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»Der Kapitänsrat muß in zwei Tagen zusammentreffen«, sagte Samos. »Dabei geht es darum, den Sa-Tarna-Kai im südlichen Hafen zu verlängern. Welcher Teil der Kosten von der öffentlichen Hand übernommen werden soll – das ist der strittige Punkt. Und wird die Lizenz erteilt, könnte damit ein unangenehmer Präzedenzfall geschaffen werden. Schon gibt es unzufriedene Stimmen bei den Reptuch-, Holz- und Steinkaufleuten.«

Wir passierten einen offenen Sklavenmarkt, und ich betrachtete das Geschehen mit Interesse.

»Es handelt sich um wichtige und komplexe Fragen«, fuhr Samos fort. »Ich glaube, ich bin eher für die Gewährung der Lizenz, bei gleichzeitiger Beschränkung des Zuschusses auf einen Betrag, der die anderen merkantilen Kasten und Unterkasten Port Kars davon abschreckt, ebenfalls auf Zahlungen aus der Stadtkasse zu spekulieren. Das scheint mir das richtige Vorgehen zu sein. Die Kasten sollen sich lieber aus eigenen Kräften helfen. Zum Beispiel haben die Sklavenhändler niemals eine direkte Unterstützung durch den Rat beantragt.«

Meine Gedanken wandten sich dem Ödland zu. Dabei handelt es sich nicht um eine durch und durch öde Fläche, wie der Name vielleicht andeutet. Öde ist die Region nur im Vergleich, beispielsweise mit den Wäldern des Nordens oder dem fruchtbaren Land in den Flußtälern oder den Feldern und Wiesen der südlichen Regenzonen. Im wesentlichen besteht das Ödland aus riesigen Flächen leicht hügeligen Graslandes, das sich östlich der Thentis-Berge erstreckt. Mein Verdacht geht dahin, daß der Name Ödland nicht in erster Linie eine genaue geographische Beschreibung sein, sondern mehr verhindern soll, daß dieser Bereich betreten, erforscht und besiedelt wird. So sollte man den Namen vielleicht nicht als wissenschaftlich zutreffend ansehen, sondern als etwas anderes, vielleicht eine Warnung. Der Name ›Ödland‹ gibt den Menschen die Entschuldigung, sollten sie ihrer bedürfen, die Zone nicht zu betreten. Dabei ist der Name nicht völlig falsch. Das Territorium dürfte alles in allem weitaus weniger nutzbar sein als der größte Teil des übrigen bekannten Gor. Das Klima wird dort weitgehend von den Thentis-Bergen beeinflußt und vom Fehlen großer Wasserflächen. In der nördlichen Hemisphäre Gors kommen die Winde vorwiegend aus dem Norden und Westen. Dementsprechend wird ein erheblicher Prozentsatz feuchtigkeittragenden Luft von westlichen Winden in die Thentis-Berge und dort in kühlere, weniger erhitzte Lufthöhen gedrückt, wo sie abregnet, vorwiegend an den Osthängen des Gebirges und den westlichen Ausläufern des Ödlandes. Darüber hinaus reduziert das Fehlen großer Wasserflächen im Ödland die Regenfälle noch insoweit, als sie sich aus der Verdunstung großer Flächen und dem nachfolgenden Niederschlag der Feuchtigkeit über Land ergeben, ausgelöst durch damit einhergehende Luftbewegungen.

Der Mangel an großen Wasserflächen hat noch eine andere gravierende Auswirkung auf das Klima des Ödlandes, das ohne die mäßigende Einwirkung solcher Wasserflächen auf atmosphärische Temperaturen auskommen muß. Landmassen am Meer haben wegen der unterschiedlichen Erhitzung von Land und Wasser im allgemeinen wärmere Winter und kühlere Sommer als anders gelegene Zonen. So erlebt das Ödland große Temperaturunterschiede, die sich in bitterkalten Wintern und langen heißen, trockenen Sommern äußern.

»Eine andere Möglichkeit«, plauderte Samos weiter, »wäre ein Kredit an die Sa-Tarna-Kaufmannschaft, und zwar zu einem ermäßigten Zins. Damit wäre der Präzedenzfall einer direkten Subvention an einer Unterkaste vermieden. Gewiß, trotzdem könnte es Widerstand aus der Straße der Münzen geben. Vielleicht ließe sich auch eine Steuervergünstigung in Betracht ziehen.«

In den trockensten Zonen am Fuße der Thentis-Berge ist das Gras nur kurz. Reitet man weiter nach Osten, wächst es höher empor, bis zu achtzehn Zoll hoch; und kommt man noch weiter östlich, kann es Höhen von mehreren Fuß erreichen und berührt zuweilen die Knie eines Kaiilareiters. Zu Fuß kann man sich in solchem Gras leichter verlaufen als in den Wäldern des Nordens. Soweit ich weiß, war es noch keinem Weißen gelungen, bis an die Ostgrenze des Ödlandes vorzustoßen. Jedenfalls war aus jenem Gebiet noch niemand zurückgekehrt. Wie groß es also wirklich ist, weiß niemand.

»Das sind alles sehr komplizierte Entscheidungen«, jammerte Samos. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich stimmen soll.«

Typisch für das Ödland sind Tornados und krachende Donnerschläge. Im Winter kann es zu Schneestürmen kommen, die wohl zu den schlimmsten auf Gor zählen: Die Schneewehen erreichen die Höhe von Galeerenmasten. Im Sommer glüht die Sonne, die scheinbar endlose Dürreperioden auslöst und zahlreiche flache gewundene Flüsse dieser Gegend austrocknen läßt. Plötzliche Temperaturschwankungen sind nichts Ungewöhnliches. Ein Teich kann im En’Kara-Monat plötzlich zufrieren, während gegen Ende Se’Var eine zwölf Zoll dicke Schneedecke innerhalb von Stunden zu schmelzen vermag. Es wird auch von plötzlichen Stürmen berichtet, ebenso von Unwettern, die in weniger als einer Stunde das Wasser einen Fuß hoch steigen lassen. Solche Regengüsse versickern natürlich schnell wieder und schneiden Bachläufe und Vertiefungen in das Land. Auf diese Weise kann sich ein trockenes Flußbett innerhalb von Minuten in einen reißenden Strom verwandeln. Nicht selten kommt es auch zu Hagelschlag, mit Brocken, die oft größer sind als Vulo-Eier. Oft haben solche Unwetter ganze Zugvögelschwärme vernichtet.

»Was meinst du dazu?« fragte Samos.

»Es gab einen Moment, da habe ich mit Zarendargar Paga geteilt«, sagte ich.

»Das verstehe ich nicht.«

Wir spürten die Barke langsam im Kanal wenden. Dann hörten wir, wie auf der Steuerbordseite Ruder eingezogen wurden. Sanft prallte das Boot gegen eine Pier und knirschte an den Lederpolstern entlang.

»Wir sind an meinem Haus«, sagte ich.

Langsam erhob ich mich von der niedrigen Bank, ging zur Tür und öffnete sie, die zum Heck der Barke hinausführte. Zwei meiner Männer, der eine am Bug, der andere am Heck, hielten die Leinen. Ich stieg auf die Reling der Barke und sprang von dort auf den Anleger.

Samos trat unter mir an die Schwelle der Kabinentür.

»Ein interessanter Morgen«, sagte er.

»Ja.«

»Wir sehen uns dann übermorgen bei der Ratsversammlung.«

»Nein«, sagte ich.

»Ich verstehe das nicht.«

»Zarendargar ist in großer Gefahr«, sagte ich.

»Darüber können wir uns doch freuen.«

»Das Todeskommando ist bereits auf Gor.«

»Sieht so aus.«

»Wie viele sind es deiner Meinung nach?« fragte ich.

»Zwei«, sagte Samos.

»Gewiß mehr«, widersprach ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß nur zwei Kurii ausgesandt wurden, um ein Ungeheuer wie Zarendargar zu beseitigen.

»Mag sein«, sagte Samos.

»Ich habe mit Zarendargar Paga geteilt«, sagte ich.

Samos kam zum Heck der Barke. Erstaunt blickte er zu mir auf. Anscheinend sorgte er sich nicht mehr, daß unser morgendlicher Ausflug beobachtet werden könnte. »Welche Verrücktheit planst du?« flüsterte er.

»Zarendargar muß auf jeden Fall gewarnt werden«, sagte ich.

»Nein!« rief Samos. »Er muß so schnell wie möglich sterben!«

»Ich glaube nicht, daß es den Kurii in einem solchen Fall darum geht, schnell zu töten.«

»Die Sache geht dich nichts an.«

»Mich geht jede Sache etwas an, die ich zu der meinen mache«, sagte ich.

»Weiße Männer sind im Ödland nicht willkommen.«

»Da gibt es bestimmte Ausnahmen«, sagte ich. »Irgendwie muß der Handel doch blühen.«

»Du brauchst Zarendargar nicht zu warnen«, beschwor mich Samos. »Er weiß, daß man ihn verfolgen wird. Diese Bestätigung hat uns eines der Ungeheuer gegeben, mit denen wir heute früh sprachen.«

»Vielleicht weiß er aber noch nicht, daß seine Henker auf Gor gelandet sind«, widersprach ich. »Vielleicht hat er keine Ahnung, daß die Kurii seinen ungefähren Aufenthaltsort kennen. Er hat womöglich keine Ahnung, mit wem er es zu tun hat.«