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»Aber vielleicht darf ich noch fragen, ob die Entscheidung einstimmig ausgefallen ist.«

»Einstimmigkeit ist ein Hindernis für die Anwendung eines praktischen, wirksamen Rechts«, sagte Kog.

»Fiel das Urteil einstimmig?« fragte ich noch einmal.

»Nein.«

»Fiel es knapp aus?«

»Warum fragst du?«

»Ich bin neugierig.«

»Ja, interessanterweise war es eine knappe Entscheidung.«

»Danke«, sagte ich. Ich hatte gewußt, daß es bei diesen Kreaturen unterschiedliche Gruppierungen gab. Aufgegangen war mir das bereits in der Tahari. Außerdem hatten einige Ratsangehörige, auch wenn sie nicht zu Zarendargar standen, seinen Wert für die Stahlwelten erkannt. Zweifellos war er einer der besten Generäle.

»Es gibt dabei keine Trennung zwischen Gesetzgeber und Justiz.«

»Die Gesetze existieren doch nur, um den herrschenden Mächten zu dienen«, erklärte Kog. »Unsere Institutionen sichern diese Ordnung, erleichtern und bestätigen sie, was nicht das Unwichtigste ist. Somit sind unsere Institutionen weniger unehrlich und heuchlerisch als die Ämter mancher anderer Gruppierung, die unter falschem Vorwand arbeiten und Gesetze schaffen, die keine Waffe sind.«

»Wer garantiert uns, daß ihr beide dazu berufen seid, das Edikt des Rates zu vollstrecken?« fragte ich.

»Zweifelst du am Wort eines Angehörigen der Völker?« gab Kog zurück.

»Im Grunde nicht«, sagte ich. »Ich interessiere mich lediglich für eure Vollmacht.«

»Die du nicht lesen könntest, selbst wenn wir sie dir vorzeigten«, erwiderte das Wesen.

»Damit hast du recht.« Mich erstaunte die Geduld, die diese Geschöpfe an den Tag legten. Normalerweise waren sie schnell erregt, sogar gegenüber Artgenossen. Samos und ich aber waren bisher nicht angegriffen worden. Die beiden schienen ein wirklich dringendes Anliegen zu haben.

»Ich leiste dir einen Schwur auf die Ringe Sardaks«, sagte Kog und legte die Tatze auf die beiden rötlich schimmernden Ringe, die Sardaks linkes Handgelenk umschlossen.

»Das reicht mir völlig«, sagte ich großmütig. Ich hatte natürlich nicht die geringste Vorstellung, welche Bedeutung dieser Geste Kogs beizumessen war, doch unter den gegebenen Umständen mußte sie wohl ziemlich schwerwiegend sein. Mir war klar, daß Sardak Kogs Blut oder Anführer sein mußte. Wenn Kog einen falschen Schwur leistete, so oblag es gewiß dem anderen, ihn zu töten. Sardak rührte sich nicht.

»Zweifellos seid ihr die, als die ihr euch ausgebt«, räumte ich ein.

»Und selbst wenn wir es nicht wären, könnten wir trotzdem Geschäfte machen.«

»Geschäfte?« fragte ich.

»Aber ja doch«, sagte Kog. »Wir sind hier zusammengekommen, um jeder Seite Gewinne zu bringen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Zarendargar ist für die Menschen ein gefährlicher Gegner«, erklärte Kog. »Er ist erwiesenermaßen ein Feind der Kailiauk. Er ist auch euer Feind. Welch Glücksumstand also, daß wir in dieser Angelegenheit unsere Kräfte zusammenlegen können! Es liegt in eurem Interesse, Zarendargar umbringen zu lassen, und wir haben dieselbe Aufgabe. Ich schlage also vor, daß wir uns verbünden, um dieses Ziel zu erreichen.«

»Warum begehrt ihr in dieser Angelegenheit unsere Hilfe?« fragte ich.

»Zarendargar befindet sich im Ödland, einer weitläufigen, gefährlichen Gegend«, sagte Kog. »Dort wimmelt es von rothäutigen Wilden. Für das Eindringen in ein solches Land und die Suche nach Zarendargar erscheint es uns angebracht, die Hilfe von Menschen hinzuzuziehen, Wesen, die die roten Wilden gewissermaßen als Artgenossen ansehen, Wesen, mit denen sie, wenn der Preis stimmt, vielleicht sogar zusammenarbeiten können. Ihr wißt sicher, daß die Wilden hervorragende Spurenleser sind und die Suche vielleicht anregend finden. Außerdem haben sie möglicherweise Interesse daran, ihr Land von einem so gefährlichen Eindringling wie Zarendargar zu befreien.«

»Sie würden ihn wie ein Tier hetzen und töten?« fragte ich.

»Vermutlich«, sagte Kog. »Und ihr könnt euch sicher vorstellen, daß uns bei den Verhandlungen mit den Wilden die Menschen nützen könnten.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Wie lautet eure Antwort?« fragte Kog.

»Nein«, erwiderte ich.

»Ist das euer letztes Wort?«

»Ja«, sagte ich.

Plötzlich brüllten Kog und Sardak los. Der zwischen uns stehende Tisch wurde emporgeschleudert. Samos und ich torkelten erschrocken rückwärts. Die Laterne, die loderndes Öl versprühte, prallte gegen eine Seitenwand des Raumes. »Vorsicht, Samos!« brüllte ich. Schon stand ich mit kampfbereit erhobener Klinge da. Kog zögerte und kerbte mit seinen Klauenfüßen die Dielen ein.

»Wächter!« brüllte Samos. »Wächter!« Die Wand rechts von uns war mit brennendem Öl bedeckt. Die Augen der beiden Kreaturen schimmerten wie Kupfer. Sardak langte zu und riß den riesigen Speer hoch, den Kog abgelegt hatte. »Vorsicht, Samos!« rief ich.

Armbrustbewaffnete Wächter eilten hinter uns in den Raum. Mit einem Wutschrei schleuderte Sardak den schweren Speer. Er verfehlte Samos und durchbohrte vierzig Fuß hinter uns die Wand zur Hälfte. Kog schleuderte den Schild, der wie eine große, flache, konkave Schale zwischen uns durch die Luft wirbelte und unter dem Dach hinter uns einige Bretter losbrach. »Schießt!« rief Samos seinen Leuten zu. »Schießt!«

Mit titanischem Flügelschlag erhoben sich die beiden Tarns, im Sattel die zottigen Geschöpfe tragend, aus den Ruinen des Tarnkäfigs. Der von den mächtigen Flügeln erzeugte Wind ließ mich taumeln und veranlaßte mich, vor dem herumfliegenden Staub die Augen zu schließen. Die Flammen des brennenden Öls an der rechten Wand wurden von dem Luftstrom beinahe waagerecht zur Seite gedrückt, ehe sie sich wieder aufrichteten. Dann blickte ich die beiden Ungeheuer auf ihren Tarns als Silhouetten vor einem der drei goreanischen Monde, über die Sümpfe dahinrasend. »Sie sind geflohen«, sagte Samos.

»Ja«, gab ich zurück. Sie hatten sich zurückgehalten, solange sie dazu in der Lage waren. Welch ungeheure Willensanstrengung steckte dahinter, wußte ich doch, wie wild und ungezügelt sie waren! Ich mußte ihre Leistung um so mehr bewundern, wenn ich an die zahlreichen Provokationen dachte, die ich bewußt ausgesprochen hatte, um die Ernsthaftigkeit ihres Auftrags zu testen und zu ermessen, wie sehr sie auf menschliche Hilfe angewiesen waren.

»Schau dir das an!« sagte einer von Samos’ Männern und löste den mächtigen Speer aus der Wand.

»Und das hier«, sagte ein anderer und hob den schweren Schild.

Samos’ Leute untersuchten Speer und Schild.

»Ihr müßt vergessen, was ihr hier gesehen habt«, sagte Samos.

»Was waren das für Geschöpfe?« fragte ein Mann, der neben mir stand.

»Wir nennen sie Kurii, Ungeheuer«, sagte ich.

2

»Das Ganze war nur ein Trick«, sagte Samos. »Man wollte dich ins Ödland locken, um dich dort ungehindert beseitigen zu können.«

Samos und ich waren in der gedrungenen, geschlossenen Barke unterwegs, mit der wir die Tarn-Anlage in den Sümpfen aufgesucht hatten. Die Morgendämmerung hatte eben eingesetzt. Unser Weg führte uns durch die Kanäle von Port Kar. Hier und dort waren bereits Männer an den Ufern unterwegs. Die meisten falteten Netze oder beluden kleine Boote oder machten sie zum Auslaufen fertig. Durch die schmalen Lamellenschlitze des Fensters sah ich eine Sklavin mit einem an einem Seil befestigten Eimer Wasser aus dem Kanal schöpfen.

»Ich glaubte nicht, daß eine so komplizierte Täuschung erforderlich gewesen wäre, wenn sie es nur auf unsere Vernichtung abgesehen hätten«, sagte ich.

»Da kannst du recht haben.«

»Die beiden hätten uns gleich bei unserem Erscheinen in der Tarn-Anlage angreifen und dann fliehen können.«

»Stimmt.« Kaum anzunehmen, daß wir uns auf so kurze Entfernung gegen den Überraschungsangriff solcher Gegner hätten wehren können.

Einige Meter entfernt saß ein Mann auf dem Kanalweg und flickte ein Netz. Buntbemalte ovale Schwimmer lagen neben ihm. Auf meinen Knien ruhte die zusammengerollte Haut, die Kog und Sardak uns gezeigt hatten. Wir hatten sie aus den brennenden Ruinen retten können. Außerdem stand zu unseren Füßen das kantige Übersetzungsgerät, das zwar einige Dellen aufwies, aber noch immer funktionierte. Die Ruinen hatten wir brennen lassen; die Rauchsäule zeichnete sich im grauen Licht des Morgens bereits deutlich über den Sümpfen ab. Den Schild und den Speer der Kurii hatten wir im Sumpf versenkt. Je weniger konkrete Beweise es gab, desto besser.