»Einige sind ganz hübsch«, sagte der Mann neben mir und schaute in die Grube hinunter.
»Ja«, antwortete ich. Wir standen auf dem Gelände Ram Seibars, eines Sklavenhändlers. Er besitzt eine ziemlich große Anlage, denn er handelt auch mit Kaiila. Ich schätzte die Größe auf etwa hundert Meter im Quadrat. Auf dem Gelände befanden sich mehrere Sklavengruben, von denen aber nur drei besetzt waren, wie auch mehrere größere und kleinere Holzgebäude, Baracken für die Männer und verschiedene andere Bauten. Die gesamte Anlage ist von einem Palisadenzaun umschlossen. Auf dem größten Bauwerk, der Haupt-Verkaufshalle, etwa siebzig Fuß breit und hundertundzwanzig Fuß lang, weht das Banner Seibars, ein gelber Wimpel, auf dem schwarze Fußfesseln und eine Peitsche abgebildet sind.
»Kennst du den Händler Grunt?« fragte ich meinen Nachbarn.
»Ja.«
»Hält er sich in der Gegend auf?«
»Weiß ich nicht.«
Ich hatte den Mann schon in den verschiedenen Schänken und Tavernen Kailiauks gesucht. Dabei begegnete mir niemand, der seinen Aufenthaltsort kannte. Meine Hoffnungen, ihn zu finden, schwanden allmählich. Heute früh hatte ich im Fünf-Horn-Stall zwei Kaiila erstanden, dazu Geschirr, einen Sattel, verschiedene Ausrüstungsgegenstände und Vorräte und Tauschwaren. Diese Einkäufe hatte ich in der Stadt erledigt, im Laden des Publius Crassus, Mitglied der Kaufmannskaste, zugleich Kailiauks Administrator. Zu meinen Erwerbungen zählte auch ein Kurzbogen, ähnlich konstruiert wie die Waffen, die von den Wilden benutzt werden, geeignet für den Gebrauch im Sattel. Mit dem Bogen erstand ich einen Köcher und zwanzig federbesetzte Pfeile.
Für mich gehörte es zu den großen Fehlern weißer Kavalleristen in der Grenzzone, daß sie sich zu sehr auf ihre Armbrust verließen, die vorwiegend eine Infanteriewaffe ist. Natürlich besitzt sie auch Vorteile, zum Beispiel eine erhebliche Durchschlagskraft, die Möglichkeit, sie sehr lange schußbereit zu halten, außerdem können manche Kämpfer aus dem Sattel damit besser schießen als mit dem einfachen Bogen. Auf kurze Entfernung durchschlägt ein Armbrustbolzen außerdem die meisten Schilde der roten Wilden.
Der wesentliche Nachteil liegt darin, daß man eine Armbrust nur in sehr langsamer Folge abschießen kann. Die Kavalleriearmbrust hat einen eisernen Steigbügel, in den der Reiter seinen Fuß stecken kann, ohne absteigen zu müssen, und somit die Hebelwirkung gewinnt, um das Kabal mit beiden Händen wieder zurückzuziehen. Somit kann der Reiter zwar neu laden, ohne abzusteigen, und die Schlußfolge seiner Armbrust beschleunigen, wenn das auch ein wenig zu Lasten der Durchschlagskraft geht, doch liegt hier für mich kein Ausgleich. Ich halte es für nicht unmöglich, daß ein roter Krieger drei bis fünf Pfeile abschießt, während die behäbigere Waffe einmal neu geladen wird. Hätte sich die leichtere, schneller zu ladende Armbrust bei den typischen Kampfsituationen des Ödlands als überlegen erwiesen, wären die Wilden sicher schon auf die eine oder andere Weise darauf zurückgekommen. Sie haben es aber nicht getan.
Dementsprechend beschloß ich, sie mir in dieser Sache zum Vorbild zu nehmen, und wählte eine Waffe, die der ihren ähnlich war. Denn da ich Grunt nicht zu finden vermochte, fürchtete ich, allein ins Ödland vordringen zu müssen. Lady Mira aus Venna und Alfred aus Port Olni hatten Kailiauk bereits heute früh mitsamt ihren Söldnern verlassen.
Der Mann neben mir am Geländer wandte sich um. »Warum suchst du Grunt?«
»Ich muß ins Ödland.«
»Das ist Wahnsinn.«
Ich zuckte die Achseln.
»Nur schade, daß du nicht vor einem Monat nach Kailiauk gekommen bist«, sagte er.
»Warum?«
»Damals überquerten zahlreiche Siedler die Ihanke, bewaffnet, mit zweihundert Wagen, Männer, Frauen und Kinder. Es müssen sieben bis achthundert gewesen sein. Du hättest sie begleiten können. In einer solchen Menge ist man vielleicht sicher.«
»Möglich«, sagte ich. Ein solcher Treck kam andererseits nur langsam voran. Außerdem konnte man seine Spuren und seinen jeweiligen Standort nicht vertuschen.
»Du bist ein großer Bursche«, fuhr der andere fort, »und scheinst fix und kräftig zu sein. Warum hast du dich nicht von der Truppe anwerben lassen, die vorhin aufgebrochen ist?«
Ich antwortete nicht.
»Es war die größte Söldnertruppe, die jemals Kailiauk verlassen hat«, informierte mich der Mann. »Du hättest sie begleiten sollen.«
»Vielleicht.«
»Ich bin angekettet!« schluchzte ein Mädchen in der Grube unter uns. Sie kniete im Schlamm. Mit schmalen Händen zerrte sie an ihren Ketten. »Wo bin ich?« fragte sie ungläubig. »Was ist aus mir geworden? Wo sind meine Sachen? Was sind das für Männer?«
»Sie können nicht mal goreanisch sprechen«, sagte der Mann.
»Barbaren«, bestätigte ich.
»Ja.« Das Mädchen hatte Englisch gesprochen, was meine Vermutung über die Herkunft der Mädchen bestätigte. Aus reiner Neugier war ich auf Seibars Markt gekommen. Angeblich war er in Kailiauk der wichtigste Händler für barbarische Sklavinnen. Genau wußte ich es natürlich nicht, doch ich vermutete, daß nicht er selbst mit den Kurii verbündet war, sondern Mädchen lediglich in Großhandelsmengen von einem oder mehreren ihrer Agenten erwarb. Solche Mädchen, das hatte ich von dem Sklavenkutscher erfahren, den ich bis Fort Haskins begleitet hatte, wurden in der Grenzzone an verschiedenen Punkten verkauft. Vor einigen Ahn hatte ich auf dem Rücken einer meiner neuerworbenen Kaiila das Terrain nördlich und südlich Kailiauks erkundet. Dabei war ich an einer entlegenen Stelle zwischen einigen Hügeln an eine Stelle gekommen, wo das Gras verkohlt war und sich im Boden mehrere runde, sechs Zoll durchmessende Vertiefungen abzeichneten. Hier, so vermutete ich, war eines der Stahlschiffe der Kurii gelandet. In der Nähe stieß ich auf Wagenspuren, die aus dem Gebiet fortführten, in Richtung Kailiauk. Weniger Glück hatte ich bei meinen Erkundigungen nach einem gewissen Grunt in den kleinen einsamen Lagern und Höfen. Der Ihanke näherte ich mich nicht; dies entsprach nicht meinem Wunsch. Zunächst mußte ich besser Bescheid wissen. Im Moment war mir nicht einmal bekannt, ob die Grenze bewacht wurde oder nicht.
»Selbst wenn solche Mädchen das Goreanische verstünden«, fuhr der Mann neben mir amüsiert fort, »könnten sie wahrscheinlich nicht begreifen, was von ihnen verlangt wird.«
»Man könnte es ihnen beibringen«, sagte ich.
»Da hast du sicher recht.«
Ich wandte mich ab und ging. Es ärgerte mich, daß ich den Händler Grunt nicht finden konnte. Am nächsten Morgen, mit oder ohne ihn, wollte ich in die Einöde vordringen.
7
»Barbarinnen! Barbarinnen zu verkaufen!« rief der Mann, der auf der runden Holzplattform vor dem offenen Tor der von einem Palisadenzaun umschlossenen Anlage stand. Er war massig und korpulent und trug ein langes, offenes, fleckiges Hemd aus blaugelber Seide. Seine Lederhosen wurden von einem dreifach zugeschnallten breiten Gürtel gehalten. An diesem Gürtel war eine mächtige perlenbesetzte Scheide festgemacht, in der offenbar ein grober dreieckig geformter Dolch steckte. Dazu trug er Kaiilastiefel mit glockenbesetzten silbernen Hackenspitzen, die beim Kaiilareiten als Sporen dienten. In der Hand hielt er eine geschmeidige lange Kaiilapeitsche aus schwarzem Leder, etwa einen Meter lang. Das Haar hatte er sich mit blaugelben Tuchfetzen im Nacken zusammengebunden. Er gehörte zur Kaste der Sklavenhändler.