Er sah PVSJs in ballonartigen Chlorhüllen, die gegen den Boden gepreßt wurden, um gleich darauf wieder in die Höhe zu prallen. Dann gab es da DBGDs, DBLFs und CLSRs sowie nichtidentifizierbare Wesen in kugelförmigen Behältern mit Rädern, die beinahe sichtbar Kälte ausstrahlten. Und so krochen die Wesen dahin, beugten sich und richteten sich wieder auf wie Ähren im Winde.
Conway glaubte beinahe, diese Schwankungen zu fühlen, aber er wußte, daß das abstürzende Schiff die Schwerkraftstromkreise auf seinem Wege vernichtet hatte. Er wandte die Augen von der Prozession ab und kletterte weiter in die Tiefe.
„Conway!“ bellte ein paar Augenblicke darauf Mannons Stimme in seinen Kopfhörern. „Dieser Überlebende dort unten hat jetzt schon ebenso viele Verluste verursacht wie die Kollision seines Schiffes. Eine Station genesender LSVOs ist tot, weil plötzlich ein Schwerkraftstoß von ein Achtel auf vier Gravos auftrat. Was passiert jetzt?“
Der Wracktunnel wurde immer enger, berichtete Conway, da die Außenorgane und das Leitwerk des Schiffes an dieser Stelle bereits abrasiert waren. Vor ihnen verblieben jetzt nur noch massivere Dinge wie der Hypergenerator und dergleichen. Conway vermutete, daß sie sich jetzt dem Ende ziemlich weit genähert hatten und damit auch dem Wesen, das, ohne es zu wissen, die Verwüstung rings um sie verursachte.
„Gut“, sagte Mannon, „aber bitte beeilen Sie sich!“
„Aber kommen denn die Ingenieure nicht durch? Sie müssen doch…“
„Sie können nicht“, schaltete sich wieder Dr. Listers Stimme ein. „In der Umgebung der Schwerkraftsteueranlage gibt es Schwankungen bis zu zehn Gravos. Das ist unmöglich. Und aus dem Innern des Hospitals an Sie heranzukommen, scheidet ebenfalls aus. Dazu müßten wir Korridore evakuieren, und die stecken alle voll Patienten…“ Die Stimme wurde leiser, als Dr. Lister sich offenbar vom Mikrofon abwandte, und Conway hörte, wie er sagte: „Ich verstehe nur nicht, daß ein intelligentes Wesen so in Panik geraten kann, daß es… daß es… oh, wenn ich es nur in die Hände bekäme…“
„Vielleicht ist es gar nicht intelligent“, warf eine andere Stimme ein. „Vielleicht ist es ein Junges der FGLI-Säuglingsstation…“
An dieser Stelle unterbrach ein scharfes Klicken die Unterhaltung, als der Interkom abgeschaltet wurde. Conway, dem plötzlich bewußt wurde, wie wichtig er geworden war, versuchte, seine Arbeit zu beschleunigen.
15
Ein Stockwerk tiefer erreichten sie eine Station, in der vier MSVKs — zerbrechlich aussehende dreibeinige storchenartige Wesen — leblos zwischen Gerätschaften herumschwebten. Die Bewegungen der Leichen und der Gegenstände im Raum schienen etwas unnatürlich, als wären sie erst kürzlich aus ihrem Ruhezustand gebracht worden. Das war das erste Zeichen des rätselhaften Überlebenden. Und dann befanden sich Conway und der PVSJ in einem großen Raum mit Wänden aus Metall und umgeben von einem Labyrinth von Rohren und Leitungen und Maschinen.
Auf dem Boden lag in einer Mulde der massive Hypergenerator des Schiffs, umgeben von einigen Schaltorganen aus der Steuerzentrale. Darunter die Überreste einer jetzt nicht mehr zu klassifizierenden Lebensform. Neben dem Generator hatte irgendein anderer schwerer Bestandteil des Schiffs ein Loch in den Boden gerissen.
Conway rannte auf das Loch zu, blickte in die Tiefe und rief dann erregt:
„Das ist es!“
Sie blickten in einen weiten Saal, der nur die Steuerzentrale der Schwerkraftanlage sein konnte.
Reihen von niedrigen Metallschränken bedeckten Boden, Wand und Decke, und es war kaum Platz für erdenmenschliche Ingenieure, um sich zwischen den Schränken zu bewegen. Aber hier brauchte man auch selten Ingenieure, denn die Geräte in diesem ungeheuer wichtigen Saal reparierten sich selbst. Im Augenblick wurde diese Fähigkeit freilich einer ernsten Prüfung unterzogen.
Ein Wesen, das Conway provisorisch als AACL klassifizierte, breitete sich über drei der empfindlichen Kontrollschränke aus. Neun andere Schränke, alle mit roten Notsignalen, die aufgeregt blinkten, befanden sich in Reichweite seiner sechs pythonartigen Tentakel, die durch offenbar luftdicht abschließende Löcher seines Plastikanzuges griffen. Die Tentakel waren fast zehn Meter lang und besaßen an der Spitze eine hornartige Substanz, die, dem Schaden nach zu urteilen, den das Wesen angerichtet hatte, stahlhart sein mußte.
Conway hatte im stillen die ganze Zeit Bedauern für den armen Schiffbrüchigen empfunden; er hatte damit gerechnet, ein verletztes, von Panik erfaßtes, vor Schmerz halb verrücktes Wesen vorzufinden. Statt dessen hatte er da ein Wesen vor sich, das allem Anschein nach unverletzt war und jetzt wütend Schwerkraftkontrolleinrichtungen so schnell zerstörte, daß die Reparaturroboter mit dem Ausbessern nicht nachkamen. Conway fluchte und begann, an der Skala die Radiofrequenz des anderen zu suchen. Plötzlich war ein hohes, schrilles Zirpen in seinen Kopfhörern zu vernehmen. „Jetzt hab ich dich!“ murmelte Conway grimmig.
Das Zirpen hörte plötzlich auf, als der andere seine Stimme hörte, und ebenso kamen die mächtigen Tentakel zum Stillstand. Conway merkte sich die Wellenlänge und schaltete dann schnell auf das Band zurück, das der PVSJ und er benutzten.
„Mir scheint“, sagte der Chloratmer, als er gehört hatte, was geschehen war, „daß das Wesen furchtbare Angst empfindet und daß die Geräusche, die es gemacht hat, Geräusche der Furcht waren — sonst hätten Sie sie ja durch Ihren Translator als Worte empfangen. Tatsache ist jedenfalls, daß der Lärm und die Zerstörungswut des Wesens aufhörten, als es Ihre Stimme hörte, aber ich glaube, wir sollten langsam nähertreten und ihm versichern, daß wir ihm nur helfen wollen. Das Unheil, das der Bursche hier angerichtet hat, macht mir den Eindruck, als hätte es nach allem geschlagen, was sich bewegt. Ich glaube also, einige Vorsicht ist geboten.“
„Ja, Padre“, sagte Conway und nickte.
„Wir wissen nicht, nach welcher Richtung die Sehorgane des Wesens orientiert sind“, fuhr der PVSJ fort. „Ich schlage daher vor, daß wir uns ihm von zwei entgegengesetzten Seiten nähern.“
Conway nickte wieder. Sie schalteten ihre Radios auf die neue Wellenlänge und kletterten vorsichtig auf die Decke des Abteils unter ihnen. Dann ließen sie sich behutsam mit Hilfe ihrer Schwerkraftneutralisatoren auf den Boden sinken. Jetzt hatten sie das Wesen zwischen sich und bewegten sich langsam darauf zu.
Die Robotreparaturvorrichtungen waren damit beschäftigt, den Schaden wieder gutzumachen, den jene sechs Tentakel angerichtet hatten, die das Wesen als Gliedmaßen besaß. Jetzt lag es ganz ruhig da und gab keinen Laut von sich. Conway mußte immer noch an den Schaden denken, den dieses Wesen mit seinem sinnlosen Herumschlagen angerichtet hatte. Das, was er auf der Zunge hatte, war alles andere als beruhigende Worte, und so überließ er dem PVSJ-Padre das Reden.
„Keine Angst“, sagte der gerade zum zwanzigstenmal. „Wenn Sie verletzt sind, sagen Sie es uns. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen…“
Aber von dem Wesen kam weder eine Bewegung noch Antwort.
Einem plötzlichen Impuls folgend, schaltete Conway auf Dr. Mannons Wellenlänge.
„Der Bursche scheint ein AACL zu sein“, sagte er schnell. „Können Sie mir sagen, weshalb dieses Wesen hier ist oder weshalb es sich weigern oder unfähig sein sollte, mit uns zu sprechen?“
„Ich spreche mit dem Empfang“, antwortete Mannon nach einer kurzen Pause. „Aber sind Sie sich der Klassifikation sicher? Ich kann mich nicht erinnern, je einen AACL gesehen zu haben. Sind Sie sicher, daß es kein Creppelianer ist?“
„Es ist kein creppelianischer Oktopoid“, erklärte Conway. „Das Wesen besitzt sechs Hauptgliedmaßen, und es liegt einfach da und tut nichts…“