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Verzweifelt versuchte Conway, an seinem Entschluß festzuhalten, sich dahinter wie in einem Panzer abzukapseln. Aber diese drängende Stimme in seinem Gehirn versuchte, den Panzer zu durchdringen. So empfand er ungeheure Erleichterung, als er sah, wie die Lippen des Monitors sich wieder bewegten. Conway brachte seinen Helm mit dem des anderen in Berührung.

„… für Sie natürlich schwer als Arzt“, kam schwach die Stimme. „Aber Sie müssen. Stellen Sie sich doch vor, Sie wären das Wesen dort unten, vor Furcht und Schmerzen halb verrückt, und dann würden Sie einen Augenblick normal, und jemand sagte Ihnen, was Sie getan haben — was Sie tun und wieviel denkende Wesen Sie umgebracht haben…“ Die Stimme schwankte und kehrte dann deutlicher zurück: „Würden Sie dann nicht lieber sterben wollen als weiter töten…?“

„Aber ich kann nicht…!“

„Würden Sie an seiner Stelle nicht sterben wollen?“

Conway spürte, wie seine Entschlossenheit schwand. Dann sagte er verzweifelt, in einem letzten Versuch, die schreckliche Entscheidung von sich wegzuschieben: „Nun, vielleicht. Aber ich könnte das Wesen ja, selbst wenn ich es versuchte, gar nicht umbringen. Womit denn? Es würde mich in Stücke reißen, ehe ich auch nur herankäme…“

„Ich habe eine Pistole“, sagte der Monitor.

Conway konnte sich nicht erinnern, wie er die Feuerkontrollen einstellte, ja nicht einmal, wie er die Waffe aus dem Halfter des Monitors zog. Jedenfalls lag sie jetzt in seiner Hand und war auf den AACL unten gerichtet, und Conway fühlte sich übel. Er fror. Aber er hatte Williamson nicht ganz nachgegeben. Ganz in der Nähe lag eine Sprühdose mit schnell trocknendem Plastik. Wenn man damit schnell genug war, konnte man manchmal damit ein Wesen retten, dessen Anzug ein Loch bekommen hatte. Conways Plan war, das Wesen zu verwunden, es bewegungsunfähig zu machen und dann seinen Anzug mit der Klebemasse wieder abzudichten. Es würde natürlich auf Sekunden ankommen und für ihn sehr gefährlich sein, aber er würde jedenfalls das Wesen nicht bewußt töten.

Er hob langsam die andere Hand, um die Waffe auf den Unterarm zu legen und zielte. Dann drückte er ab.

Als er die Waffe senkte, war von dem Wesen nicht mehr viel übrig. Conway wünschte, er verstünde mehr von Waffen und hätte gewußt, daß diese Waffe hier Explosivgeschosse verschoß und auf Dauerfeuer eingestellt war.

Williamsons Lippen bewegten sich wieder. Conway berührte seinen Helm rein instinktiv. Er war jetzt an einem Punkt angelangt, wo nichts mehr ihn beeindrucken konnte.

„… es ist schon gut, Doktor“, sagte der Monitor. „Es ist niemand…“

„Jetzt ist es niemand mehr“, stimmte Conway ihm zu. Er untersuchte die Waffe des Monitors und wünschte, sie wäre nicht leer. Wenn noch eine Kugel in der Kammer gewesen wäre, nur eine, so wüßte er genau, was er damit getan hätte.

„Wir wissen schon, daß es schwer war“, sagte Major O’Mara. Jetzt klang seine Stimme nicht mehr schnarrend, und in seinen Augen konnte man Mitgefühl und so etwas wie Stolz lesen. „Ein Arzt muß gewöhnlich eine solche Entscheidung erst treffen, wenn er viel älter ist, ausgeglichener, reifer. Sie sind, oder besser, Sie waren ein zu idealistisch eingestellter junger Mann — vielleicht ein wenig zu sehr von sich eingenommen — und hatten nicht die leiseste Ahnung, was ein Monitor wirklich ist.“

O’Mara lächelte. Seine Hände lagen auf eigentümlich väterliche Art auf Conways Schultern. Er fuhr fort: „Indem Sie das taten, wozu Sie sich zwangen, hätten Sie Ihre Karriere und Ihre geistige Ausgeglichenheit zerstören können. Aber es hat nichts zu sagen, Sie brauchen gar kein Schuldgefühl zu empfinden. Alles ist in Ordnung.“

Conway wünschte, er hätte seine Gesichtsplatte geöffnet und Schluß gemacht, ehe diese Ingenieure in die Schwerkraftzentrale gekommen waren, um ihn und Williamson zu O’Mara zu schleppen. O’Mara mußte verrückt sein. Er, Conway, hatte das Ethos seines Berufes verletzt und ein intelligentes Wesen getötet. Und da sagte dieser Mann, alles sei in Ordnung.

„Hören Sie zu“, sagte O’Mara ernsthaft. „Die Leute von der Funkabteilung haben ein Bild vom Kontrollraum des abgestürzten Schiffes — ein Bild, auf dem man auch seinen Insassen sieht. Und dieser Insasse war nicht Ihr AACL, verstehen Sie. Es war ein AMSO, eine von den größeren Lebensformen, die gewöhnlich ein nicht intelligentes Wesen vom AACL-Typ als eine Art Haustier mit sich führen. Und hier im Hospital befinden sich augenblicklich keine AACLs, also war das Biest, das Sie getötet haben, einfach das Äquivalent zu einem vor Angst wild gewordenen Schoßhündchen in einem Schutzanzug.“

O’Mara schüttelte Conway an den Schultern, bis dessen Kopf schmerzte. „Fühlen Sie sich jetzt besser?“

Conway spürte, wie er langsam zum Leben erwachte. Er nickte wortlos.

„Sie können gehen“, sagte O’Mara und lächelte. „Sie haben einigen Schlaf nachzuholen. Und was unsere kleine Aussprache angeht, fürchte ich, habe ich dafür jetzt keine Zeit. Erinnern Sie mich mal daran, wenn Sie glauben, daß wir uns noch unterhalten müssen…“

17

Während der vierzehn Stunden, die Conway schlief, verringerte sich der Eingang von Verwundeten beträchtlich, und dann kam die Nachricht, daß der Krieg vorüber sei. Monitoringenieure und Pioniere räumten die Wrackteile weg und reparierten die beschädigte Außenhülle. Als wieder normaler Luftdruck hergestellt war, gingen die Reparaturarbeiten im Innern der Station schnell vonstatten, und so sah Conway, als er erwachte und nach Dr. Mannon suchte, in einigen Abteilungen, die vor Stunden ein finsteres luftloses Durcheinander von Wrackteilen gewesen waren, bereits wieder Patienten.

Er fand seinen Vorgesetzten in einem Seitenzimmer, das an die FGLI-Unfallstation anschloß. Mannon arbeitete an einem gefährlich verbrannten DBLF, dessen raupenartiger Körper auf einem Operationstisch, der für die wesentlich massiveren tralthanischen FGLIs bestimmt war, zwergenhaft wirkte. Zwei weitere DBLFs unter Narkose waren als kleine weiße Erhebungen auf einem ähnlich übergroßen Bett an der Wand zu sehen, und ein vierter lag zuckend auf einer Tragbahre bei der Tür.

„Wo, zum Teufel, haben Sie gesteckt?“ sagte Mannon mit einer Stimme, die zu müde war, um noch ärgerlich zu klingen. Ehe Conway antworten konnte, fuhr er ungeduldig fort: „Ach was, sagen Sie mir’s erst gar nicht. Jeder nimmt hier dem anderen die Leute weg, und junge Internisten müssen tun, was man ihnen aufträgt…“

Conway spürte, wie sein Gesicht sich rötete. Plötzlich schämte er sich der vierzehn Stunden Schlaf, war aber zu feige, um Mannons Irrtum zu korrigieren. So sagte er nur: „Kann ich Ihnen helfen, Sir?“

„Ja“, sagte Mannon und deutete auf seine Patienten. „Aber das wird ziemlich schwierig werden. Eine ganze Menge Punktierungen und Läsionen, und zwar ziemlich tief. Metallfragmente im Körper, Abdominalschäden und starke innere Blutungen. Sie werden wohl ein Band brauchen. Holen Sie’s. Und dann kommen Sie sofort wieder!“

Ein paar Minuten darauf fand er sich in O’Maras Büro und nahm das DBLF-Physiologieband in sich auf. Diesmal zuckte er nicht, als die Hände des Majors ihn berührten. Als ihm das Kopfband abgenommen wurde, fragte er: „Wie geht’s Williamson?“

„Er kommt schon durch“, antwortete O’Mara trocken. „Ein Diagnostiker hat ihm die Knochenbrüche eingerichtet. Williamson wird es nicht wagen, zu sterben…“

Conway begab sich so schnell wie möglich wieder zu Mannon. Er empfand wieder jene charakteristische geistige Doppelsicht und mußte dem Drang widerstehen, auf dem Bauche zu kriechen. Das DBLF-Band zeigte also bereits die erste Reaktion. Die raupenähnlichen Bewohner von Kelgia waren in ihrem Metabolismus und Temperament den Erdmenschen sehr ähnlich. Er empfand also wesentlich weniger Verwirrung als mit dem Telfiband von früher.