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»Gewiß hat ihn der schwarze Gast gesehen, wie wir ihn nennen, das Wesen, das hinter dem Kailiauk hockt.«

»Natürlich«, sagte Kog, »aber er hat mit keinem Zeichen erkennen lassen, daß er etwas bemerkt hat.«

»Mit keinem Zeichen«, sagte ich, »das von den Reitern registriert worden wäre.«

»Ja«, sagte Kog und entblößte kurz die Zähne. Solche Anzeichen gibt es immer. Es ist nur die Frage, ob sie auffallen. Manchmal sind es Winzigkeiten wie das Zusammenziehen einer Pupille.

»Der Bogen ist zurückgezogen«, sagte Kog.

Der kleine Bogen bietet viele Vorteile. Zuerst wäre da die Schnelligkeit zu nennen, mit der Pfeile abgeschossen werden können. In der goreanischen Schwerkraft kann ein geschickter Krieger zehn Pfeile in die Luft schießen, ehe der erste den Boden berührt. Keine andere goreanische Waffe vermag diese Geschwindigkeit zu erreichen. Auf kurze Entfernung kann seine Wirkung vernichtend sein. Zwei weitere Vorteile sollten erwähnt werden: Man kann den kleinen Bogen leicht hin und her bewegen und mühelos verstecken, zum Beispiel unter einem Mantel. Ohne weiteres läßt sich die Waffe von einer Seite der Kaiila auf die andere nehmen. Bei dieser Kampfart ist es übrigens nicht unüblich, daß der Krieger hinter dem Körper seiner dahingaloppierenden Kaiila Deckung sucht, um sich, nachdem er den Feind umkreist hat, plötzlich aufzurichten und über den Rücken des Tieres zu schießen – und manchmal auch unter seinem Hals hindurch. Ein Bein über dem Rücken des Tiers, eine Faust in der Mähne, oder ein durch eine lederne Halsschlaufe geschobener Arm liefern den Halt für solche Taten.

Überhaupt sind die Wilden vorzügliche Reiter. Oft schon ehe es laufen kann, wird ein Kind des Stammes auf den Rücken einer Kaiila gehoben, wobei es sich mit den winzigen Händen in der seidigen Mähne festhält. Manchmal baumelt an der Halsschlaufe ein mehrere Fuß langer Gurt. Er dient zum Zupacken für Krieger, die zu Boden gerissen wurden, um ihr Tier wieder einzufangen oder sich vom Schwung des Galopps mitzerren und nach Möglichkeit wieder auf den Rücken schwingen zu lassen. Dieser Gurt wird übrigens öfter bei der Jagd als im Kampf eingesetzt. Zu leicht ließe er sich von einem zu Fuß kämpfenden Gegner ergreifen, mit der Folge, daß sich die Kaiila nicht mehr frei bewegen könnte oder vielleicht sogar umgerissen würde. Überflüssig anzumerken, daß es äußerst gefährlich ist, bei der Kailiaukjagd vom Kaiilarücken zu fallen, weil eine solche Jagd meistens gegen eine in Panik dahindonnernde Herde geht oder auch gejagte einzelne Tiere plötzlich kampflustig kehrtmachen können.

Bei der Kailiaukjagd zerstreuen sich die Jäger meistens, jeder sucht sich seine eigenen Tiere. Dementsprechend sind selten Stammesgenossen in der Nähe, um Hilfe zu leisten. Darin liegt ein großer Unterschied zu dem Kämpfen mit der Kaiila: Bei solchen Attacken sind Freunde und Verbündete gewöhnlich nahe und bereit, einen Gefallenen aufzulesen oder ihm wieder auf den Rücken seiner Kaiila zu helfen. Der rote Wilde sieht das Kämpfen nicht unter Leistungs- oder Tüchtigkeits-Gesichtspunkten. Lieber rettet er einen Kameraden, als zehn Feinde zu töten. Dies hat mit der Tatsache zu tun, daß alle demselben Stamm angehören und meistens auch derselben Krieger-Gemeinschaft. So kennen sie einander den größten Teil ihres Lebens; als Kinder hatten sie zusammen gespielt und in den Sommerlagern die Kaiila-Herden gemeinsam bewacht, vielleicht waren sie sogar zusammen auf ihre erste Kailiauk-Jagd gegangen. Nun, als Männer, beschreiten sie in Gemeinschaft den Kriegspfad, sie sind Kameraden und Freunde, jeder ist dem anderen wichtiger als tausend Coups.

Hier liegt die Erklärung für manche Absonderlichkeit in den Stammeskriegen. Zwar ziehen Kriegergruppen ziemlich häufig los, aber weniger häufig gegen andere Krieger als um Kaiilas zu stehlen; bei diesem Sport geht es darum, möglichst viele Tiere zu erbeuten, ohne den Gegner überhaupt in einen Kampf zu verwickeln; so ist es zum Beispiel ein toller Coup, eine Kaiila-Leine durchzuschneiden, die am Handgelenk eines schlafenden Gegners befestigt ist, und sich mit dem Tier davonzumachen, ehe er aufwacht; einen schlafenden Feind zu töten, ist dagegen nur ein unbedeutender Coup; wie soll der Betreffende außerdem begreifen, daß er getötet und wie raffiniert er überlistet wurde! Wie schön, sich seine Wut und seinen Kummer beim Erwachen vorzustellen – ist das dem Dieb nicht wichtiger als sein Skalp? Gibt es wirklich einmal Kämpfe, kommt es kaum zu größeren Schlachten. Die typische Kriegshandlung ist der Überfall, meistens von einer kleinen Gruppe unternommen, etwa fünfzehn Kriegern. Sie dringen auf feindliches Gebiet vor, schlagen zu, meistens im Morgengrauen, und verschwinden wieder, beinahe so schnell, wie sie gekommen sind, mit Skalps und Beute; manchmal wird auch die eine oder andere Frau des Gegners mitgenommen; in den meisten Stämmen bedeutet es eine große Ehre, die Frau eines Feindes zu besitzen. Männliche Gefangene werden selten gemacht; wegen der großen Kameradschaft und der sportlichen Aspekte, die mit der Kriegsführung verfolgt werden, weigert sich eine Gruppe roter Krieger im allgemeinen, auch nur einen einzelnen Gegner in felsiges oder Buschgebiet zu verfolgen; das ist einfach zu gefährlich. Auf ähnliche Weise lassen sich die Roten beinahe niemals auf eine kämpferische Konfrontation ein, wenn sie in der Unterzahl sind; oft fliehen sie sogar vor einem offenkundigen Sieg, wenn der Preis dafür ihnen zu hoch erscheint. Manchmal weicht eine große Zahl roter Wilder sogar vor dem überraschenden Angriff einer kleinen Zahl von Gegnern zurück; sie kämpfen lieber unter selbstgewählten Bedingungen und zu einer selbst bestimmten Zeit; außerdem hatten sie vielleicht nicht genug Zeit, ihre Kriegsmedizin vorzubereiten.

»Er kann doch unmöglich damit rechnen, fünf Männer zu besiegen – selbst mit dem kleinen Bogen«, sagte Samos.

»Es erscheint unwahrscheinlich«, räumte ich ein.

»Er glaubt in der Gegenwart des Medizinhelfers zu sein«, sagte Kog. »Er ist unerschrocken.«

»Dreh das Leder!« sagte ich.

Im Licht der offenen Laterne schob die Kreatur das Leder auf dem schweren Tisch herum.

»Der erste berittene Krieger ist hier bereits tot«, sagte er. »Der Mann, der die Lanze in Angriffsstellung hatte. Die Kaiila der anderen sind geflohen.«

Ich nickte. Ich hatte diese Entwicklung befürchtet. Die hochmütige Kaiila, die ein seidenweiches Fell besitzt, ist ein extrem vorsichtiges, nervöses Tier.

»Der zweite Kaiilajäger, der seine Lanze schon bereit hatte, ist von seinem Tier in den Schnee geworfen worden. Somit muß unser Mann sich schleunigst auf den dritten Reiter einstellen, der die Lanze quer vor sich gehalten hatte. Er tötet ihn. Nun tritt der schwarze Gast in Aktion. Er springt über den toten Kailiauk. Er packt den Mann, der in den Schnee gestürzt ist.«

Es war kein schönes Bild.

»Die beiden letzten Jäger, die Lanzen über dem Rücken, ergreifen die Flucht«, fuhr Kog fort. »In einiger Entfernung drehen sie sich um und betrachten den Kailiauk, den schwarzen Gast und den Mann. Das Blut des zweiten Jägers verfärbt die Schnauze des schwarzen Gastes und das zottige Fell seiner Brust. Die beiden überlebenden Jäger ergreifen die Flucht. Nun sind der schwarze Gast und der Mann allein mit dem Kailiauk und den drei reiterlosen Kaiila. Wieder hockt sich der schwarze Gast hinter den Kailiauk. Der Mann steckt Bogen und Pfeile fort. Der schwarze Gast lädt ihn ein, an seiner Mahlzeit teilzunehmen.«

»Eine interessante Erfindung, diese Geschichte«, sagte Samos.

»Dreh das Leder!« forderte ich Kog auf.

»Der schwarze Gast ist gegangen«, fuhr Kog fort. »Der Mann schneidet sich Fleisch vom Kailiauk ab.«

Wieder drehte Kog die Bildfolge weiter.

»Der Mann kehrt in sein Lager zurück. Und zwar mit drei Kaiila, von denen er eine reitet. Die anderen beiden sind schwer beladen mit Fleisch von dem Kailiauk. Nun wird kein Hunger mehr herrschen in seinem Lager. Mitgebracht hat er außerdem das Fell des Kailiauk, vor sich eingerollt, und drei Skalps. Er wird sich einen Schild daraus machen.«