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Conway sagte mit leiser Stimme: „Stellen Sie sich vor, ein Freund von Ihnen mit einem bösartigen Hautausschlag fiele einem ET-Arzt in die Hände, und dem fiele nichts Besseres ein, als ihm bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen und ihm die Arme und Beine abzuhacken! Sie würden bestimmt wütend sein, wenn Sie ihn fänden. Selbst wenn man dabei berücksichtigt, daß Sie ein zivilisierter Mensch sind, tolerant und bereit, Kompromisse zu schließen — alles Eigenschaften, die wir unserem Patienten nicht a priori zuschreiben können — glaube ich doch, daß Sie ziemlich wütend wären.“

„Diese Analogie stimmt nicht, und das wissen Sie auch genau!“ sagte Mannon hitzig. „Manchmal muß man etwas riskieren. Und hier haben wir solch einen Fall.“

„Nein“, sagte Conway noch einmal.

„Dann haben Sie vielleicht einen besseren Vorschlag?“

Conway schwieg einen Augenblick und sagte dann langsam: „Ich habe eine Idee, die ich ausprobieren möchte, aber ich will jetzt noch nicht darüber sprechen. Wenn ich recht habe, erfahren Sie es als erster, und wenn nicht, werden Sie es auch erfahren. Jeder wird es dann erfahren.“

Mannon zuckte die Achseln und wandte sich ab. An der Tür blieb er stehen und sagte:

„Sie müssen da ja etwas ziemlich Verrücktes vorhaben, weil Sie gar so geheimnisvoll tun. Aber denken Sie daran, wenn Sie mich einweihten und die Sache schiefgeht, wären zwei Männer verantwortlich!“

So spricht ein wahrer Freund, dachte Conway. Die Versuchung, seine ganze Last auf Mannon abzuladen, war groß. Aber dann schüttelte er bedauernd den Kopf.

34

Als Mannon ihn verlassen hatte, ging Conway zu seinem Patienten zurück. Äußerlich erinnerte er immer noch an einen Napfkuchen, dachte Conway, aber an einen Napfkuchen, der im Laufe der Äonen Runzeln und Falten bekommen hat. Conway stellte fest, daß erst eine Woche verstrichen war, seit er den Patienten übernommen hatte. Die fünf Paar Gliedmaßen, die alle bereits Spuren des Ausschlages zeigten, standen starr und in seltsamen Winkeln vom Körper ab, gleichsam wie versteinerte Zweige an einem alten Baum. Conway hatte schon frühzeitig damit gerechnet, daß der Ausschlag die Atemöffnungen überwuchern würde und hatte deshalb Röhren eingeführt. Diese Röhren hatten die gewünschte Wirkung, aber die Atmung war trotzdem langsamer geworden. Das Stethoskop verriet, daß der Herzschlag schwächer, dafür aber schneller geworden war.

Conway war sich unschlüssig. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn.

Wenn es nur ein gewöhnlicher Patient wäre, dachte er ärgerlich; ein Patient, den man behandeln und über dessen Therapie man offen diskutieren konnte. Aber hier lag eine Komplikation vor. Der Patient war Angehöriger einer weit fortgeschrittenen und möglicherweise feindselig gesinnten Rasse, und er, Conway, konnte sich niemandem anvertrauen, wollte er vermeiden, daß man ihm den Fall wegnahm, ehe er seine Theorie beweisen konnte.

Kursedd beobachtete ihn aufmerksam, als er die Station verließ, und Conway überlegte, ob er seinem Helfer einschärfen sollte, nichts von dem zu erzählen, was er sah. Aber das hatte keinen Sinn; das hätte den Klatsch nur noch schlimmer gemacht. Das Pflegepersonal sprach ohnehin schon über ihn, und ihm war aufgefallen, wie einige der älteren Schwestern schon begannen, ihn recht kühl zu behandeln. Aber wenn er Glück hatte, würden seine Vorgesetzten erst in einigen Tagen erfahren, was er hier tat.

Drei Stunden später befand er sich mit Dr. Prilicla wieder in 310 B. Er überprüfte Herzschlag und Atmung, während der GNLO nach geistiger Ausstrahlung suchte.

„Sehr schwach“, meldete Prilicla langsam. „Da ist zwar noch Leben, aber so schwach, daß es sich seiner selbst nicht bewußt ist. In Anbetracht der praktisch nicht mehr existierenden Atmung und des schwachen Pulsschlags…“

Der Gedanke an den Tod war für einen Empathen besonders niederdrückend, und das empfindliche kleine Wesen brachte es einfach nicht über sich, den Satz zu Ende zu sprechen.

„Dann hat all der Schrecken, den wir ihm eingejagt haben, um ihn zu beruhigen, nichts geholfen“, sagte Conway halb im Selbstgespräch. „Er hatte nicht essen können, und wir haben ihn dazu veranlaßt, Energiereserven zu verbrauchen, die er dringend selbst benötigte.“

„Aber warum? Wir haben dem Patienten doch geholfen.“

„Natürlich“, sagte Conway mit beißend sarkastischer Stimme, obwohl er wußte, daß der Translator seines Mitarbeiters den Sarkasmus nicht übertragen würde.

Er wollte gerade die Untersuchung fortsetzen, als es eine plötzliche Unterbrechung gab.

Das Wesen, dessen mächtige Gestalt an beiden Seiten der Tür anstieß, war ein Tralthaner, physiologische Klassifikation FGLI. Für Conway waren die Bewohner des Planeten Traltha ebenso schwer zu unterscheiden wie Schafe, aber den hier kannte er. Das war kein Geringerer als Thornnastor, der leitende Diagnostiker der pathologischen Abteilung.

Der Diagnostiker richtete zwei seiner Augen auf Prilicla und verlangte dröhnend: „Gehen Sie hinaus, bitte. Sie auch, Pfleger.“ Dann richtete er alle vier Augen auf Conway.

„Ich spreche zu Ihnen allein“, sagte Thornnastor, als die beiden gegangen waren. „Einige meiner Bemerkungen beziehen sich nämlich auf Ihr professionelles Verhalten in diesem Fall, und ich möchte Sie nicht öffentlich tadeln. Aber zunächst will ich Ihnen die gute Nachricht bringen, daß wir ein Mittel gegen dieses Geschwür entwickelt haben. Es verhindert nicht nur die weitere Ausbreitung, sondern weicht auch die bereits betroffenen Hautstellen auf und stellt das Gewebe und die Blutgefäße darunter wieder her.“

Verdammt! dachte Conway. Laut sagte er:

„Eine hervorragende Leistung.“ Und das war es auch.

„Das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht einen Arzt zu dem Wrack geschickt hätten, mit der Anweisung, uns alles zu schicken, was vielleicht Rückschlüsse auf den Metabolismus des Patienten erlaubte“, fuhr der Diagnostiker fort. „Offenbar haben Sie diese Informationsquelle völlig übersehen, Doktor, denn die einzigen Proben, die Sie lieferten, waren jene, die Sie von dem Wrack mitbrachten. Das war ein grobes Versäumnis, Doktor, und es ist nur Ihren bisherigen guten Leistungen zuzuschreiben, daß Sie nicht degradiert worden sind und daß man Ihnen den Fall nicht entzogen hat.

Unser Erfolg geht in erster Linie darauf zurück, daß wir einen anscheinend sehr gut ausgestatteten Medizinkasten gefunden haben“, fuhr Thornnastor fort. „Eine Untersuchung des Inhalts, verbunden mit anderen Informationen über das Wrack, führte uns zu dem Schluß, daß es sich um eine Art Ambulanzschiff gehandelt haben muß. Die Offiziere vom Monitor-Korps waren sehr erregt, als wir ihnen dies sagten…“

„Wann?“ fragte Conway scharf. Ihm war es eisig über den Rücken gelaufen. Aber vielleicht hatte er noch eine Chance, Skempton daran zu hindern, Verbindung herzustellen. „Wann haben Sie ihnen gesagt, daß es ein Ambulanzschiff sei?“

„Für Sie kann das nur von zweitrangigem Interesse sein“, sagte Thornnastor und holte eine große Flasche aus seinem Ranzen. „Sie sollten sich in erster Linie um den Patienten kümmern. Sie werden eine Menge von dem Zeug hier brauchen, und wir stellen es so schnell wie möglich synthetisch her, aber das hier reicht jedenfalls aus, um die Kopf- und Mundregion freizulegen. Injizieren Sie den Stoff nach der Anweisung. Es dauert etwa eine Stunde, bis sich eine Wirkung einstellt.“

Conway hob die Flasche vorsichtig hoch. Er versuchte, Zeit zu gewinnen. So fragte er: „Was ist mit den Auswirkungen auf lange Sicht? Ich möchte nichts riskieren…“