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»Oh.«

»Auch dieses Zeichen hast du sicher schon gesehen«, sagte Grunt. Er hielt beide Fäuste vor seine Brust, wobei sich die Daumen beinahe berührten, und breitete dann waagerecht die Finger aus.

»Ich weiß nicht.«

»Fühlst du dich nicht an etwas erinnert?« fragte er und wiederholte das Zeichen.

Plötzlich sträubten sich mir die Nackenhaare. »Man könnte sich das Auflösen von Kolonnen vorstellen, das Ausschwärmen, um Kampfpositionen einzunehmen.«

»Genau«, sagte Grunt. »Das Zeichen für Soldaten.« Und er ließ dem Zeichen das Reitsignal folgen.

»Kaiilareiter«, sagte ich. »Kavallerie.«

»Richtig«, erwiderte Grunt ernst. Beide Fäuste führte er dicht vor seine Brust, die Handrücken nach unten gerichtet, die Zeigefinger gekrümmt, dann machte er eine vorwärts gerichtete kreisförmige Bewegung.

»Räder?« fragte ich. »Wagen.«

»Ja.«

Alle diese Zeichen waren von Kornähre benutzt worden. Grunt wußte, daß ich sie gesehen hatte.

»Ich wollte nicht neugierig erscheinen«, sagte ich.

»Schon gut«, erwiderte Grunt.

»Wir müssen ja nicht weitermachen«, sagte ich.

»Macht nichts.«

Ich hielt die Hände in Bodennähe, die Finger leicht gespreizt und nach oben gekrümmt. Dann ließ ich die Hände in einer kleinen, aufwärts führenden Kurve hochfahren.

»Gras«, sagte Grunt.

Ich nahm die Hand mit der Handfläche nach unten in Schulterhöhe und senkte sie, bis sie nur noch etwa achtzehn Zoll über dem Boden stand.

»Höhe«, sagte Grunt. »Hoch. Hohes Gras. Sommer.«

Vor wenigen Tagen hatten wir die sommerliche Tag- und Nachtgleiche gehabt.

Ich verschränkte die Arme, wobei der rechte Arm über dem linken lag. Anschließend hob ich beide Hände, bis meine Finger zum Himmel zeigten.

»Das Ausbreiten des Lichts«, interpretierte Grunt. »Tag. Licht.«

Ich wiederholte die Geste noch zweimal.

»Drei Tage«, sagte Grunt. »Also vor drei Tagen.«

Ich hob die Hand vor den Körper, die Finger leicht gekrümmt. Dann führte ich die Finger in einer ausholenden Kurve zusammen.

»Viele«, sagte Grunt. »Vieles. Eine große Menge.«

Mit dem rechten Zeigefinger machte ich das Zeichen für rote Wilde.

»Rote Wilde«, sagte Grunt lächelnd. »Flieher, Kaiila, Sleen, Gelbe Messer, Kailiauk.«

Ich hatte dreimal langsam die Hände bewegt, wie auf und nieder schlagende Flügeclass="underline" Dieses Zeichen stand für den Flieher-Stamm. Der Flieher ist ein großer, gelber, langschnäbliger, hungriger Vogel des Ödlandes. Manchmal wird er auch Korn- oder Maisvogel genannt. Anschließend war ich mir mit dem Zeigefinger über die Kehle gefahren. Das war das Zeichen für die Kaiila, den Halsabschneider-Stamm. Der Sleen-Stamm wurde mit dem für das Tier üblichen Symbol dargestellt, und die Gelben Messer hatte ich mit dem Zeichen für Messer angekündigt, gefolgt von dem Signal für die Flieher.

»Du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis«, sagte Grunt. Ich hatte Teile des Gesprächs nachvollzogen, das ich zuvor zwischen ihm und Kornähre beobachtet hatte.

Ich hielt die Hände vor mich, die Handflächen gegeneinander geneigt, die linke Hand ein Stück vor der rechten. Dann führte ich die linke Hand in einer schnellen, bürstenden Bewegung vor der anderen hin und her.

»Schnell«, sagte Grunt. »Eile, Hast.«

Die linke Hand wanderte vor meinem Körper, die Handfläche nach außen, die ersten Finger zu einem V gespreizt. Die rechte Hand hielt ich an meine rechte Schulter, den Zeigefinger nach oben geneigt. Mit schneller Bewegung führte ich dann den Zeigefinger in den Spalt zwischen Zeigefinger und Mittelfinger der linken Hand.

»Töten«, sagte Grunt ernst. »Zuschlagen. Angreifen.«

Ich fügte das Zeichen für ›viele‹ hinzu, dann signalisierte ich weißen Mann und weiße Frau und Soldaten und Kaiilakämpfer oder Kavallerie.

»Ja«, sagte Grunt.

»Was ist dies für ein Zeichen?« fragte ich weiter, legte die hohle rechte Hand dicht über den Boden, die Finger halb geschlossen. Mit einer kurzen wellenförmigen Bewegung hob ich sie vom Boden hoch.

»Das Zeichen für Feuer«, erklärte Grunt. »Flammen.«

»Es stand vor dem Zeichen für Wagen«, sagte ich.

»Also: Vor drei Tagen, vor ungefähr drei Tagen«, sagte Grunt, »überfiel eine große Gruppe roter Krieger, darunter Kaiila, Gelbe Messer, Sleen, Flieher und Kailiauk, einen Wagenzug und eine Söldnerschar, Infanterie und auch Kavallerie. Wagen wurden niedergebrannt. Es gab ein Massaker.«

»Ich glaube, ich kenne die Beteiligten«, sagte ich. »Der erste Zug verließ kurz vor meinem Eintreffen Kailiauk. Es handelte sich um Siedler. Die zweite Horde, das müssen die Söldner Alfreds gewesen sein, eines Hauptmanns aus Port Olni. Er zog kurz vor uns aus Kailiauk los.«

Alfred, der unterwegs keine Tauschgeschäfte machte und nicht von Sklavinnen behindert wurde, hatte anscheinend zu den Siedlern aufgeschlossen, die die Kontaktaufnahme zweifellos begrüßt hatten. Ich fragte mich, was aus den Siedlern und Soldaten geworden war und ob es Überlebende gab. Alfred schien mir Talent zu einem guten Anführer zu haben. Allerdings kannte er sich mit den Kampfgewohnheiten, die im Ödland galten, nicht aus. Vielleicht hatte er seine Gegner unterschätzt – in der Zahl wie auch in ihrer Kampfkraft.

Ich dachte an die eckigen geschlossenen Wagen, die im Zug der Soldaten mitgefahren waren. Darin hatten sich zweifellos die zottigen Ungeheuer Sardak und Kog befunden. Ich hatte insgesamt siebzehn solcher Wagen gezählt. Wenn die Ungeheuer vernichtet worden waren, konnte ich möglicherweise daran denken, das Ödland wieder zu verlassen. Denn in einem solchen Fall war Zarendargar in Sicherheit, zumindest bis eine neue Streitmacht gegen ihn organisiert werden konnte. Vielleicht überwachten die Priesterkönige Städte wie Fort Haskins und Kailiauk durch ihre Agenten.

Ich mußte auch an den rothäutigen Jüngling mit dem unschönen Namen Urt zurückdenken, einen angeblich zu den Staubfüßen gehörigen Sklaven, der die Soldaten begleitet hatte. Was hatten seine Artgenossen wohl mit ihm angestellt? Meine Gedanken galten natürlich auch der hochmütigen, verschleierten Lady Mira aus Venna. Inzwischen trug sie bestimmt keinen verhüllenden Schleier mehr.

Mir fiel natürlich auf, daß bei dem Angriff mehrere Stämme zusammengearbeitet hatten, die sich nicht immer wohlgesonnen warn. Die ›Erinnerung‹, wie sie genannt wird, und der gemeinsame Haß auf den Weißen hatten die blutigen Stammesfehden in den Hintergrund treten lassen.

»Eine schreckliche Sache«, sagte Grunt starr.

Ich nickte. »Glaubst du, es hat Überlebende gegeben?«

»Bei solchen Überfällen lassen unsere Freunde von den Ebenen selten einen Gegner am Leben. Vielleicht haben sie bei Kindern eine Ausnahme gemacht, die dann in Waniyanpi-Lagern großgezogen und entsprechend erzogen werden sollten. Wer weiß?

»Und ein roter Sklave bei den Weißen?«

»Mann oder Frau?«

»Mann.«

»Ich würde seine Chancen nicht sehr hoch einschätzen«, meinte Grunt.

Ich schwieg.

»Nach Osten zu ziehen, dürfte nun zu gefährlich sein«, fuhr er fort. »In den jungen Männern wird der Blutrausch erst langsam abklingen.«

»Wir gehörten doch gar nicht zu den angegriffenen Gruppen!«

»Man kann nur hoffen, daß die Wilden fähig sind, diesen Unterschied zu erkennen.«

»Wir haben keine Gesetze gebrochen.«

»Wir sind Weiße«, gab Grunt zu bedenken.

»Ich muß aber nach Osten«, sagte ich. Es war unbedingt erforderlich, das Schicksal jener Kurii zu ermitteln, die die Söldner begleitet hatten. »Es heißt in der Grenzzone, du seist eine Ausnahme, du wärst von allen am tiefsten in das Ödland eingedrungen und kenntest die Wilden so gut, wie sie ein Weißer nur kennen kann.«

»Mag sein«, sagte Grunt.

»Aus diesem Grund habe ich Kontakt mit dir gesucht«, sagte ich.

Er musterte mich stumm.

»Ich verwahre da etwas bei meinen Tauschwaren, das ich dir zeigen möchte«, sagte ich. »Vermutlich handelt es sich um etwas, das du schon einmal gesehen hast. Vielleicht kennst du aber Ähnliches und weißt etwas über seine Herkunft.«