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»Ich schaue es mir gern an«, sagte er.

Kurze Zeit später kehrte ich ans Feuer zurück und breitete im Licht der Flammen die Haut aus, die Samos und ich aus dem zerstörten Tarngehege vor den Toren Port Kars retten konnten.

»Eine Bilderhaut«, sagte Grunt.

»Kannst du sie lesen?« fragte ich.

»Ja.«

»Du liest sie aber nicht«, sagte ich. Mir fiel auf, daß er die Spirale der Erzählung weder mit den Augen noch mit dem Finger nachvollzog.

»Ich habe sie längst gelesen. Woher hast du sie?«

»Aus Port Kar.«

»Interessant.«

»Warum?«

»Das liegt so weit von hier«, sagte er. »Im Delta des Vosk.«

»Diese Haut ist also durch deine Hände gegangen.«

»Letzten Herbst erwarb ich sie von Staubfüßen. Sie hatten sie von Kaiila-Kriegern eingetauscht.«

»Weißt du, von welcher Horde Kaiila?«

»Nein.«

»An wen hast du die Haut verkauft?« fragte ich.

»An Ram Seibar in Kailiauk«, antwortete er.

»Es paßt alles zusammen.«

»Du bist kein Händler. Was willst du wirklich im Ödland?«

Ich deutete auf die Abbildung der beiden Federn zu Anfang der Erzählung. »Der Maler scheint Zwei Federn geheißen zu haben«, sagte ich und gab damit Kogs Interpretation wieder.

Grunt zuckte die Achseln. »Es muß nicht unbedingt so sein«, sagte er. »Die beiden Federn könnten ein Talisman oder ein Glückszeichen sein. Vielleicht kennzeichnen sie einen bestimmten Ort. Vielleicht besagen sie auch nur, daß der Maler der Haut zwei Coups sammeln konnte.«

»Ich verstehe.« Diese Deutung war mir alles andere als willkommen. Plötzlich erschien mir die selbstgestellte Aufgabe unlösbar – und das Ödland undurchdringlicher denn je.

»Zeichensprache ist leichter zu deuten als eine Bilderhaut. Die Bildsprache ist zuweilen vieldeutiger, persönlicher.«

»Handelst du oft mit Bildhäuten?« fragte ich.

»Nein«, antwortete Grunt. »Solche Ware ist sehr ungewöhnlich.«

»Ram Seibar hat einen guten Preis bezahlt?«

»Zwei Gold-Tarn.«

»Dann schien er also großes Interesse an dem Fell zu haben?«

»Ja, denn er muckte wegen des Preises nicht auf.«

Ich nickte. Für solches Geld bekam man ohne weiteres fünf Mädchen.

»Weshalb bist du ins Ödland gekommen?« fragte Grunt.

»Siehst du dieses Ungeheuer?« fragte ich und deutete auf die Schilddarstellung am Ende der Bildspirale auf der Haut. Auf dem Schild sah man einen Kur, dessen linkes Ohr halb abgerissen war.

»Ja?«

»Ich suche dieses Wesen«, sagte ich.

Mein Begleiter musterte mich.

»Nein, ich bin nicht verrückt!«

»Das ist ein Ungeheuer aus einer Medizinvision«, sagte Grunt. »Kein real existierendes Wesen.«

»O doch, es gibt dieses Wesen«, widersprach ich. »Ob es darüber hinaus in einer Medizinvision erschienen ist, weiß ich natürlich nicht.«

»Ich habe so ein Ungeheuer noch nie gesehen«, erklärte Grunt.

»Sie sind im Ödland normalerweise auch nicht anzutreffen.«

»Du glaubst aber, daß dieses Geschöpf sich jetzt hier aufhält?«

»Ich bin dessen sicher«, sagte ich betont. »Darüber hinaus vermute ich die Anwesenheit mehrerer Artgenossen.« Ich wußte nicht, was aus den Kurii geworden war, die Söldnerhauptmann Alfred begleitet hatten. Durchaus möglich, daß sie bei dem Angriff auf die Kolonne und den Wagenzug umgekommen waren.

»Bist du Jäger?« fragte Grunt.

»Auf meine ganz spezielle Weise«, antwortete ich.

»Das Ödland ist groß.«

»Glaubst du, die Bilderhaut stammt von den Kaiila?«

»Ich erwarb sie von Staubfüßen, die sie von Kaiila-Kriegern erhalten hatten. Ob sie von einem Kaiila gezeichnet wurden, weiß ich nicht.«

»Ich muß ins Territorium der Kaiila«, sagte ich.

»Dazu mußt du durch das Land der Flieher, der Sleen und der Gelben Messer«, sagte er mahnend.

»Soweit ich weiß, habe ich keines ihrer Gesetze übertreten.«

»Du bist Weißer. Ganz nach Laune können dich die roten Wilden angreifen, ob du gegen ihre Gesetze verstoßen hast oder nicht.«

»Ich verstehe.«

»Du reitest morgen los?«

»Ja.«

»Du bist dir der Gefahren bewußt?« fragte er.

»Ich nehme es an«, antwortete ich.

»Ich werde dich begleiten.«

»Das ist nicht nötig.«

»Wir haben bereits Sommer«, sagte Grunt. »Ich bin nicht so weit geritten, um jetzt schon umzukehren.«

»Du möchtest also auch in den Osten?«

»Ja.«

»Du hast die Absicht, die Kaiila aufzusuchen?«

»Ja, ich will dort Geschäfte tätigen. Letzten Sommer war ich schon dort.«

»Mußt du einen Kontrakt erfüllen?«

»Ja«, erwiderte er, »einen sehr wichtigen Kontrakt. Ich muß meinen ehrlichen Ruf bei den Völkern schützen, die Tatsache, daß ich mit gerader Zunge spreche, wie sie sagen.«

»Wann wirst du dort erwartet?«

»Im Kantasawi«, sagte er, »in dem Monat, in dem die Pflaumen rot werden.« Es war der übernächste Mond.

»Hast du danach noch Zeit, nach Kailiauk zurückzukehren?« fragte ich. Wenn es knapp wurde, hätte er im Ödland überwintern müssen. Sogar die roten Wilden hatten zuweilen Probleme mit den langen, strengen Wintermonaten, besonders wenn die Jagdbeute schlecht war.

»Zwei Monde werden für die Rückkehr nach Kailiauk ausreichen«, sagte Grunt, »wenn man unterwegs nicht mit Tauschgeschäften Zeit verliert.«

»Wieso ist der Kantasawi so wichtig?«

»Es ist der Mond, in dessen Verlauf die Bento-Herde das Gebiet der Kaiila erreicht. In dieser Zeit versammeln sich die Kaiila und veranstalten große Jagden und auch Tanzfeste.«

»Über deine Begleitung würde ich mich freuen«, sagte ich. Ich stellte keine weiteren Fragen nach seinem Geschäft mit den Kaiila.

»Dann steht also fest, daß wir morgen früh zusammen aufbrechen«, sagte Grunt.

»Ja«, erwiderte ich. »Unterwegs würde ich mir gern das Totenfeld ansehen, den Schauplatz des Massakers.«

Grunt schaute mich verwirrt an.

»Ich muß dort etwas nachschauen«, erklärte ich.

»Die Stelle ist nicht weit.«

»Das dachte ich mir.«

»Es wird kein schöner Anblick sein.«

Ich nickte. Dennoch mußte ich feststellen, ob unter den Toten Kurii waren, und wie viele zottige Ungeheuer die roten Wilden umgebracht hatten.

Nachdem Grunt gegangen war, blieb ich noch eine Zeitlang am Feuer sitzen.

15

»Hier!« sagte Grunt und deutete aus der Höhe seines Kaiilasattels auf den Boden. »Siehst du die Wagenspuren?«

»Ja«, antwortete ich. Die Spuren lösten sich aus einem kleinen Bachlauf und waren mehrere Tage alt.

»Es ist nicht mehr weit.«

»Du hast den Rauch gesehen?« fragte ich. Ich meinte das langsame Aufsteigen etlicher Rauchwolken links hinter uns und rechts vor uns. Die Entfernung zwischen den beiden Feuern mochte zehn bis fünfzehn Pasangs betragen.

»Ja«, sagte Grunt. »Aber soweit ich die Zeichen deuten kann, steht keine feindliche Absicht dahinter. Vielmehr werden Informationen weitergegeben. Unser Weg wird beschrieben.«

Solche Signale sind im flachen Ödland gebräuchlich, wenn auch nicht ganz so häufig wie Spiegelsignale. Die Sprache der Spiegel, bei der die Anzahl der Blitzzeichen ausschlaggebend ist, ähnelt den Rauchsignalen. Übrigens stellen diese Rauchsymbole keinen Ersatz für die Sprachen der roten Wilden dar, da es sich nicht im eigentlichen Sinn um Schriftsprachen handelt, die ein feststehendes Alphabet aufweisen. Vielmehr haben die Zeichen, von denen es fünfzig bis sechzig gibt, allgemeine Aussagen, etwa: ›Wir sind Kaiila‹, ›Wer seid ihr?‹ ›Kehrt um!‹ ›Wir haben Coups gezählt‹ und ›Wir kehren ins Lager zurück.‹ Die Zeichen werden produziert, indem man Grünzeug, Zweige oder Gras, auf ein Feuer legt. Der dabei entstehende Rauch wird in seinem Aufstieg durch einen Mantel oder eine Decke gesteuert. Nachts lassen sich solche Signale durch das Entzünden und die Plazierung mehrerer Feuer darstellen oder durch das rhythmische Ver- und Aufdecken einer einzelnen Feuerstelle, wieder mit Mantel und Decke. Es gibt andere Verständigungsmethoden: Man kann Staub in die Luft werfen, Mäntel auf eine bestimmte Weise bewegen oder Kaiila auf eine nach bestimmten Regeln lenken.