»Aber sie hat es noch nicht ganz begriffen.«
»Ich habe ein Gebot auf fünf Tarsks auf dieses Mädchen!« rief der Auktionator. »Höre ich mehr?«
»Zeig sie uns richtig!« forderte ein Mann.
Der Auktionator kam der Aufforderung nach.
»Fünf fünf!«
»Gut!« rief der Auktionator. »Stellt sie euch an eurem Sklavenkragen vor!«
»Fünf sieben!«
Im Lauf des Abends war mir schon mehrmals aufgefallen, daß der Auktionator und auch verschiedene Helfer die Anwesenheit der beiden Tavernenmädchen im Publikum bemerkt hatten. Sie unternahmen allerdings nichts gegen sie, was ich interessant fand. Vielleicht nahmen sie an, die beiden wären in meiner Begleitung. Wieder beschäftigte mich die Frage, warum die Mädchen sich ausgerechnet an mich klammerten. Da ich keine zu ihrer Taverne begleiten wollte, hätte sie sich nach einer gewissen Zeit bemühen müssen, ihre Schönheit auf interessantere Kandidaten wirken zu lassen. Gewiß entsprach es nicht ihrem Auftrag, sich eine Sklavenauktion anzuschauen.
Ich richtete den Blick wieder auf den Hauptblock. Die Sklavin war inzwischen ihrer letzten Würde beraubt und dem Publikum in allen ihren Reaktionen vorgeführt worden - die sich in der Tat sehr vielversprechend ausmachten. Das Bieten war noch lebhafter geworden und stand inzwischen bei sechs Silber-Tarsks und neun Kupfer-Tarsks.
In diesem Moment gab es am Eingang einen Aufruhr. Stimmen brüllten hinter uns. Zornig blickte der Auktionator zum Eingang. Sieben oder acht Männer, die die Stiefel und Gewänder von Treibern trugen, stürmten herein. Zwei oder drei trugen halb geleerte Paga-Flaschen bei sich. Zwei hielten blankgezogene Schwerter in den Händen. Die Tavernenmädchen klammerten sich fest und versuchten hinter mir Schutz zu suchen. Offenbar handelte es sich um Angehörige der Treibergruppe, die ich vorhin hatte eintreffen sehen, als sie ihre Kaiila brüllend durch die Straßen trieben.
»Meine Herren!« sagte der Auktionator. »Stört den Frieden nicht! Steckt die Waffen ein! Hier ist ein Verkauf im Gange.«
»Da sind sie ja!« rief einer der Treiber und deutete auf uns. Er war ein junger, dunkelhaariger, grobschlächtig wirkender Mann. Die Tavernenmädchen begannen zu jammern. Ich schüttelte sie ab. Der Bursche schob keuchend die Klinge in die Scheide und stolzierte auf uns zu. Ein zweiter Mann, der eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm hatte, folgte dichtauf.
»Die Hobarts«, sagte ein Mann, »von der Bar-Ina-Ranch.«
Der erste der beiden packte Evelyn an den Armen und schüttelte sie dermaßen grob, daß ich schon fürchtete, ihr schmaler Hals würde brechen. »Ich habe dich in der Taverne gesucht«, sagte er zornig zu ihr. »Du wußtest doch, daß ich heute abend eine Herde in die Stadt bringen würde.«
»Und du, du kleine Dirne!« fauchte der andere. »Was ist mit dir?« Beide Hände krallte er in Gingers Haar und warf sie brutal vor sich zu Boden. Es freute mich zu sehen, daß er mit einer Sklavin umzugehen verstand. Sie blickte zu ihm auf, die kleinen Händen hilflos auf seine Handgelenke gelegt, Tränen in den Augen. »Warum warst du nicht in Randolphs Taverne und hast auf mich gewartet?« wollte er wissen.
Plötzlich glaubte ich ein wenig besser zu verstehen, warum die beiden Mädchen nicht in ihren Tavernen gewesen waren, warum sie sich offenbar unter dem Vorwand, für ihre Herren Kunden einfangen zu wollen, im Verkaufssaal Ram Seibars versteckt hatten. Weniger verstand ich den Umstand, daß das Personal sie nicht von hier vertrieben hatte. Die Anwesenheit zweier so aufreizender Tavernenmädchen war durchaus dazu angetan, zumindest einige Käufer abzulenken. Diese Tatsache war um so rätselhafter, als die beiden in der Vergangenheit in ähnlicher Situation mit Peitschenhieben vertrieben worden waren. Offenbar taten sie so etwas nicht zum erstenmal.
Der erste junge Bursche riß Evelyn herum und schleuderte sie ein Stück von sich fort, in Richtung Tür. »Führ mich in die Taverne, Sklavin!« forderte er.
»Ja, Herr«, antwortete sie weinend.
»Und du«, knirschte der andere und warf Ginger zu Boden, »begibst dich jetzt schleunigst in Randolphs Taverne!«
»Ja, Herr.«
Zwei an der Tür stehende Helfer des Hauses sahen sich nervös und unbehaglich an. Ich verstand diese Reaktion nicht. Was konnte es sie kümmern, daß die beiden Frauen in ihre Lokale zurückgebracht werden sollten?
Der erste der beiden Hobarts drehte sich um und starrte mich aufgebracht an. Mein Blick fiel auf seine Waffe. Sie hing an seiner linken Hüfte, so daß er wahrscheinlich Rechtshänder war. Dementsprechend behielt ich seine Rechte im Auge. Sie verkrampfte sich nicht, machte keine Anstalten, sich dem Schwertgriff zu nähern.
Offensichtlich war er zornig. Gelassen begegnete ich seinem Blick.
Mir wurde bewußt, daß die Mädchen mich ausgesucht hatten, weil sie von mir Schutz erhofften. Vermutlich war ich ihnen groß und kräftig vorgekommen; außerdem trug ich ein Schwert. Überdies war ich fremd in der Stadt und wußte bestimmt nichts von den Hobarts oder der Mannschaft der Bar-Ina oder irgendwelchen anderen Leuten, die sich für sie interessieren mochten. Auf ihre Weise hatten sie versucht, mich auszunutzen, worüber ich mich ärgerte. Natürlich hatten sie sich schwer getäuscht. Da ich sie nicht selbst in die Nische mitnehmen wollte, konnte ich ihnen keinerlei Schutz bieten. Sie gehörten voll und ganz ihrem Herrn – und den Männern im allgemeinen. Sie waren Sklavinnen. Trotzdem würde es mir nicht gefallen, sollten dieser Bursche und seine Treiberkollegen annehmen, sie nähmen mir die Mädchen fort.
Der Mann schlug zu. Die folgenden Ereignisse spielten sich sehr schnell ab. Ich glaube nicht, daß die Umstehenden alles mitbekamen. Ich umfaßte sein Handgelenk, drehte es und riß ihn vorwärts von den Beinen, während ich gleichzeitig einen heftigen Tritt nach oben ansetzte. Anschließend drehte ich sein Handgelenk zurück und stieß ihn zur Seite. Den zweiten Mann erwischte ein nach hinten geführter Tritt, als sein Stahl kaum halb aus der Scheide geglitten war. Da ich gerade in die andere Richtung blickte, kam mein Fuß für ihn offenbar sehr überraschend, auch im Hinblick auf die Art und Stärke des Aufpralls. Unerfahrene Männer rechnen oft ausschließlich mit Frontalangriffen. Dem geübten Kämpfer stehen dagegen verschiedene Möglichkeiten offen. Meine Klinge war blank gezogen, ehe seine Knie einzuknicken begannen. Nun stand ich den Treibern mit gezogener Waffe gegenüber. Hastig wurde uns Platz gemacht, während der junge Mann zu Boden sank.
»Gut gemacht!« sagte der Mann mit dem breitkrempigen Hut.
Vor mir standen geduckt die fünf Treiber, Schwerter in den Händen; Flaschen wurden zur Seite geworfen.
»Wer den Angriff beginnt«, sagte der Auktionator vor der Höhe der Hauptplattform, »ist ein toter Mann!«
Die Treiber blickten sich um. Angestellte des Hauses hatten Armbrüste auf sie gerichtet. Die kurzen schweren Bolzen lagen in den Führungen. Die Sehnen waren angespannt. Finger lagen an den Abzügen.
Zornig steckten die Treiber ihre Waffen fort. Sie sammelten ihre beiden angeschlagenen Kameraden ein, faßten sie unter und verließen den Saal, nicht ohne mich mit finsteren Blicken zu bedenken.
»Die beiden Anführer«, sagte der Mann mit dem breitkrempigen Hut zu mir, »waren Max und Kyle Hobart von der Bar-Ina-Ranch. Keine sehr angenehmen Feinde.«
Ich zuckte die Achseln und steckte mein Schwert fort.
Die beiden Tavernenmädchen, die brünette Ginger und die dunkelhaarige Evelyn, näherten sich unauffällig der Tür.
»Einen Moment, ihr jungen Damen!« rief der Auktionator freundlich.
»Wir gehen, ihr Herren!« sagte Ginger unsicher.
»Vielleicht nicht«, meinte der Auktionator.
»Ihr Herren?« rief Ginger erschrocken. Hinter ihr polterte etwas zu Boden. Sie fuhr herum und erblickte ein massiges Sklavennetz, das vor der Türöffnung herabgelassen worden war.
Evelyn kniete nieder. »Bitte verzeiht uns, ihr Herren!« rief sie. »Bitte peitscht uns nicht aus!«
Hastig folgte Ginger dem Beispiel ihrer Leidensgenossin.
»Wer ist euer Herr?« fragte der Auktionator.