber noch je den Gedanken der Entlassung.

9

Conway wartete einen Augenblick, als er zur Schleuse des großen Tanks schwamm; er empfand ein eigenartiges Gefühl. Sein nächster Besuch sollte zwei methanatmenden Lebewesen in der Kälteabteilung seiner Station gelten, und er empfand nicht die geringste Lust, diesen Besuch abzustatten. Trotz der Wärme des Wassers und der Anstrengung, die ihn das Schwimmen gekostet hatte, empfand er Kälte und kam sich vom Rest der Menschheit abgeschnitten vor. Dieses Gefühl war so stark, daß es ihn beunruhigte. Er mußte dringend mit einem Psychologen sprechen, wenn auch nicht notwendigerweise mit O’Mara.

Die Anlage des Hospitals in dieser Abteilung erinnerte an einen Berg Spaghetti — gerade, abgebogene und unbeschreiblich ineinander Verdrehte Spaghetti. Parallel zu jedem Korridor mit einer Atmosphäre vom Terratyp zum Beispiel, verliefen andere Korridore mit andersartigen und gegenseitig tödlich wirkenden Variationen von Atmosphäre, Druck und Temperatur. Auf diese Weise wurde gewährleistet, daß Patienten jeder beliebigen Spezies von Ärzten ebenfalls jeder beliebigen Spezies auf dem schnellsten Wege besucht werden konnten, da es ebenso unbequem wie zeitraubend war, wenn ein Arzt mit einem Anzug, der ihn vor der Umgebung seines Patienten schützen sollte, durch den ganzen Korridor eilte. Es hatte sich als viel zweckmäßiger erwiesen, jeweils außerhalb der Station den nötigen Schutzanzug anzulegen, wie Conway es getan hatte.

Conway erinnerte sich an die Geographie dieses Abschnittes und wußte, daß es eine Wegabkürzung gab, um zu seinen fischblütigen Freunden zu kommen — und zwar durch den mit Wasser gefüllten Korridor, der zum Chaldoroperationssaal führte, von dort durch die Schleuse in die Chloratmosphäre der illensanischen PVSJs und dann zwei Stockwerke hinauf. Auf diese Weise konnte er etwas länger im warmen Wasser bleiben. Und er fror wirklich.

Ein PVSJ-Rekonvaleszent huschte in der Chlorabteilung auf seidenfeinen Membranen an ihm vorbei, und Conway verspürte den dringenden Wunsch, ein paar nichtssagende Worte mit den Wesen zu wechseln. Er mußte sich zwingen, um weiterzugehen.

Den Schutzanzug, den DBGDs wie er bei Besuchen in der Methanabteilung trugen, war in Wirklichkeit ein kleiner Tank. Er besaß Heizgeräte im Innern, um seinen Insassen am Leben zu erhalten, und Kühlanlagen außen, damit durchdringende Wärme nicht Patienten vor Hitze verdorren ließ, für die der geringste Hauch von strahlender Wärme — ja sogar Licht — tödlich war. Conway hatte keine Ahnung, wie das TV-Gerät, das er bei diesen Untersuchungen benutzte, funktionierte — das wußten eben nur diese Bastlerseelen mit den Ingenieurarmbändern.

Conway schaltete die Heizung in die Höhe, bis ihm der Schweiß von der Stirn rann — und trotzdem fror er. Plötzlich hatte er Angst. Wie, wenn er sich irgendeine Infektion zugezogen hatte?

Als er wieder in seiner eigenen Atmosphäre war, blickte er auf die winzige Skala, die man auf operativem Wege an seinem Unterarm angebracht hatte. Sein Puls, seine Atmung und sein Blutzuckerspiegel waren normal, wenn man von kleinen Unregelmäßigkeiten absah, die auf seine eigene Unruhe zurückzuführen waren. Auch in seinem Blutstrom befand sich kein Fremdkörper. Was stimmte also mit ihm nicht?

Conway beendete seine Runden so schnell wie möglich. Wieder war er verwirrt. Es mußte mit dem Telfiband zu tun haben. O’Mara hatte etwas darüber gesagt, aber er konnte sich im Augenblick nicht mehr genau daran erinnern. Doch er würde jetzt gleich zum Trainingsraum gehen, ob nun O’Mara dort war oder nicht.

Unterwegs begegneten ihm zwei Monitore. Beide waren bewaffnet. Conway wußte, daß er ihnen gegenüber seine traditionelle Abneigung empfinden sollte und auch Empörung darüber, daß sie im Innern eines Hospitals bewaffnet herumliefen, aber gleichzeitig hätte er sie am liebsten umarmt. Er wollte Leute um sich haben, wollte reden, um sich nicht so furchtbar einsam zu fühlen. Als sie auf gleicher Höhe mit ihm waren, brachte er ein schwaches Lächeln zuwege und grüßte. Es war das erstemal in seinem Leben, daß er einen Monitor angesprochen hatte.

Einer der beiden lächelte, der andere nickte nur. Beide sahen ihn eigenartig über die Schulter an, denn seine Zähne klapperten so, daß man es merkte.

Sein Wunsch, zum Trainingsraum zu gehen, war ganz deutlich ausgeprägt gewesen, aber jetzt gefiel ihm dieser Gedanke nicht mehr so besonders. Dort war es kalt und finster, und O’Mara war vielleicht die einzige Gesellschaft, die er haben würde. Aber Conway wollte sich in einer Menschenmenge verlieren, je größer sie war, um so besser. Er dachte an den nächstliegenden Speisesaal und steuerte unwillkürlich darauf zu. Dann sah er auf einer Kreuzung ein Zeichen mit der Aufschrift „Diätküche, Station 52–68, Spezies DBGD, DBLF und FGL“. Das erinnerte ihn wieder daran, wie gräßlich er fror.

Die Diätküche war zu beschäftigt, um auf ihn zu achten. Conway suchte einen Ofen, der vor Hitze beinahe glühte, und legte sich darüber, so daß die bazillentötenden UV-Strahlen, die den ganzen Raum erfüllten, ihn badeten. Den verkohlten Geruch, der von seiner leichten Kleidung ausging, beachtete er nicht. Jetzt fühlte er sich wärmer, etwas wärmer, aber das furchtbare Gefühl, völlig allein zu sein, ließ ihn nicht los. Er war abgeschnitten, ungeliebt, und niemand wollte ihn. Er wünschte, er wäre nie geboren worden.

Als ein Monitor — einer der beiden, denen er auf dem Korridor begegnet war und dessen Neugierde durch Conways eigenartiges Benehmen geweckt worden war — ihn ein paar Minuten später holte, rannen Conway große Tränen über das Gesicht.

„Sie sind ein sehr dummer junger Mann, der viel Glück gehabt hat“, sagte eine Stimme, an die er sich deutlich erinnerte.

Conway schlug die Augen auf und stellte fest, daß er sich auf der „Lösch“-Couch befand und daß O’Mara und ein zweiter Monitor auf ihn hinabblickten. Sein Rücken fühlte sich an, als hätte jemand ihn gebraten, und sein ganzer Körper schmerzte wie nach einem schweren Sonnenbrand. O’Mara funkelte ihn wütend an und fuhr dann fort:

„Glück deshalb, weil Sie keine ernsten Verbrennungen bekommen und das Augenlicht nicht verloren haben, und dumm, weil Sie vergessen haben, mir etwas sehr Wichtiges zu sagen, nämlich, daß das Ihre erste Erfahrung mit einem Trainingsband war…“