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»Am linken Handgelenk des größeren Tiers befinden sich zwei Ringe aus einer rötlichen Legierung«, sagte ich. »Sie sind angeschmiedet. Keine goreanische Feile könnte dieses Metall durchtrennen.«

»Dann ist er also von hohem Rang?«

»Von niedrigerem Rang, als wenn er nur einen Ring trüge«, erwiderte ich. »Zwei solche Ringe kennzeichnen den Anführer einer Bande. So hat er den Rang eines Mannes, der das Kommando über einhundertundachtzig Artgenossen führt.«

»Was also einem Hauptmann entspräche«, sagte Samos.

»Ja.«

»Wenn er ein Blut ist, kommt er mit ziemlicher Sicherheit aus den Stahlwelten«, äußerte Samos.

»Ja.«

»Der andere trägt zwei Goldringe in den Ohren.«

»Der ist ein eitler Bursche«, sagte ich. »Solche Ringe dienen lediglich als Schmuck. Möglicherweise handelt es sich um einen Diplomaten.«

»Das größere Ungeheuer scheint das Kommando zu führen.«

»Er ist ein Blut«, sagte ich.

Von der rechten Schulter zur linken Hüfte der kleineren Kreatur verlief ein breiter Ledergurt. Ich vermochte nicht auszumachen, was daran befestigt war.

»Wir haben die beiden begrüßt«, sagte Samos. »Warum reden sie nicht?«

»Offensichtlich haben wir sie noch nicht richtig angesprochen«, meinte ich.

»Wie lange werden sie unsere Unwissenheit wohl noch dulden?«

»Keine Ahnung. Solche Kreaturen sind nicht gerade als geduldig bekannt.«

»Meinst du, sie werden uns umbringen wollen?«

»Dazu hätten sie bereits jede Gelegenheit gehabt, wenn das ihre Absicht wäre«, meinte ich.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte Samos.

»Es handelt sich um einen offiziellen Anlaß, und wir haben es mit einem Blut zu tun«, sagte ich. »Zweifellos kommt er aus den Schiffen. Ich glaube, ich weiß die Antwort.«

»Was empfiehlst du?«

»Wie oft hast du die beiden jetzt begrüßt?« fragte ich.

Samos überlegte kurz. »Viermal. Viermal habe ich ›Tal‹ gesagt.«

»Ja«, sagte ich. »Wenn eines dieser Ungeheuer die Hand eines anderen berührt, beide mit offener Hand, zum Zeichen, daß darin keine Waffen ruhten, daß die Berührung in friedlicher Absicht erfolgte – an wie vielen Stellen würde dann die Berührung erfolgen?«

»An sechs«, antwortete Samos.

»Solche Geschöpfe haben in der Regel keine Lust, von Menschen berührt zu werden«, sagte ich. »Die menschliche Entsprechung einer solchen Begrüßung könnte also in sechs vergleichbaren Stimmsignalen liegen. Wie dem auch immer sei, ich finde, die Zahl sechs ist hier auf jeden Fall von Bedeutung.«

Und schon hob Samos die linke Hand. Langsam, ohne zu sprechen, deutete er nacheinander auf vier Finger. Dann nahm er den Daumen der linken Hand in die rechte Hand. »Tal«, sagte er. Und er hob den Zeigefinger der rechten Hand. »Tal«, wiederholte er noch einmal.

Daraufhin begann sich das kleinere der beiden Geschöpfe langsam zu bewegen, was mir eine Gänsehaut verursachte. Meine Nackenhaare sträubten sich.

Das Wesen drehte sich um, bückte sich und hob einen riesigen Schild empor, wie er zu einem solchen Wesen paßte. Den Schild hob er zwischen uns, waagerecht, die konvexe Seite nach unten. Die Schildgurte waren intakt. Anscheinend legte das Wesen den Schild neben dem Tisch auf dem Boden ab, rechts von uns. Dann ging er ein Stück nach hinten und bückte sich erneut. Diesmal hob es einen riesigen Speer, gut zwölf Fuß lang, bewehrt mit einer langen zulaufenden Bronzespitze. Mit beiden Händen hielt die Kreatur den Speer waagerecht vor sich, hob ihn feierlich empor und in unsere Richtung und zog ihn wieder zurück. Anschließend legte sie den Speer rechts von uns auf den Boden. Der Speerschaft maß etwa drei Zoll im Durchmesser. Die Bronzespitze allein mochte zwanzig Pfund wiegen.

»Eine Ehrenbezeigung«, sagte Samos.

»Die der unseren folgt«, gab ich zurück.

Die Bedeutung der Geste, bei der Waffen hochgehoben und fortgelegt wurden, war klar. Sie entsprach überdies der auf Gor üblichen Methode, einen Waffenstillstand vorzuschlagen. Daß die Geschöpfe auf diesen – menschlichen – Brauch zurückgriffen, was für mich ein begrüßenswertes Entgegenkommen. Sie schienen Wert darauf zu legen, höflich aufzutreten. Ich fragte mich, was sie wollten. Wenn man es genau analysieren wollte, war es allerdings nur die hellere und kleinere der beiden Kreaturen, das Wesen mit den Ringen in den Ohren, die diese Gesten vollzogen hatte. Vielleicht war es tatsächlich Diplomat. Das größere Tier, der Blut, hatte nur reglos dabeigestanden. Doch waren diese Gesten eindeutig in seiner Gegenwart vollzogen worden – ein ausreichender Beweis, daß er sie guthieß. Mit Kriegeraugen bemerkte ich, daß der Speer so abgelegt worden war, daß ein normal Rechtshändiger ihn mühelos greifen konnte.

»Wie man sieht, wollen sie sich nicht ergeben«, sagte Samos.

»Nein«, erwiderte ich. Die Schildgurte, die ich eben gesehen hatte, waren nicht abgerissen oder durchgeschnitten gewesen, was den Schild nutzlos gemacht hätte. Ebensowenig hatte man uns den Speer durchbrochen präsentiert. Die Kreaturen wollten sich nicht ergeben.

Die Lippen des kleinen Wesens wurden zurückgezogen und entblößten Reißzähne. Samos wich zurück und griff unwillkürlich nach dem Schwert.

»Nein«, sagte ich leise zu ihm. »Er versucht nur ein menschliches Lächeln nachzuahmen.«

Von dem breiten Lederstreifen, der mir vorhin schon aufgefallen war, löste das Wesen nun ein mit Knöpfen übersätes, metallisches, rechteckiges Gerät und stellte es auf den Tisch.

»Ein Übersetzungsgerät«, sagte ich zu Samos. Vor einigen Jahren hatte ich solche Apparate im Norden gesehen.

»Ich traue den Burschen nicht«, sagte Samos.

»Einige von ihnen, die eine Spezialausbildung haben, verstehen Goreanisch«, sagte ich warnend.

»Oh!« sagte Samos.

Das kleinere Geschöpf wandte sich dem großen Artgenossen zu und sagte etwas zu ihm. Die Sprache dieser Wesen ähnelt einer Folge von Fauch-, Knurr-, Keuch- und kehligen Schnarrartikulationen. Es handelt sich eindeutig um tierische Laute, wie man sie von großen starken Raubtieren erwarten konnte; andererseits werden sie mit einer Flüssigkeit, Genauigkeit und Feinheit gesprochen, die unverkennbar ist: Voller Unbehagen muß man erkennen, daß man einer Sprache zuhört.

Das größere Wesen neigte den riesigen zottigen Kopf und hob ihn wieder. Aus dem geschlossenen Mund ragten die Spitzen zweier langer gekrümmter Hauer. Augen belauerten uns.

Das kleinere der beiden Angesandten beschäftigte sich mit dem Gerät auf dem Tisch.

Das Senken des Kopfes ist eine fast überall bekannte Geste der Zustimmung oder Unterwerfung. Ablehnung wird dagegen auf die unterschiedlichste Weise signalisiert. Kopfschütteln, Abwenden, ein ablehnendes Verziehen des Mundes oder das Ausspucken einer unerwünschten Substanz aus dem Mund, ein Zurückweichen, ein Heben des Kopfes mit gleichzeitiger Entblößung der Zähne und die Anspannung sämtlicher Muskeln.

»Es ist für diese Wesen sehr schwer, Goreanisch zu sprechen oder eine andere menschliche Sprache.« Dies lag natürlich an der Gestaltung von Mundhöhle, Hals, Zunge, Lippen und Zähnen, die ungeeignet waren, menschliche Phoneme hervorzubringen. Wird es dennoch versucht, kann das Ergebnis schrecklich sein. Ich erschauderte. Ein- oder zweimal hatte ich mitanhören müssen, wie ein solches Wesen Goreanisch sprach. Es war sehr beunruhigend gewesen, Laute, die einer menschlichen Sprache glichen, aus einer solchen Kehle aufsteigen zu hören. Mir war es nur recht, daß wir ein Übersetzungsgerät hatten.

»Sieh doch!« sagte Samos.

Ein kleines rotes Licht begann auf der Maschine zu leuchten.

Das schmalere Ungeheuer richtete sich auf und begann zu sprechen.

Natürlich verstanden wir zunächst nichts von dem, was da gesagt wurde. Reglos lauschten wir im matten hellgelben flackernden Licht der offenen Laterne, inmitten der tanzenden Schatten, die den verlassenen Tarnstall füllten.

Ich weiß noch, daß mir das Funkeln der goldenen Ringe in den Ohren auffiel, und das feuchte Schimmern des Speichels auf den dunklen Lippen und Reißzähnen.